Rheinland-Pfalz Toter Uhu im Strommast

«Polch/Mainz». Es war kein schöner Anblick, traurig und herzzerreißend: Mitte Mai fand ein Spaziergänger bei Polch (Kreis Mayen-Koblenz) einen toten Uhu unter einem Mittelspannungsmast. Der Mann sah, dass der Uhu beringt war und meldete den Fund der Stelle für Vogelberingung in Radolfzell. Diese informierte daraufhin Stefan Brücher von der in Bad Münstereifel ansässigen Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen. Der Verein hatte den Uhu 2012 als Jungvogel im Nest beringt – nur rund zehn Kilometer vom jetzigen Totfund entfernt. Brücher erkannte, dass es sich bei dem toten Uhu um ein Weibchen handelte – eine nackte Stelle am Bauch wies darauf hin, dass der Vogel gebrütet haben musste. Was aber war mit den Jungen geschehen? Der Vogelschützer fand schließlich 650 Meter vom Mast entfernt zwei Küken, gerade mal etwa 20 Tage alt, tot in ihrem Nest. Das Uhumännchen schaffte zwar weiter Nahrung für sie heran. „Doch die Jungen waren noch zu klein, um die Nahrung selbst zu zerteilen und davon zu fressen“, erklärt Brücher. Darum kümmere sich sonst die Mutter. Trotz der gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung von Strommasten kommen immer wieder geschützte Großvögel durch Stromschlag ums Leben. Allein bei Greifvögeln seien bundesweit 22 Prozent der Todesfälle seit 1980 auf Strommasten und Leitungen zurückzuführen, sagt Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell aufgrund der Funde beringter Vögel. Die Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes zur Sicherung von Stromleitungen seien „weitgehend flächendeckend“ umgesetzt, sagt dagegen eine Sprecherin des Umweltministeriums in Mainz. Gleichwohl könnten Verluste von Vögeln „leider nicht gänzlich verhindert werden“. Dies sei in der Regel dort zu verzeichnen, wo unzureichende Sicherungssysteme wie sogenannte Büschelabweiser verwendet würden. Wie der Uhu ums Leben kam Solche Büschelabweiser gebe es auch an dem Mast in Polch, sagt Brücher. Sie seien aber nicht an der dafür vorgesehenen Stelle, sondern seitlich versetzt befestigt worden: „An der gefährlichsten Stelle, genau auf Höhe des Isolators, entstand so ein für Vögel attraktiver Sitzplatz.“ Bei dem für den Mast zuständigen Verteilnetzbetreiber Innogy, einer Tochter des Energieversorgers RWE, erklärt ein Sprecher: „Bisher ist das Umweltministerium Rheinland-Pfalz nicht auf uns zugekommen und hat uns auch nicht darüber informiert, dass es Büschelabweiser als untaugliche Sicherung ansieht.“ Diese würden bei neueren Masten aber auch nicht mehr verwendet. Über den Totfund von Polch habe Innogy bis zu den Anfragen durch Medien keine Kenntnis gehabt, stehe aber der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen für Gespräche zur Verfügung, sagt der Firmensprecher. Im Mainzer Umweltministerium heißt es zu dem konkreten Fall: „Wir werden nun zeitnah den Kontakt zum Netzbetreiber veranlassen, damit die Gefahrenstelle beseitigt wird.“ Wo in der Pfalz noch Uhus leben Schwerpunktmäßig siedeln Uhus in Rheinland-Pfalz nach Angaben des Landesamtes für Umwelt in den Landkreisen Bad Kreuznach, Kusel, Donnersberg sowie eben im Landkreis Mayen-Koblenz in der Eifel. In den Nachbarlandkreisen rund um das Schwerpunktgebiet befinden sich kleinere Vorkommen; einziger Landkreis in Rheinland-Pfalz ohne Nachweis eines Uhus ist der Kreis Germersheim. 1973 galt der Uhu in Rheinland-Pfalz in Folge übermäßiger Jagdaktivität als ausgestorben. In den Folgejahren seien deswegen immer wieder Altvögel freigelassen worden, sodass sich die Art schließlich wiederansiedeln konnte, berichtet das Landesamt für Umwelt. Zwischen 2005 und 2009 lag demnach der Uhu-Bestand bei 290 bis 400 Paaren, im Zeitraum von 2007 bis 2012 waren es 300 bis 400 Paare. Eine Entwicklung, die auf keine wesentliche Bestandszunahme hindeute, so das Landesamt. Defizite in der Verbreitung des Uhus seien vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft zu erklären, die das Nahrungsangebot des Uhus einschränkt. Aber auch Vergitterungen von Felswänden, die mögliche Steinschläge verhindern sollen, gefährdeten den Uhu stark: Dadurch werde ihm der Zugang zu seinen bevorzugten Brutplätzen verwehrt, heißt es beim Landesumweltamt. Was zwei andere Küken rettete Für die Rettung der beiden Uhu-Küken, deren Mutter im Strommast verendet war, kam Stefan Brücher von der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen zu spät. Wie der Vereinsvorsitzende sich mit seinen Helfern an einem anderen Brutplatz an der Ahr rührend um zwei jungen Uhus kümmert, lässt sich zurzeit live im Internet verfolgen: Die Gesellschaft hat dort eine Webcam installiert, deren Videos angeschaut werden können. Uhuweibchen „Lotte“ hatte an diesem Felsen Anfang März zu brüten begonnen, Mitte April waren zwei Küken geschlüpft. Alles lief klar, bis zu den kalten Tagen Anfang Mai. Die Uhueltern machten zu wenig Beute für ihren Nachwuchs, beobachtete Brücher. Und schritt ein. In seinem Internet-Tagebuch notierte er am 6. Mai: „Daher habe ich heute bei der Nachbarin eine Mikrowelle geliehen, zwei Bisamratten schnell aufgetaut und bin am Nachmittag zum Felsen an die Ahr gefahren. Bisamratte 1 legte ich auf die Felsrippe, die auch den Uhus als Beuteübergabeplatz dient. Aus dem Augenwinkel sah ich Lotte in der Felswand sitzen, schaute sie aber nicht direkt an. Mit Bisamratte 2 machte ich mich dann auf in Richtung Uhunest. Bei Nässe ist das nicht gesicherte Hinaufklettern so eine Sache, daher wollte ich nur bis unter das Nest klettern und die letzten acht Höhenmeter durch Bisamwurf überbrücken. Der erste Versuch schlug fehl, die Bisamratte folgte alsbald der Schwerkraft, aber ich konnte erahnen, wo sie landete. Ich stieg also wieder hinunter und barg das kostbare Lebensmittel, um es erneut zu versuchen. Dieses Mal wagte ich mich für den Wurf noch zwei Meter höher und versuchte es erneut. Die Bisamratte blieb nur kurz im Nestbereich liegen, rollte und stürzte die Felswand hinab. Unauffindbar.“ Wieder zu Hause, schaute Brücher sofort, was die Webcam zeigte. Aufgrund eines technischen Defekts war der Bildschirm zunächst schwarz. Die Ungewissheit zehrte an den Nerven. Dann Aufatmen. Das Bild offenbarte, dass Uhumama „Lotte“ die Ratte ins Nest gezogen hat. Brücher über diesen Moment: „Die Uhuküken sind derart aus dem Häuschen, dass sie vor Aufregung kaum in der Lage sind, gezielt Brocken aus dem Schnabel der Mutter zu nehmen. Jetzt bin ich doch zufrieden mit meiner Aktion.“ Info Die Webcam und das Tagebuch der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V.: uhu.webcam.pixtura.de/ www.egeeulen.de/

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