Rheinland-Pfalz Metzger und Autor Jürgen David: „Jede banale Leberwurst ist mehr Wert als Champagner“

Jürgen David, Geschäftsinhaber und Metzgermeister, steht in der Reifekammer zwischen halben Rinderrücken. Er ärgert sich über Me
Jürgen David, Geschäftsinhaber und Metzgermeister, steht in der Reifekammer zwischen halben Rinderrücken. Er ärgert sich über Menschen, die »bloß Floskeln nachplappern«. Foto: dpa

Diskussionen über Fleisch werden erbittert geführt – und oft ideologisch. Der Wormser Vorortmetzger und Buchautor Jürgen David („Butcher’s Revolution“) findet die Industrialisierung der Produktion „pervers“ und rät zu mehr Differenzierung.

Das Klischee vom Metzger als gefühlskaltem Fleischhändler kann Jürgen David nicht mehr hören. Im Endeffekt, sagt David und streicht in der Kühlkammer über halbe Rinderrücken, sei Fleisch sogar das am teuersten produzierte Lebensmittel der Welt. „Es kostet Futter, Energie, und am Ende noch ein Lebewesen“, sagt der 43-Jährige. „Jede banale Leberwurst hat einen höheren Wert als der teuerste Champagner.“ David ist Metzger in der fünften Generation - und in der Branche längst überregional bekannt.

Aus der Reifekammer

Als „Vorortmetzger“ bezeichnet sich David bescheiden. Ein Blick auf den Parkplatz seines Geschäfts in Worms vermittelt ein anderes Bild – dort sind auch Autokennzeichen aus Luxemburg und der Schweiz zu sehen. Davids Laden läuft wohl vor allem wegen Dry Aged Beef. „Das Steak gedeiht dazu wochenlang in der Reifekammer und eröffnet beim Essen ein ganz neues Geschmackserlebnis“, sagt der Metzger. Seine Rinder bezieht er aus Irland und Schottland, aber auch regional aus dem Donnersbergkreis.

„2011 hatte ich von einem Metzger in Australien gehört, der sein Fleisch in einer Salzkammer reifen lässt. Ich habe das aufgenommen und mich langsam an Luftfeuchtigkeit und Temperatur herangetastet“, erzählt David. Bei Dry Aged Beef laufe ein biochemischer Prozess ab. „Durch die sechswöchige Reifezeit in der Salzkammer zersetzen Enzyme die zähen Fleischeiweiße. Dry Aged Beef wird zart und generell intensiver im Geschmack.“ Schnell wird die Branche auf David aufmerksam. 2017 eröffnet er sein Besucherzentrum „Hall of Beef“.

Veredelung als Chance

Das ändert aber nichts daran: Wohl nie zuvor wurde über Fleisch so emotional diskutiert wie heute. Auch Dry Aging hat Kritiker, die etwa eine mangelnde Nachhaltigkeit monieren. Dry Aging sei sicher eine aufwendigere und energieintensivere Form der Veredelung, heißt es vom Deutschen Fleischerverband. „Aber es ist gleichzeitig eine Chance für jene Betriebe, die einen solchen Kundenstamm haben und ihre große Fachkompetenz beweisen können“, sagt Vizepräsident Michael Durst. Zudem sei es kein Steak für jeden Tag.

„Fleisch ist als Lebensmittel unverzichtbar“, sagt Metzger David, „es sollte aber bewusster gegessen und mehr wertgeschätzt werden.“ Wenn er höre, dass ein Restaurant in Dubai ein vergoldetes Steak anbiete, sei das eher kein gutes Beispiel für mehr Wertschätzung. Doch das Gegenteil helfe auch nicht weiter. „Hier bei uns wurde der einstige Luxusartikel Fleisch mittlerweile zur Massenware degradiert. Die Supermärkte locken mit ständiger Verfügbarkeit und niedrigen Preisen. Ist das viel besser?“

Was ihn ärgert: „Floskeln nachplappern“

Kaum ein Agrar-Thema ist so umstritten wie der Umgang mit Tieren. Massentierhaltung führt regelmäßig zum Vorwurf der Quälerei. Auch David nennt die Industrialisierung der Fleischproduktion „pervers“. Bei der Diskussion etwa über Massentierhaltung fordert er aber mehr Differenzierung. „Man kann und muss vieles in meiner Branche skeptisch betrachten. Aber ich merke immer wieder, wie wenig Ahnung viele haben und bloß Floskeln nachplappern.“

Das Streitthema Fleisch geht wie David vielen Metzgern an die Berufsehre. „Jeden Tag habe ich an meiner sieben Meter langen Theke rund 1850 Euro Personalkosten und etwa 185 Euro Stromkosten“, zählt David auf. Ein Supermarkt habe auf der großen Fläche eine ganz andere Kalkulation. „Dort können Sie von Montagmorgen bis Samstagabend für sieben Euro ein Schweinefilet kaufen. Und dann kommen die Leute in mein kleines Geschäft und sagen: Hier ist ja alles drei Mal so teuer. Diese Wahrnehmung hat vieles im Metzgergewerbe kaputt gemacht.“

Mittel gegen das Metzgerei-Sterben

Der Restaurantfachmann Ralf Frenzel, der einst mit Alfred Biolek die TV-Kochsendung „Alfredissimo“ konzipierte, sieht in Experten wie David die Zukunft der Branche – und ein Mittel gegen das Metzgerei-Sterben. „Manche Metzgereien graben sich mit einem zu breiten Angebot selbst das Wasser ab“, sagt Frenzel, der eng mit David zusammenarbeitet. Im Kulinarischen dürfe man nie beliebig werden. „Sonst fragen die Leute: Warum soll ich das ausgerechnet da kaufen?“ Der langjährige Koch und Weinsommelier Frenzel rät zur Spezialisierung. „Ich bin sicher, dass es der Branche helfen kann.“

In der „Hall of Beef“

Sein Traumberuf sei Metzger nicht gewesen, räumt David ein. „Den Familienbetrieb, in dem es wirtschaftlich nicht gut aussah, habe ich eher aus Pflichtgefühl übernommen.“ In Worms hätten ihn manche mit seiner Berufswahl aufgezogen. Das habe ihn motiviert. „Irgendwann“, habe er gedacht, „werden die, die noch lachen, bei mir einkaufen.“ Der Durchbruch kam mit seiner Frau Yvonne. „Ich konnte mich auf die Wurstküche konzentrieren.“ 2009 habe sich der Laden dann stabilisiert, berichtet er. Bei sogenannten Steak-Tastings wurde der zweifache Vater dann überregional bekannt. Die Bezeichnung „Hall of Beef“ für sein Besucherzentrum lehnt übrigens an den englischen Begriff „Hall of Fame“ für „Ruhmeshalle“ an. Soll heißen: Im Mittelpunkt stehe das Fleisch, sagt der Vorortmetzger, „nicht ich“.

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