Rheinland-Pfalz Innenministerium: Geheimsache Stromstoß-Pistole

Wenn Streifenpolizisten mit den Stromstoß-Pistolen des Waffenherstellers Taser trainieren, dürfen keine externen Beobachter dabe
Wenn Streifenpolizisten mit den Stromstoß-Pistolen des Waffenherstellers Taser trainieren, dürfen keine externen Beobachter dabei sein.

Wie verschwiegen das Innenministerium mit den amtlichen Dokumenten zur neuen Elektroschock-Waffe der Polizei umgeht

Im Mainzer Innenministerium arbeiten Menschen, die – so wollen wir glauben – streng nach Vorschrift wägen, wie zu handeln ist. Zum Beispiel, wenn sie Dokumente als geheim einstufen. Das tun sie nur, wenn es gar nicht anders geht. Schließlich steht in einem Erlass, dass sie jedes Mal kritisch zu prüfen haben, ob das wirklich nötig ist. Und dass sie konkret darlegen müssen, „welche Gefährdungen, Schäden oder Nachteile“ der Bundesrepublik oder einem ihrer Länder drohen, falls die Öffentlichkeit erführe, was sie vor ihr verbergen wollen.

Geheimes Training aus "taktischen Gründen"

Unheil könnte demnach beispielsweise hereinbrechen, wenn allseits bekannt würde, was amtlicherseits zu den Stromstoß-Pistolen der Polizei niedergeschrieben ist. Damit sie mit diesen neuen Waffen korrekt umgehen, hat das Ministerium seinen Streifenbeamten eine Dienstanweisung, eine Einsatzkonzeption sowie eine Verfahrensregelung überreicht. Und die Dokumente zugleich als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Was bedeutet: Sie dürfen an keinen Außenstehenden weitergegeben werden, und zwar bis zum Jahr 2048. Mindestens. Doch abgeschirmt wird nicht nur, was in den Unterlagen zu den Stromstoß-Pistolen steht. Journalisten dürfen auch nicht dabei sein, wenn Einsatzkräfte mit den Geräten trainieren: „aufgrund taktischen Gründen“, wie die Hochschule der Polizei mitteilt. Womit diese Zwei-Tages-Schulung viel geheimer ist als etwa das Programm, das Streifenbeamte für Einsätze gegen Terroristen und Amokläufer absolvieren. Denn was da passiert, hat sich Innenminister Roger Lewentz (SPD) schon stolz präsentieren lassen, während Fernsehkameras alles filmten. Dabei wirken die Lagen, in denen die neuen Stromstoß-Waffen gezückt werden dürfen, vergleichsweise harmlos. Mit den Apparaten des US-Herstellers Tasers können die Polizisten Elektroschock-Pfeile abfeuern, die einen Gegner für einen kurzen Moment lähmen und wehrlos, aber ohne weitere Schäden stürzen lassen sollen. Zum Beispiel, wenn ein rasender Wüterich zwar niemanden ans Leben zu wollen scheint, er aber trotzdem immer weiter randaliert und nur in einer für alle Seiten verletzungsanfälligen Prügelei gebändigt werden könnte.

Probe bei Streifendienst in Trier

In den kommenden beiden Jahren sollen sämtliche rheinland-pfälzische Polizeidienststellen die Apparate bekommen, zunächst werden die Inspektionen in den großen Städten versorgt: In Ludwigshafen sind die ersten bereits angeliefert worden, auch Kaiserslautern ist schon an die Reihe gekommen. Zuvor hatten Trierer Beamte die Geräte ein Jahr lang im Streifendienst erprobt – und für gut befunden. Denn zumeist reicht schon das bloße Zeigen der bedrohlich knatternden Stromstoß-Pistole, um ausrastende Angreifer zur Räson zur bringen. Diese Überzeugungskraft der neuen Waffe bringt der Abschlussbericht zum Trierer Testbetrieb mit den vielen Medienberichten in Verbindung, die ihre Wirksamkeit beschrieben und sie so indirekt verstärkt haben dürften. Umso schwerer müssen demnach die Bedenken wiegen, die das Innenministerium zu so viel Geheimhaltung nötigen. Zumal die Abschottung auch Misstrauen fördern könnte: Immerhin geht es um Vorschriften zum Umgang mit einem Gerät, das Menschenrechtler unter anderem als potenzielles Folterinstrument kritisieren.

Nur für Dienstgebrauch

Das Innenministerium hingegen kontert: Dienstanweisung, Einsatzkonzeption und Verfahrensregelung sind zwar geheim, ihre Kernaussagen allerdings wurden trotzdem längst verbreitet. Doch wenn das Wesentliche aus diesen Unterlagen bereits allseits bekannt ist, dann muss ausgerechnet das Unwesentliche an ihnen „Gefährdungen, Schäden oder Nachteile“ für die Bundesrepublik oder eines ihrer Länder heraufbeschwören. Und zwar so unheilschwanger, dass das Ministerium sogar verschweigt, was konkret da drohen soll. Auf die Frage danach kommt aus Mainz jedenfalls nur die ausweichende, aber dafür um so tiefsinnigere Antwort: Die Dokumente sind als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft, weil Teile ihre Inhalte „nur für den Dienstgebrauch vorgesehen sind“.

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