Rheinland-Pfalz Nicht blind, träge ist Justitia

Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, wird gerne als Jungfrau mit Waage, Richtschwert und Augenbinde abgebildet. In Rheinland-Pfalz wirkt sie aber gerade wie eine alternde Matrone, die träge im Komfortsessel sitzt und allenfalls die Fernbedienung in Händen hält, mit der sie die Rückenlehne und die Fußstütze verstellt. Zwei Monate ist es her, da stellte das Justizministerium auf Anfrage der CDU in Aussicht, dass das Gerichtsverfahren gegen den Schweizer Finanzvermittler Urs Barandun vor dem Landgericht Mainz in diesem Frühjahr starten soll. Vor zehn (!) Jahren hat Barandun in einem Züricher Nobel-Hotel zwei Schecks über 100 Millionen Dollar einer „Miracle Asset Management“ (Wundervermögensverwaltung) an damalige Verantwortliche der Nürburgring GmbH übergeben. Damit sollte der Ausbau der damals landeseigenen Rennstrecke zum Freizeitpark finanziert werden. Allein, die Schecks waren nicht gedeckt, auf dem dazugehörigen Konto waren gerade einmal 50 Dollar. Das Ganze also ein großer Schwindel. Deshalb platzte der Traum der Landesregierung. Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) musste zurücktreten. Nürburgring wurde zum Synonym für einen Skandal, der die Steuerzahler in Rheinland-Pfalz 500 Millionen Euro gekostet hat. Doch wann beginnt endlich der Prozess, der Barandun wegen Urkundenfälschung gemacht werden soll? Auf RHEINPFALZ-Anfrage räumt das Mainzer Landgericht nun erneut eine Verschiebung ein – auf den 24. Oktober. Der Grund: In der zuständigen ersten Strafkammer wechselte kurzfristig der Berichterstatter. Er muss sich nun einarbeiten. Das Mainzer Landgericht wollte den Fall schon 2015 einstellen, aber das Oberlandesgericht Koblenz hat es zur Neuaufnahme gezwungen. Am Landgericht Koblenz steht indessen noch das Revisionsverfahren gegen Deubel aus. Seit mehr als einem Jahr wartet das Gericht auf ein betriebswirtschaftliches Gutachten. Deubel war im April 2014 wegen Untreue zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, doch der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung im November 2015 teilweise aufgehoben. Das sind auch schon wieder vier Jahre her. Vielleicht hat die träge rheinland-pfälzische Justitia in der Zwischenzeit von ihrem Bequemsessel aus mit einer zweiten Fernbedienung „Game of Thrones“ eingeschaltet und für sich geurteilt, dass es Hierzuland gar nicht so schlecht ist.

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