Corona Studie: Hohe Dunkelziffer bei Corona-Infektionen

Abstand halten schützt noch besser als Maske tragen: Ein Ergebnis der Covid-19-Studie der Unimedizin Mainz.
Abstand halten schützt noch besser als Maske tragen: Ein Ergebnis der Covid-19-Studie der Unimedizin Mainz.

42 Prozent aller mit Sars-CoV-2 Infizierten wissen nichts von ihrer Infektion. Die Dunkelziffer bei den Infektionen ist damit deutlich höher als bislang vermutet. Das ist ein Ergebnis der Covid-19-Studie, die die Unimedizin Mainz am Mittwoch vorgestellt hat. Sie hat auch gezeigt, wer die Pandemie nicht anfacht und wo Impfaktionen jetzt am nötigsten sind: ein Bereich, den das Land lange vernachlässigte.

Als die Unimedizin der Johannes Gutenberg Universität Mainz vor 13 Jahren eine groß und langfristig angelegte Studie mit dem Schwerpunkt Herz- und Gefäßerkrankungen startete, konnte niemand ahnen, dass deren Tausende von Probanden einmal bei der Erforschung eines Virus helfen könnten. Genau die 10.250 „Untersuchungsobjekte“ aus einer der weltweit größten Studien aber konnten die Mediziner im Oktober 2020 „anzapfen“ für neue Untersuchungen, mit denen Aussagen zu Risiken, Prävention und Auswirkungen der Corona-Pandemie getroffen werden sollten.

42 Prozent wussten nichts von ihrer Infektion

Mehr als eine Million Blut-, Stuhl- oder Tränenflüssigkeitsproben lagen als Biomaterial zur Auswertung vor, ergänzt um PCR- und Antikörpertests sowie Angaben zu Wohnsituation und finanzieller Situation der Probanden. Nun liegen die Ergebnisse des ersten Untersuchungsabschnitts von Oktober 2020 bis Juni 2021 vor.

Demzufolge wissen 42 Prozent aller mit Sars-CoV-2 Infizierten nichts von ihrer überwundenen Infektion. Hochrechnungen der Forscher zufolge waren damit bereits rund 6,3 Prozent der Bevölkerung im Verlauf der Pandemie mit dem Sars-Cov-2-Virus infiziert, deutlich mehr als bislang vom Robert Koch-Institut vermutet. Dort wurde mit 4,5 Prozent gerechnet. Männer waren danach häufiger unwissend infiziert (44,2 Prozent) als Frauen (40,6), ebenso ältere Personen. Der Höchstwert an unerkannten Infektionen lag mit 63 Prozent bei den 75- bis 88-Jährigen.

Wie der Koordinator der Studie, Philipp Wild, sagte, sei gerade unter diesem Aspekt systematisches Testen wichtig. Vor allem unter den Genesenen und Geimpften sei die Testrate jetzt jedoch rückläufig. Die Rate sank unter den zweifach Geimpften von Ende April von knapp 30 auf 15 Prozent.

„Halten sich genauso an Hygienemaßnahmen“

Eine weitere wichtige Erkenntnis ist laut Wild, dass die Pandemie sozial benachteiligte Menschen deutlich härter trifft als andere. Demnach tragen sie ein höheres Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren und sie sind häufiger von Einkommenseinbußen betroffen. Das durchschnittliche Nettoeinkommen sei bei rund 16 Prozent der Bevölkerung weniger geworden. In den Gruppen an der Armutsgrenze sei das Einkommen sogar bei jeder vierten Person gesunken.

Unter den Personen mit geringerer Bildung und weniger Einkommen ist die Impfbereitschaft niedriger, so die Studie. „Genau die Menschen aber müssen wir erreichen. Barrieren abbauen, offen über Risiken kommunizieren“, forderte der Mediziner. Damit dürfte er den Finger in die Wunde der Corona-Politik des Landes legen, das spät und erst in geringem Maß Impfaktionen in sozialen Brennpunkten startete. „Aber Personen in prekären Lebensverhältnissen halten sich nicht weniger an die Schutzmaßnahmen als andere“, betonte Wild. Bestätigt sah er auch die Erkenntnis, dass Kinder nicht die Infektionstreiber sind. Das Risiko einer Infizierung steige vielmehr mit der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. „Prekäre Wohnverhältnisse sind der Treiber, nicht die Kinder“, so der Forscher.

Präventiv hilft Abstand mehr als Maske

Präventiv sei Abstand halten noch effektiver als Maske tragen. Auch Homeoffice schütze deutlich. Bei Berufstätigen, die ausschließlich von zu Hause arbeiten, zeige sich ein um rund 30 Prozent geringeres Infektionsrisiko gegenüber Arbeitnehmern ohne Homeoffice. Für Forscher Wild steht fest: „Die Pandemie hat Extreme geschaffen“ – im Positiven wie Negativen – etwa in der Gefühlswelt, im Sport, beim Alkoholkonsum. Die Ergebnisse zu diesen Themen stehen noch aus.

Info

Die Gutenberg Covid-19-Studie untersucht laut Unimedizin Mainz von Oktober 2020 bis März 2022 rund 10.000 Personen, die in Mainz und im Kreis Mainz-Bingen leben. Dabei werden Daten jeweils zu zwei Zeitpunkten im Abstand von vier Monaten erfasst sowie erneut nach einem Jahr; weiterhin erfolgt eine wöchentliche App-Befragung. Die Probanden sind überwiegend bereits Teil der Gutenberg-Gesundheitsstudie, die 2007 begann. Die Teilnehmenden sind zwischen 25 und 88 Jahre alt. Die Studie wird unter anderem von der EU und dem Land Rheinland-Pfalz unterstützt. Weitere Infos unter www.gutenberg-covid19.de sowie GCS Dashboard

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