Rheinland-Pfalz Ludwigshafener Bombenbastler berichtet von barbarischen Anschlagsplänen

Zu einem weiteren Anschlagsversuch hat sich am Donnerstag der Junge bekannt, der sich Ende 2016 im Alter von zwölf Jahren auf dem Ludwigshafener Weihnachtsmarkt in die Luft sprengen wollte. Angeblich hatte er es Wochen vorher schon einmal in einem Bus versucht. Doch vielleicht will er mit solchen Geschichten auch nur seinen mutmaßlichen Anstifter entlasten.

«Ludwigshafen/Wien.» An Paradiesjungfrauen denkt der Zwölfjährige, als er am 26. November 2016 auf dem Ludwigshafener Weihnachtsmarkt kommt. Schließlich glaubt sich der Deutsch-Iraker auf dem Weg in himmlische Herrlichkeit: In seiner Tasche steckt eine Eigenbau-Bombe, die ihn zerfetzen soll. Und mit ihm andere Menschen. Er setzt sich neben die Currywurst-Bude, weil dort recht viele Leute sind. Dabei dreht sich in der Nähe ein Kinderkarussell, und Kinder hat er als Opfer nicht vorgesehen. Doch er zündet trotzdem. Und es passiert: nichts. Denn als Zündschnur-Ersatz hat er in seinen Gewürzglas-Sprengsatz Wunderkerzen verbaut. Und aus deren Brennschicht sind Brocken abgebrochen, sodass die Flamme erlischt, ehe es zu einer Explosion kommt. So jedenfalls beschreibt es der inzwischen 14-Jährige nun – mehr als ein Jahr später – in einem Wiener Prozess. Angeklagt ist dort ein mittlerweile 19-jähriger Sohn albanischer Eltern, der mit dem Ludwigshafener Jungen vor dessen Tat im Online-Dauerkontakt stand und ihn so zu dem Anschlagsversuch angestiftet haben soll.

Betreuung rund um die Uhr

Der Junge hingegen kann für seine Tat nicht bestraft werden, weil er noch so jung war. Stattdessen lassen ihn die deutschen Behörden seither rund um die Uhr betreuen. Und sie tun viel dafür, dass die Öffentlichkeit möglichst wenig über ihn erfährt. Auch in den Wiener Verhandlungssaal muss er nur virtuell: In Wirklichkeit sitzt er, flankiert von Sicherheitsbeamten, einem deutschen Staatsanwalt und einem Betreuer, in einem rheinland-pfälzischen Amtsgericht. Von dort aus wird seine Aussage live nach Österreich übertragen. Trotzdem hat sich das für ihn zuständige Jugendamt der Stadt Ludwigshafen vorab dafür eingesetzt, dass dort die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, während der Deutsch-Iraker vernommen wird. Und bei den Wiener Richtern ist auch ganz offiziell ein derartiger Antrag eingegangen. Doch der 14-Jährige sagt: Denn habe „irgendjemand“ gestellt. Ihm selbst sei es egal, ob Zuschauer dabei sind oder nicht. Und dann verrät er auch gleich, an welchem von den Behörden so eisern verschwiegenen Ort er nun lebt.

"Befehle nur vom IS akzeptiert"

Überhaupt, er gibt sich selbstbewusst. Und nimmt sich zum Beispiel das Recht heraus, seinen Unwillen zu zeigen, wenn die Richter seiner Meinung nach allzu begriffsstutzig nachfragen. Dem Wiener Verteidiger Wolfgang Blaschitz kann das nur recht sein. Schließlich will er belegen, dass sein Mandant Lorenz K. kaum Einfluss auf die Attentatspläne des fünf Jahre jüngeren Ludwigshafeners hatte. Und der versichert jetzt auch immer wieder: „Ich habe das von mir aus gemacht. Befehle hätte ich allenfalls vom IS persönlich akzeptiert.“ Schließlich hatte er zu der islamistischen Terrorbande auch tatsächlich eine direkte Verbindung: Noch vor Lorenz K. chattete er mit einem Vertreter der Gruppe, der irgendwo im syrisch-irakischen Kriegsgebiet saß. Und doch scheinen die später von den Behörden sichergestellten Nachrichten dafür zu sprechen, dass auch der Wiener Nachwuchs-Islamist die Ludwigshafener Anschlagspläne beeinflusste. Schließlich war er derjenige, der im Dauer-Austausch vor dem ersten Adventswochenende den Weihnachtsmarkt als Ziel benannte.

Apostelkirche im Hemshof als Ziel

Der Zwölfjährige hingegen hatte zunächst die protestantische Apostelkirche im Stadtteil Hemshof als Ziel erwählt und sich schon über die Gottesdienstzeiten dort informiert. Entgangen war ihm vermutlich, dass er dort am ersten Adventssonntag ab 10.30 Uhr tatsächlich viele Menschen getroffen hätte. Denn da wurde im gut gefüllten Gotteshaus mit viel Pfälzer Landeskirchenprominenz die Adventsspendenaktion „Brot für die Welt“ eröffnet. Doch der Junge will ohnehin verschlafen haben und nur deshalb später auf den Weihnachtsmarkt ausgewichen sein. Problem dabei: Den Ermittlungen zufolge muss er dort schon am Samstag seinen ersten Anschlagsversuch unternommen haben. Ehe am Montag ein zweiter folgte, diesmal ohne Online-Kontakt nach Wien. Wenn die Behörden mit dieser vor allem aus den ständigen Textnachrichten der Beteiligten herausgelesenen Abfolge richtig liegen, dann kommt der 14-Jährige mittlerweile in seinen Erinnerungen durcheinander. Oder aber er tut, was er entnervten Beamten zufolge auch bei früheren Aussagen immer wieder versuchte. In den Akten der Behörden steht: Der junge Deutsch-Iraker verdreht oft die Wahrheit.

Der Junge bekennt sich zu weiteren Anschlagsversuchen

Nun könnte er dabei zum Beispiel das Ziel haben, seinen früheren Bruder im islamistischen Geiste zu schützen. Denn klar erkennbar wird auch: Der 14-Jährige weiß recht gut, was seinem einstigen Chat-Partner in Wien zur Last gelegt wird. Und was ihn entlasten könnte. Zum Beispiel Geschichten über weitere Terror-Versuche in Ludwigshafen, mit denen Lorenz K. nichts zu tun hatte. So behauptet der Deutsch-Iraker auf einmal: Schon Anfang November 2016 habe er einen ersten Attentatsversuch unternommen. Damals will er in einen Bus gestiegen sein, um dort eine Bombe hochgehen zu lassen. Doch der Sprengsatz habe nicht gezündet – so wie die Explosion später auch auf dem Weihnachtsmarkt noch zweimal ausblieb. Nach den Fehlschlägen dort, sagt der Junge, fasste er endgültig einen neuen Anschlagsplan: Nun wollte er Benzin in die Eingänge eines Krankenhauses kippen und anzünden, damit niemand mehr hineinkommt – und er dann in Ruhe und mit einer Axt aus dem Baumarkt durchs Gebäude ziehen kann, um dort Menschen zu massakrieren.

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