Rheinland-Pfalz Landesweites Sozialticket gefordert

Eine Monatskarte in Kaiserslautern kostet derzeit rund 60 Euro.
Eine Monatskarte in Kaiserslautern kostet derzeit rund 60 Euro.

«MAINZ.» Bis zum Ende der Legislaturperiode soll die Landesregierung ein landesweites Sozialticket für Hartz-IV-Empfänger, Geringverdiener und Senioren mit kleinem Einkommen einführen. Das forderte gestern in Mainz das Bündnis „Mobilität für alle“, ein Zusammenschluss aus 14 Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden. Die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen kündigten an, sich damit zu befassen.

Seit einem Schlaganfall vor fünf Jahren kann Hans Sander aus Kaiserslautern längere Strecken zu Fuß nur mühsam bewältigen. Um zum Arzt, zum Jobcenter oder zum Supermarkt zu kommen, fährt der seit zehn Jahren Erwerbslose mit dem Stadtbus. „Dank des Schwerbehindertenausweises konnte ich den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bisher kostenlos nutzen.“ Da es dem 62-Jährigen wieder etwas besser geht, wurde sein Grad der Behinderung geändert, und er muss für den ÖPNV künftig zahlen. Für eine Monatskarte in Kaiserslautern werden dann rund 60 Euro fällig – Geld, dass Sander nicht hat. Wer Hartz-IV erhält, bekommt für den ÖPNV weniger als 30 Euro im Monat. „Kaufe ich mir dann eine Monatskarte, wird es für mich schwer über die Runden zu kommen.“ Für Menschen mit geringem Einkommen will sich das Bündnis „Mobilität für alle“ einsetzen, dem unter anderem der Kinderschutzbund, der Naturschutzverband BUND Rheinland-Pfalz, die Liga der freien Wohlfahrtspflege und der Sozialverband VdK angehören. Der Zusammenschluss forderte die Landesregierung auf, bis 2020 ein landesweites Sozialticket einzuführen, das in den Verbünden VRM (um Koblenz), VRT (um Trier), RNN (Bereiche Nahe und Mainz, VRN (Pfalz, Mannheim) und KVV (Karlsruhe) gültig sein soll. Die Forderung gilt sowohl für Busse als auch Züge. In Mainz stellte das Bündnis ein Fünf-Punkte-Papier für ein Sozialticket vor, in dem kritisiert wird, dass Armut durch die hohen Kosten für Mobilität im ÖPNV verschärft wird. „Menschen mit geringem Einkommen müssen wählen: essen oder Bus fahren?“, sagte DGB-Landeschef Dietmar Muscheid. Die Konsequenz sei soziale Isolation. Muscheid rief das Land dazu auf, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, wonach jeder Mensch ein Recht auf Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben habe: „Dazu gehört auch der Besuch bei Freunden, der Familie oder die Fahrt zur Post. All das hat mit Mobilität zu tun.“ Wichtig ist, dass das Sozialticket bezahlbar sei. Das heißt: Das Ticket als Monatskarte sollte nicht mehr kosten, als ein Hartz-IV-Empfänger für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln pro Monat erhält. Das sind laut Muscheid 27,85 Euro. Zum Vergleich: In Mainz kostet die „Sondermonatskarte S“ derzeit 61,10 Euro. Ein weiteres Angebot gibt es in Ludwigshafen: Dort können einmal pro Monat vergünstigt fünf Fahrscheine gekauft werden (7,50 Euro für Erwachsene, 4,30 Euro für Jugendliche). Die Stadt stellt dafür jährlich 96.000 Euro bereit. Ist das Budget aufgebraucht, wird der Verkauf eingestellt. Das Bündnis fordert ein landesweites Sozialticket, wie es beispielsweise seit mehreren Jahren in Nordrhein-Westfalen angeboten wird – dort investiert das Land jährlich rund 40 Millionen Euro, eine Monatskarte kostet dort rund 35 Euro. Das rheinland-pfälzische Bündnis will noch vor der Sommerpause mit seinen Forderungen an die Landesregierung herantreten. Die Landtagsfraktionen von SPD und Grüne haben auf die Initiative bereits reagiert. „Unser Ziel muss es sein, ein solches Angebot in Rheinland-Pfalz einzuführen“, so Daniel Köbler, sozialpolitischer Sprecher der Grünen. Auch die SPD befasse sich intensiv mit der Forderung nach einem Sozialticket und will eine Fraktionsanhörung zu dem Thema durchführen, sagte ein Fraktionssprecher. Es müsse erörtert werden, wie arme Menschen den ÖPNV günstiger nutzen können. Indes: Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien SPD, FDP und Grüne für die Periode 2016 bis 2021 ist der Begriff Sozialticket nicht zu finden.

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