Rheinland-Pfalz Vermisstensuche legal

Mit einer Sonde suchen die Forscher nach den Überresten der im Krieg gefallenen Soldaten.
Mit einer Sonde suchen die Forscher nach den Überresten der im Krieg gefallenen Soldaten.

«Oberzerf.» Private Vermisstenforscher stehen in der Kritik, weil sie die Überreste gefallener Weltkriegssoldaten auf eigene Faust bergen. Ein neugieriger Privatforscher war es auch, der im Januar im Kreis Trier-Saarburg ein Notgrab entdeckte. Doch er schaltete den Verband zur Bergung Gefallener in Osteuropa ein. Nun ist nach wissenschaftlichen Regeln gegraben worden.

Es regnet in Strömen am Samstag in Oberzerf (Kreis Trier-Saarburg), der Lehmboden ist durchgeweicht und schwer. Immer wieder stoßen die Freiwilligen vom Verband zur Bergung Gefallener in Osteuropa (VBGO) ihre Schaufeln in die nasse, rotbraune Erde, bis in der Grube die ersten Anzeichen von menschlichen Überresten auftauchen. Die Helfer gehen noch tiefer, legen einen Schädel frei, dann einen Oberschenkelknochen. Die Funde werden sofort mit Planen und Brettern abgedeckt. Dann geht es weiter. „Es sieht so aus, als würden wir heute die Überreste von drei Soldaten bergen“, sagt Hans Peter Jung vom VBGO. „Ideal wäre, wenn wir auch noch Hinweise auf ihre Identität finden. Erkennungsmarken oder ähnliches. Aber das wäre ein Glücksfall. Meistens ist die Zuordnung viel schwieriger oder ganz unmöglich.“ Bei den Toten handelt es sich um Soldaten, die in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs ums Leben kamen. Damals tobten rings um Zerf heftige Kämpfe zwischen Deutschen und Amerikanern. Äcker und Wälder waren voller Leichen. Kinder und alte Männer trugen die Toten zusammen und bestatteten sie notdürftig in hastig ausgehobenen Gruben. Zehn Jahre später holte man viele Soldaten wieder heraus und brachte sie auf den Friedhof nach Kastel-Staadt, wo sie eine würdige letzte Ruhestätte fanden. Manche liegen aber immer noch in dem Notgrab, das ein historisch interessierter Privatforscher am 9. Januar dieses Jahres wiederentdeckte. Er informierte den VBGO, dieser die Polizei, und die setzte sich mit der Landesarchäologie in Verbindung. Insgesamt ein vorbildlicher Ablauf, der die Behörden dazu brachte, Nägel mit Köpfen zu machen und eine Modellgrabung ins Werk zu setzen, an der an diesem Wochenende alle wesentlichen Organisationen beteiligt waren. Die Landesarchäologie, der VGBO, der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge, die Polizei Saarburg, sowie Vertreter der amerikanischen Vermisstensuche. Denn es ist gut möglich, dass einer der Toten sich als Angehöriger der US-Streitkräfte herausstellt. Dass in Oberzerf nach wissenschaftlichen Maßstäben gegraben werden kann, ist auch das Verdienst des Privatmanns, der seine Entdeckung den Behörden gemeldet hat. Das läuft nicht immer so. Oft werden Privatforscher von einem ungesunden Jagdfieber gepackt. Haben sie mit ihren Geräten eine vielversprechende Stelle aufgespürt, fangen sie auf eigene Faust an zu graben und können dadurch viel verderben. „Sie gehen nicht nach wissenschaftlichen Standards vor“, sagt Michael Schwab vom Amt für Landesarchäologie. „Sie achten nicht auf die Umgebung, in der die Leiche liegt. Sie beschädigen Knochen und Zähne, wodurch uns wertvolle Informationen über die Identität des Toten verloren gehen.“ So sieht es auch Bettina Hörter vom Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge. „Schon der Respekt sollte wildes Drauflosgraben verbieten“, meint sie. „Hier geht es nicht um Uniformen, sondern um menschliche Schicksale.“ Trotzdem wollen die Behörden auf die Hobbyforscher zugehen und mit ihnen zusammenarbeiten. Vorausgesetzt, sie halten sich an die Regeln und holen die notwendigen Genehmigungen ein. Manchmal ist Bettina Hörter selbst erstaunt, wie groß das Interesse an den vermissten Soldaten auch 70 Jahre nach Kriegsende noch ist. „Es vergeht kein Tag, an dem uns nicht Suchanfragen erreichen“, erzählt sie. Die Enkelgeneration recherchiert jetzt im Internet und will dann genauer wissen, ob man das Schicksal des gefallenen Großvaters nicht doch noch aufklären kann. Da ist es gut, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Stellen in Oberzerf so gut klappt und als Modell für die zukünftigen Aufgaben gelten kann, einschließlich des Austauschs mit den ehemaligen Kriegsgegnern. Jetzt geht es erst einmal darum, die Überreste der drei Toten, die man am Wochenende gefunden hat, zu bergen. Dann kommt die mühsame Arbeit des Identifizierens und Nachforschens. Wer könnte der Tote sein? Gibt es noch Angehörige? Vielleicht findet er seine letzte Ruhestätte dann in den USA. Oder irgendwo in Deutschland. Führt die Suche zu keinem konkreten Ergebnis, werden die sterblichen Überreste auf dem Friedhof in Kastel-Staadt bestattet. Und dann geht es zu den nächsten Notgräbern aus dem Zweiten Weltkrieg, bei denen die Zusammenarbeit so laufen soll wie nach dem Oberzerfer Modell. „Es gibt noch sehr, sehr viele davon in Deutschland“, sagt Bettina Hörter. „Unser Auftrag ist noch lange nicht zu Ende.“ Info Die Vermisstenforscher sind immer auf die Mithilfe durch die Bevölkerung angewiesen. Wenn jemand weiß, wo Soldaten aus den Weltkriegen liegen könnten, kann er sich an die Polizei, an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (www.volksbund.de, Rheinland-Pfalz@volksbund.de), an die Landesarchäologie (Landesarchäologie@gdkerlp.de) oder den Verein zur Bergung Gefallener in Osteuropa (info@VBGO.de) wenden.

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