Rheinland-Pfalz Ludwigshafen: Schule mit höchstem Migrantenanteil im Land

Kinder aus aller Welt besuchen die Ludwigshafener Erich-Kästner-Schule. Beim Stadtteilfest wird der Schulhof zur Festmeile.
Kinder aus aller Welt besuchen die Ludwigshafener Erich-Kästner-Schule. Beim Stadtteilfest wird der Schulhof zur Festmeile.

«LUDWIGSHAFEN/NEUSTADT.» Mehr Platz und noch mehr Zeit für individuelle Sprachförderung wünscht sich die Pfälzer Grundschule mit dem höchsten Anteil an ausländischen Kindern. Die Erich-Kästner-Schule in Ludwigshafen hat Lehrer, die sich über das normale Maß hinaus engagieren. Dennoch haben es Kinder aus eingewanderten Familien im Schulsystem schwerer als ihre deutschen Klassenkameraden.

Die Erich-Kästner-Schule ist die größte rheinland-pfälzische Grundschule und hat nach Angaben des Bildungsministeriums mit 90,6 Prozent auch den höchsten Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. In der Neustadter Ostschule liegt der Anteil bei 58 Prozent. Zum Vergleich: Weitere Pfälzer Grundschulen mit hohem Ausländeranteil sind die Landauer Horstringschule mit 54,2 und die Frankenthaler Friedrich-Ebert-Schule mit 53,3 Prozent. Laut Bildungsministerium haben in Rheinland-Pfalz 90 der 1629 allgemeinbildenden Schulen einen mehr als 50-prozentigen Anteil an Zuwanderer-Kindern. Hell und freundlich ist die Kästner-Grundschule. Die Türen zu den Unterrichtsräumen stehen weit offen. Von kreischenden Kindern, die ihren Lehrern auf der Nase herumtanzen, keine Spur. „Mit offenen Türen ist es ruhiger. Das schafft eine angenehme Lernatmosphäre, die den Kindern gut tut“, findet Schulleiterin Sabine 

Erich-Kästner-Schule frisch saniert, aber zu klein

Die Schule ist frisch saniert, aber schon wieder zu klein. Der Raumbedarf wächst. Vor allem für den Sprachförderunterricht wäre mehr Platz erforderlich. 551 Kinder besuchen die Kästner-Schule. Sie kommen aus mindestens 45 Nationen. Nach sieben Jahren als Schulleiterin hat Wulf aufgehört, mitzuzählen. Afghanistan, Afrika, Asien, Irak, Iran, Italien, Osteuropa, Syrien und die Türkei, viele Länder und Kontinente sind vertreten: „Jedes Kind bringt seine Geschichte und die Traditionen seines Landes mit.“ Es belebe den Unterricht, die Dinge in verschiedenen Sprachen zu benennen, Feste und Bräuche zu vergleichen. Wulf findet es wichtig, dass die Kinder mit ausländischen Wurzeln ihre Identität in das Schulleben einfließen lassen. Jedes Jahr nimmt die sechszügige Grundschule zwischen 30 und 45 Kinder auf, die kein Deutsch sprechen. Darunter sind Erstklässer, aber auch Zehnjährige. Da ist es schwer, jedem Schüler gerecht zu werden. Von überhaupt keinen bis zu sehr guten Sprachkenntnissen ist in den Klassen alles vertreten. Das klingt kompliziert, doch die Lehrer sind in die Problematik hineingewachsen. Seit vielen Jahren leben in der Chemiestadt Migranten. Deren Kinder werden behutsam an die neue Sprache herangeführt. Zunächst besuchen alle Schüler, die kein Deutsch können, einen Eingliederungslehrgang außerhalb der Klasse. Er umfasst laut Wulf zehn Wochenstunden. Die restliche Zeit verbringen die Kinder im Klassenverband, wo sie das Gelernte in Fächern wie Sport, Kunst, Musik und Mathematik bereits anwenden sollten. Die zweite Lernstufe umfasst noch vier Wochenstunden Deutsch in einer festen Gruppe. In der dritten Stufe gibt es noch eine Förderstunde, die der Klassenlehrer übernimmt.

Wichtige Sprachkurse brauchen Raum

Drei Sprachkurse erfordern ein passendes Raumkonzept. Daran hapert es in Ludwigshafen. Hinzu kommt laut Wulf, dass die Schule unter einer starken Lehrer-Fluktuation leidet. Der Markt sei leer gefegt: „Grundschullehrer haben einen anspruchsvollen Beruf, werden aber nicht angemessen bezahlt“, sagt die Schulleiterin. Mit der Sprachförderung ist Wulf ganz zufrieden, doch die Anfängergruppen sind ihrer Ansicht nach oft zu groß. Die Schulleiterin findet, dass nicht mehr als zwölf Kinder in einer Gruppe sitzen sollten: „Sonst kommen sie nicht oft genug zu Wort.“ Sie lobt ihre Kollegen, die mit viel Fantasie einfache Unterrichtsmaterialien zusammenstellen, um den ausländischen Schülern das Lernen zu erleichtern. Wichtig seien auch die mehrsprachigen Hausaufgabenbetreuer. Die Kinder selbst seien offen und hilfsbereit, sagt die 47-Jährige. „Sie wissen, wie schrecklich sich neue Schüler am ersten Tag fühlen.“ Laut Wulf verfügt die Schule über ein Netz an Übersetzern, so dass auch die Verständigung mit den Eltern halbwegs klappt. Die ganze Organisation sei aber sehr zeitaufwendig. Das fange schon bei der Schulbuchausleihe an. Bei manchen Zuwandererkindern klappe das, andere seien nach Wochen noch ohne Bücher und Hefte. „Inwieweit die Schule da unterstützt, ist eine Gratwanderung.“ Man dürfe es nicht übertreiben, um deutsche Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen nicht zu benachteiligen.

Eltern mit Bürokratie-Problemen helfen

In der Kästner-Schule hat man die Erfahrung gemacht, dass viele Migranten mit der Bürokratie überfordert sind. Unter ihnen sind Analphabeten, die mit Elternbriefen nichts anfangen können. Daher müssen viele Dinge persönlich geklärt werden.

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