Rheinland-Pfalz Teure Luftnummer

Im Nachhinein: Wie eine Riesentrompete in Wirges für Missklänge sorgt

Wirges ist ein munteres 5000-Einwohner-Städtchen im Westerwald mit einer besonderen Geschichte. Als sich dort 1895 eine Glashütte ansiedelte, bedeutete dies für den Ort eine schicksalhafte Wendung. Von weit her kamen Glasbläser nach Wirges, wo es plötzlich Arbeit für sie gab. Das neue Gewerbe drängte die bisher tonangebende Töpferzunft mehr und mehr in den Hintergrund. Ein Brunnen erinnert heute an diese Vergangenheit; immer noch ist eine Glashütte der größte Arbeitgeber in Wirges – produziert werden überwiegend grüne Flaschen für den Wein-, Sekt- und Biermarkt. Wer weiß, hätte sich die Stadt auf ihre Glasbläser-Tradition besonnen, wäre vielleicht eine Provinzposse zu vermeiden gewesen, die seit Monaten die Wirgeser dissonanzenreich in zwei Lager spaltet. Und mittlerweile landesweite Aufmerksamkeit findet. Doch der Reihe nach: In Wirges gibt es ein Bürgerhaus, das in die Jahre gekommen war und saniert werden musste. Vor allem aus energetischen Gründen. Hinterher hieß es stolz über die Gute Stube mit Saal, Tagungs- und Clubräumen: „Unser Haus erscheint nicht nur optisch in neuem Glanz, sondern ist auch technisch auf dem neusten Stand.“ Störend war im Nachhinein nur, dass die neue Lüftungsanlage auf dem Dach etwas wuchtig geraten war – sie thront wie ein Panzer auf dem Bürgerhaus. Was tun? Die Kommunalpolitikern in Wirges hatten schnell eine Idee. Für die 4,8 Millionen Euro teure Sanierung hatte das Land eine Förderung von knapp 1,8 Millionen gewährt. Der Zuschuss ist indes an die Bedingung geknüpft, dass am Bürgerhaus 40.000 Euro für „Kunst am Bau“ ausgegeben werden. Den 30 Meter langen und zwei Meter hohen Lüftungspanzer hinter Kunst zu verstecken, schien da eine pfiffige Lösung zu sein. Ein Wettbewerb wurde ausgelobt. Der Ausschreibungstext des für Gestaltung und Umwelt zuständigen Beigeordneten Walter van’t Hoen verströmte Aufbruchstimmung: „Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt“, heißt es dort. Heute denken wohl viele Wirgeser, dass man damit vielleicht den Mund zu voll genommen hat. 14 Entwürfe wurden von Künstlern eingereicht, die Jury entschied sich unter Vorsitz von van’t Hoen einstimmig für das Konzept der Mainzer Künstlergruppe „conhereos“, das den Titel „FestSpielHaus“ trägt. Das Kunstobjekt soll die klotzige Lüftungsanlage mit Elementen einer Trompete – genauer: mit einem gut einen Meter breiten und fast zwei Meter tiefen Trompetentrichter, mit bis zu zwei Meter hohen Ventilen, Klappen und einer fünf Meter langen Rohrleitung aus Glasfaserkunststoff und Edelstahl – aufhübschen. Eigentlich ein kluger Einfall, weil er mit dem Thema Luftströme spielt und die Anlage auch nicht einfach verblendet, sondern sie zum Teil des Musikinstruments werden lässt. Doch die Kritiker bliesen dieser Kunst am Bau schnell den Marsch: Eine solche Riesentrompete könne ein Sinnbild für ein Festspielhaus wie in Bayreuth oder Salzburg sein, zum Charakter des Bürgerhauses in Wirges als Ort des Gemeinschafts- und Vereinslebens passe die Skulptur aber auf keinen Fall. Der Spott-Kanon dauert an. Ein harmonischer Schlussakkord ist nicht in Sicht, zumal der Stadtrat sich selbst blockiert: Diese Woche fand weder der Antrag, die Mainzer Künstler ihre Riesentrompete überarbeiten zu lassen, noch die Alternative, einen neuen Wettbewerb für eine künstlerische Aufwertung einer anderen Stelle des Bürgerhauses auszuschreiben, eine Mehrheit. Die Krux dabei: Werden die 40.000 Euro nicht für Kunst am Bau ausgegeben, könnte das Land den ganzen Zuschuss von 1,8 Millionen Euro zurückfordern. Aus der Trompete würde so eine Luftnummer, die Wirges richtig teuer kommt. 

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