Rheinland-Pfalz Missbrauchsskandal im Saarland weitet sich aus: Neuer Fall – Ausschuss nimmt Arbeit auf

Während der parlamentarische Untersuchungsausschuss Missbrauchsverdacht am Universitätsklinikum des Saarlands (UKS) in Homburg am Mittwoch in Saarbrücken seine Arbeit aufnimmt, ist am Dienstag ein neuer Verdachtsfall bekanntgeworden. Im Sommer 2012 soll dort ein Mädchen in der Hals-, Nasen-, Ohrenklinik sexuell missbraucht worden sein, wie die Frankfurter Rundschau berichtete. Nach Informationen der RHEINPFALZ war in diesem Fall zunächst die Familie in Verdacht geraten, sich an der Tochter zu vergehen, dann hätten interne Untersuchungen jedoch den Verdacht auf die Klinik gelenkt. Die Mutter des Kindes sei zunächst nicht informiert worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Saarbrücken laufen wegen des mutmaßlichen Übergriffs Ermittlungen gegen Unbekannt. Vorausgegangen war laut Staatsanwaltschaft eine Anzeige im August.

„Eine Anklage wäre möglich gewesen“

Ende Juni hatte das WDR-Magazin Monitor einen Skandal am UKS aufgedeckt. Eltern mutmaßlicher Opfer waren erst im Zuge der Monitor-Recherchen von Staatsanwaltschaft und Klinikum informiert worden, dass ein mittlerweile verstorbener Assistenzarzt zwischen 2010 und 2014 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sich wegen sexuellen Missbrauchs strafbar gemacht haben könnte. Die Staatsanwaltschaft hatte in 34 Fällen Akten beschlagnahmt, aber zunächst keine Patienten des Arztes informiert. Die Ermittlungen wurden mit dem Tod des zuletzt in Zweibrücken wohnenden Mannes im Sommer 2016 eingestellt. Die Generalstaatsanwaltschaft in Saarbrücken hatte im Sommer 2019 gegenüber der RHEINPFALZ gesagt, dass damals zumindest in einem Fall eine Anklage gegen den 36-Jährigen „möglich gewesen“ wäre. Die Stellungnahme des Mediziners habe noch gefehlt, so Generalstaatsanwalt Günter Matschiner. Opferanwältin Claudia Willger zufolge habe der Anwalt des Arztes jedoch klar gemacht, dass er keine solche abgeben werde. Mit dem Tod des Arztes erübrigte sich dann die Anklageerhebung.

Eine Mutter passt auf

Gegen den jungen Arzt mit offenbar pädophilen Neigungen habe es bis zu seiner fristlosen Entlassung Ende 2014 etliche Hinweise gegeben, laut Anwältin Willger seien diese nicht verfolgt und vertuscht worden. Unter anderem gab es die Auflage durch seinen nächsthöheren Vorgesetzten, er dürfe Kinder in der Ambulanz der Jugendpsychiatrie nur im Beisein Dritter untersuchen. Das wurde womöglich nicht entsprechend kontrolliert. Auch die Kontrolle der staatlichen Klinik durch die Staatskanzlei und letztlich durch die für das Ressort Wissenschaft zuständige damalige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer habe nicht funktioniert. Der Assistenzarzt, der in Homburg auch als Judotrainer aktiv war, war nach RHEINPFALZ-Informationen ebenso sportlich erfolgreich wie einschlägig bekannt. Eine Mutter gab an den Verein die klare Anweisung: „Mein Kind darf nicht mit dem Mann allein sein.“ Dank ihrer Wachsamkeit ist ihrem Sohn womöglich ein Übergriff des Arztes erspart geblieben. Noch immer sind Gruppenbilder mit dem jungen Mann und seinen Schützlingen auf der Homepage des Judovereins zu finden.

Oberärztin erzwingt Ausschuss-Umbenennung

Zum Auftakt der Anhörungen im U-Ausschuss am Saar-Landtag sind am Mittwoch um 9.30 Uhr die vier sogenannten Betroffenen des Klinikums geladen – als Beschuldigte dürfen sie nicht bezeichnet werden. Hinter verschlossenen Türen können die Klinikverantwortlichen Stellung beziehen zu dem Skandal um den Assistenzarzt. Ob sie davon Gebrauch machen, wird sich zeigen. Die geladene Oberärztin und damalige Vorgesetzte des Arztes jedenfalls hatte zusammen mit ihrem Anwalt zuletzt für eine Umbenennung des Ausschusses gesorgt: Statt U-Ausschuss „Missbrauch“ muss es jetzt heißen: „Missbrauchsverdacht“.

Hier soll ein junger Assistenzarzt zwischen 2010 und 2014 mehr als 30 Kinder sexuell missbraucht haben.
Hier soll ein junger Assistenzarzt zwischen 2010 und 2014 mehr als 30 Kinder sexuell missbraucht haben. Foto: dts
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