Rheinland-Pfalz Grüne Kandidaten im Basis-Test

91-67595729.jpg

MAINZ.

Am Abend vor Fronleichnam wird die Parteizentrale der Grünen in Mainz zur Bühne für eine Casting-Show der besonderen Art: Die Frauen und Männer, die 2016 Abgeordnete im Landtag werden wollen, stellen sich der Parteibasis. Interessierte können per Livestream im Internet zuschauen. Entschieden wird über die Landesliste erst auf dem Parteitag am 20. Juni.

 Die Koalitionskollegen von der SPD gehen dieser Tage rücksichtsvoll mit den 18 Abgeordneten des Juniorpartners um. In ihren Augen durchleiden die Grünen gerade die unerbittlichen Folgen von Transparenz und Basisdemokratie – und so sehen das manche in der Ökopartei auch. Vor fünf Jahren benötigte Bernhard Braun aus Ludwigshafen, einer der profiliertesten Politiker der Partei und Fachmann für Energiefragen, drei Wahlgänge, um sich gegen elf Mitbewerber auf Platz acht der Landesliste durchzusetzen. „Vor fünf Jahren ging es um nichts. Jetzt ist es viel schlimmer“, sagen nicht wenige in der Partei. Damals waren die Grünen in der außerparlamentarischen Opposition. Der Wiedereinzug in den Landtag schien wahrscheinlich, mehr nicht. Jetzt liegen vier Jahre Regierungsverantwortung hinter den Grünen. Sie führen drei Ministerien und haben Spitzenposten einiger Landesbehörden besetzt. Es gibt etwas zu verteilen, nicht mehr nur ehrenamtliche Arbeit wie in der Apo-Zeit. Braun kandidiert diesmal für den vierten Listenplatz, den zweiten Männerplatz. Das machen auch Fred Konrad, Kinderarzt und Sozialpolitiker aus Zweibrücken, und der Landschaftsplaner und Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Andreas Hartenfels aus dem Kreis Kusel. Er war vor fünf Jahren auf Platz vier gelandet. Offen ist, ob auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Nils Wiechmann aus Koblenz, diesen Listenplatz anstrebt. Sicher wird es einen Bewerber aus der innerparteilichen Oppositionsgruppe „Mehr Mut zu Grün“ geben. Der Südwestpfälzer Bernd Schumacher lässt noch offen, wo er kandidieren will, aber die Gruppe um ihn und Ex-Landtagsabgeordnete tritt auf mehreren Plätzen an. Bewerber können sich noch auf dem Parteitag melden, auch solche, die das Schaulaufen nächste Woche nicht mitmachen. Wer aus dem Rennen um Platz vier rausfliegt, hat als Mann nur noch vier chancenreiche Plätze vor sich: sechs, acht, zehn und zwölf. Alle weiteren gelten aus heutiger Sicht als unsicher. Mehr als 20 Bewerber gehen leer aus. Wozu dieser Wettbewerb führt, das zeigte jüngst die Auseinandersetzung um die Spitzenkandidatur bei den Männern: Wie berichtet, hatte Andreas Hartenfels Ende April bei einer Regionalversammlung in der Westpfalz die Rückendeckung erhalten, auf Listenplatz zwei und damit gegen Fraktionschef Daniel Köbler zu kandidieren, über den es bis dahin aus der Partei hieß, er sei ebenso wie Wirtschaftsministerin Eveline Lemke als Spitzenkandidat gesetzt. In Mainz hatten Hartenfels’ Ambitionen ein mittleres Erdbeben ausgelöst. In einer anschließenden Fraktionssitzung schlug ihm heftiger Gegenwind ins Gesicht. Er trat den Rückzug an. Das wiederum löste weitere Wellen aus: Hartenfels’ Kreisverband bedauerte dessen Verzicht auf die Spitzenkandidatur. Der Vorsitzende des Kreisverbands Kaiserslautern-Land, Andreas Markus, schrieb an den Landesvorstand: „Einer Tabuisierung einer Diskussion auch über die Spitzenplätze lässt uns in ein miefiges Fahrwasser geraten, das man eher den Altparteien zugeschrieben hat.“ Er verwies auf den Bundesvorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, der über seinen Mitbewerber um die Spitzenkandidatur, Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck, sagte, er tue der Partei in jeder Position gut. Die Landesvorsitzenden Katharina Binz und Thomas Petry dagegen haben die Losung ausgegeben, die Personaldebatten nicht mehr öffentlich zu führen. Sie selbst, von denen sich manche in der Partei eine moderierende Rolle vor der Kandidatenaufstellung erhofft hatten, zogen es vor, im Fall Hartenfels ganz abzutauchen. Beide wollen auch ins Parlament, Petry kandidiert auf Platz zehn, Binz auf neun. Um diesen Platz bewirbt sich möglicherweise auch die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Ruth Ratter aus Deidesheim. Ansonsten haben sich die Frauen aus der Fraktion etwas mehr auf den vorderen Plätze verteilt als die Männer. Die flüchtlingspolitische Sprecherin Anne Spiegel aus Speyer bewirbt sich um den dritten Listenplatz, die verkehrspolitische Sprecherin Jutta Blatzheim-Roegler aus Bernkastel-Kues strebt Platz fünf an, die Netzpolitikerin Pia Schellhammer aus Rheinhessen den siebten Platz. Die zahlreichen Mitbewerberinnen um aussichtsreiche Plätze lassen es bisher offen, wo sie in das Rennen einsteigen. Umweltministerin Ulrike Höfken will ebenso wie Integrationsministerin Irene Alt nur auf einem hinteren Platz kandidieren. Beide wollen Ministerinnen bleiben, Lemke auch. Holen die Grünen nur zehn, elf Prozent der Wählerstimmen, reicht es in einer möglichen Koalition nur noch für zwei Ministerien. Spitzfindige Beobachter glauben, der Kampf darum habe schon begonnen. Als Indiz werten sie, dass beim Foto von der Nationalparkeröffnung auf der Internet-Seite von Höfkens Ministerium Eveline Lemke abgeschnitten ist. Rücksichtsvoll war das sicher nicht, als Indiz taugt es aber nur bedingt.

x