Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz: Wissenschaftsminister Wolf bei Zusammenlegung von Unis in der Kritik

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Wissenschaftsminister Konrad Wolf

Die Hochschullandschaft in Rheinland-Pfalz ist in Bewegung, auf Wissenschaftsminister Wolf prasselt allerhand Kritik ein. Und so mancher Standort muss an seinem Profil arbeiten - zu beachten gibt es dabei vieles, wie ein Experte erklärt.

Es rumort gewaltig an den Unis und Hochschulen in Rheinland-Pfalz. Die geplante Trennung der Uni Koblenz-Landau und die Zusammenlegung des Landauer Standorts mit der Technischen Universität (TU) Kaiserslautern sorgen für Verunsicherung und Ängste. Am Dienstag trifft sich eine Steuerungsgruppe, die den Prozess leiten soll, das erste Mal. Abseits dessen fordert die größte Hochschule des Landes, die Mainzer Johannes Gutenberg-Universität, mehr Geld, sieht sich im Nachteil gegenüber der Konkurrenz. Studierendenvertreter wollen mehr eingebunden werden und mahnen, wichtige Themen nicht liegenzulassen - keine leichte Zeit für Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD). Im Februar fand sich Wolf in einem Ranking des Deutschen Hochschulverbands mit den Wissenschaftsministern der Länder und des Bundes auf dem letzten Platz wieder. Mitte April folgte harsche Kritik der Mainzer Uni. In der „Allgemeinen Zeitung“ prangerte Präsident Johannes Krausch an, Mainz sei unter den 15 führenden Großunis in Deutschland Schlusslicht bei der Finanzausstattung. Er verwies etwa auf Kosten wegen der Digitalisierung. Das Ministerium sieht die als große Herausforderung und verweist auf erfolgte Maßnahmen, etwa die vom Land unterstützte Rechenzentrumsallianz sowie den „Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz“ - eine hochschulübergreifende Einrichtung, die unter anderem technische Unterstützung anbietet.

Forderung, Internationalisierung und Digitalisierung stärker zu fördern

Nichtsdestotrotz fehlt Luca Wagner, Koordinator der Landesstudierenden-Konferenz, der große Plan in Sachen Digitalisierung und Internationalisierung. Hier werde nicht genügend angepackt, dabei müssten die Hochschulen attraktiver werden, damit Studenten nicht in Nachbarbundesländer abwandern und ausländische Studenten kommen, meint der Studentenvertreter. Wagner nennt auch das in Nordrhein-Westfalen existierende landesweite Semesterticket, das es in Rheinland-Pfalz eben nicht gebe. „Auch so was zieht Studenten ab.“ Klar ist, es zieht mehr Rheinland-Pfälzer nach dem Abi in andere Bundesländer als Abiturienten hierher. Im Wintersemester 2017/18 entschieden sich laut Statistischem Landesamt rund 66 200 Studienberechtigte aus Rheinland-Pfalz für ein Studium in einem anderen Bundesland. Gleichzeitig kamen nur 58 300 junge Menschen, die ihre Hochschulzugangsberechtigung woanders erworben haben. Die Debatten um Finanzausstattung und Wanderungssalden stehen aber im Schatten des beherrschenden Themas: der Mitte Februar verkündeten Umstrukturierung der Uni-Standorte Koblenz, Landau und Kaiserslautern. Sie ist ein zentraler Schritt, der in Folge der 2018 vorgestellten Empfehlungen einer Expertenkommission für die Hochschullandschaft hierzulande gegangen wird. Zuvor war monatelang darüber spekuliert worden.

Bis 2022 soll Standort Koblenz eigenständig werden

Entsprechend sprach die Präsidentin der Noch-Uni Koblenz-Landau, May-Britt Kallenrode, nach der Bekanntgabe der Trennung von einer „extrem lähmenden“ Phase, die endlich vorbei sei. TU-Präsident Helmut Schmidt bemühte den Vergleich mit einem „Damoklesschwert“, das über den Standorten geschwebt habe. Nun soll bis 2022 der Standort Koblenz eigenständig werden, der mehr als 170 Autobahnkilometer entfernte Standort Landau wird mit der nur etwa 60 Kilometer entfernten TU Kaiserslautern fusioniert. Die bisherige Verwaltung in Mainz verschwindet. Als Kernkosten der neuen Organisation veranschlagt das Ministerium acht Millionen Euro, weitere Mittel seien für die Profilbildung der Standorte nötig. Das hält so mancher für zu niedrig, etwa Paul Klär vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) in Landau, der als studentischer Vertreter in der Steuerungsgruppe sitzt. Auch Uni-Präsidentin Kallenrode sagt, für die gesamte Umorganisation reiche der Betrag definitiv nicht aus. Vorsichtig formuliert könne man es als „erste Tranche“ sehen. Die Trennung von Koblenz und Landau sei an vielen Stellen sehr kompliziert. Angepackt und separiert werden müssten etwa die Datenverarbeitung in der Verwaltung oder das Campus-Managementsystem. Hier mache es die Digitalisierung sogar komplizierter. Und weil nun alle digitalen Systeme angefasst werden müssten, könne in der Übergangsphase kein System weiterentwickelt oder erneuert werden. „Das sehe ich als gravierendes Handicap, da verlieren wir in der Zwischenzeit“, kritisiert Kallenrode. Auch Kooperationsverträge mit ausländischen Hochschulen müssten verändert, die Sprachenzentren an beiden Orten auseinanderdividiert werden. Koblenz habe derzeit keine eigene Uni-Bibliothek, der Standort werde von Landau aus mitbedient. Hier müsse ebenfalls eine Lösung gefunden werden. „In der Summe ist es eine große Menge“, sagt Kallenrode. Mit Blick auf das Ziel, die Umstrukturierung bis 2022 zu vollziehen, spürt sie durchaus einen Zeitdruck kommen.

Vorwurf: Landesregierung hat Unis außen vor gelassen

AStA-Vertreter Klär findet die Idee des Zusammengehens von Landau und Kaiserslautern nicht grundsätzlich falsch, sieht aber keinen umfassenden Plan, wie das bewerkstelligt werden soll. Er fürchtet, dass der Prozess viele Ressourcen bindet, die in der Lehre fehlten. „Da leidet die Betreuung der Studierenden drunter.“ Luca Wagner, Koordinator der Landes-ASten-Konferenz (LAK), dem Zusammenschluss aller rheinland-pfälzischen Studierendenschaften, moniert, man sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Auch bei der Leitung der TU Kaiserslautern herrscht alles anders als eitel Sonnenschein. Sie befand kürzlich, die Landesregierung habe die weitreichendste Entscheidung für die Uni-Struktur im Land ohne Einbindung der Unis gefällt. Das Ministerium sieht sich dagegen auf dem richtigen Weg und die relevanten Akteure eingebunden. Wolf stellte im Wissenschaftsausschuss des Landtages vor, dass die 14-köpfige Steuerungsgruppe die Umstrukturierung der drei Standorte lenken soll mit den Präsidenten, Vizepräsidenten und Kanzlern der Hochschulen, Studenten, Professoren, nicht-wissenschaftlichen Mitarbeitern sowie Vertretern der Personalräte und des Ministeriums. Kritik werde sehr ernst genommen, sagte Wolf im Ausschuss. Aber: Die Entscheidung für die Umstrukturierung werde den Wissenschaftsstandort stärken und ihn sichtbarer machen. Es sei beileibe kein Sparmodell.

Nicht nur Forschungsexzellenz als Ziel sehen

Doch was braucht es für einen erfolgreichen Standort? Hochschulen müssten für sich das finden, was sie besonders gut können, erklärt Frank Ziegele, Geschäftsführer beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh. Oft werde der Fehler gemacht, nur eine Forschungsexzellenz als gutes Profil zu sehen. „Es können und sollen nicht alle wie Harvard sein“, sagt Ziegele. Es könne genauso erfolgreich sein, sich optimal an regionalen Bedarfen etwa der mittelständischen Wirtschaft oder der Industrie zu orientieren. Das ist auch eine Idee für eine eigenständige Uni Koblenz. Sie soll stärker mit Stadt und Region verwachsen. Wobei Minister Wolf stets betont, dass die Entwicklung der Profile in Lehre und Forschung in der Verantwortung der Unis liegen soll. Uni-Chefin Kallenrode sieht für Koblenz Potenzial in neuen Kombifächern etwa an der Schnittstelle von Sozialwissenschaften und Informatik, auch der Ausbau des Themas Wasser sei gemeinsam mit der Hochschule Koblenz machbar. Für eine fusionierte Uni in der Pfalz schwebt Holger Burckhart, einst Leiter der Expertenkommission, eine gesellschaftskritische Begleitforschung zur in Kaiserslautern starken Künstlichen Intelligenz vor. Jenseits der Landesgrenzen nennt CHE-Experte Ziegele als ein Beispiel für ein erfolgreiches Nischenprofil die Hochschule für nachhaltige Entwicklung im brandenburgischen Eberswalde. „Sie schaffen es, überregional Leute anzuziehen.“ Entscheidend sei, sich auf den Weg hin zu einer Profilierung zu machen. „Viele machen das noch nicht.“ Und trotz aller Profilsuche brauche es auch eine Nachfrage von Studenten. Die seien in Deutschland immer noch vergleichsweise wenig mobil. „Viele studieren heimatnah.“ Das begrenze die Möglichkeiten.

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