Rheinland-Pfalz Frankenthal: Richter überlastet, Prozesse stocken

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Müssen gerade mehrere Mammut-Verfahren stemmen: die Richter im Frankenthaler Prozess um den gewaltsamen Tod des Ludwigshafener Unternehmers Ismail Torun und eines weiteren Geschäftsmanns.

Im Torun-Prozess wollen die Verteidiger ihre Mandanten wenigstens einstweilen aus dem Gefängnis holen, weil das Gericht zu langsam vorankommt.

Es war scheinbar nur eine Formalie, die den Opfer-Anwalt Jens Graf an einem Verhandlungstag vor wenigen Wochen so vehement protestieren ließ. Im Frankenthaler Prozess um den gewaltsamen Tod des Ludwigshafener Unternehmers Ismail Torun und eines weiteren Geschäftsmanns wollte der Vorsitzende Richter gerade die Öffentlichkeit für eine Weile aus dem Gerichtssaal verbannen. Denn einer der drei Angeklagten behauptet: Ein Mittäter habe ihn vergewaltigt und dabei gefilmt. Mit dem für ihn entehrenden Video sei er anschließend dazu gezwungen worden, bei den Verbrechen mitzumachen.

Der Angeklagte äußerte sich nun schriftlich

Dass er zum Schutz seiner Intimsphäre den angeblichen sexuellen Übergriff hinter verschlossenen Türen beschreiben dürfe, hatte die Kammer dem Angeklagten längst zugebilligt. Mittlerweile allerdings wollte der Mann nicht mehr selbst darüber sprechen. Stattdessen hatte er einen schriftlichen Bericht abgegeben, der jetzt vorgelesen werden sollte. Doch als Vertreter der Familie Torun bemängelte Graf: Wenn das ohne Zuschauer geschehen soll, muss das Gericht erst einen neuen, an die veränderte Situation angepassten Ausschluss-Beschluss fassen.

Lange Pausen zwischen Verhandlungstagen

Überhaupt, immer wieder zweifeln Anwälte in diesem Verfahren an den Richtern. Zum Beispiel, weil die angebliche Vergewaltigung ausgerechnet an einem Prozesstag abgehandelt wird, an dem der sonst immer anwesende psychiatrische Gutachter fehlt. Und weil zwischen den Verhandlungsterminen relativ lange Pausen liegen. Also könnte sich der ohnehin schon umfangreiche Prozess noch monatelang dahinschleppen. Die Verteidiger der drei Angeklagten haben daher inzwischen vor dem Pfälzischen Oberlandesgericht in Zweibrücken protestiert. 

Angeklagte schon lange im Gefängnis

Schließlich sitzen ihre Mandanten schon lange im Gefängnis, ohne dass ein Urteil über ihre Schuld gefällt wird. Und das deutsche Recht schreibt vor: Die Fälle inhaftierter Verdächtiger müssen vorrangig abgearbeitet werden. Wo das nicht gelingt, können mutmaßliche Verbrecher einstweilen auch wieder freikommen. So entließ das Bundesverfassungsgericht kurz vor Weihnachten einen mutmaßlichen Drogenhändler aus dem Gefängnis, weil das Landgericht in Landau zu viel Zeit gebraucht hatte, um mit dem Prozess gegen diesen Mann zu beginnen.

Verdächtiger in Landau freigekommen

Dabei hatten die Südpfälzer Juristen nicht einfach gebummelt, sondern sich schon im Januar 2017 für hoffnungslos überlastet erklärt. Das Mainzer Justizministerium hatte auch bald ein Einsehen, bewilligte ihnen im Mai zwei zusätzliche Kollegen. Doch mehr Personal hilft nur zeitverzögert: Weil Richter Verfahren nach vorab festgelegten Regeln übernehmen müssen, können sie die schon bei ihnen aufgelaufenen Fälle nicht einfach an neue Kollegen weiterreichen. Was bedeutet: Auch in Frankenthal wird es dauern, bis sich die Situation entspannt.

Anhäufung von Mammut-Prozessen

Dort sollen jetzt ebenfalls neue Stellen besetzt werden, sodass eine weitere Strafkammer entsteht. Denn auch hier haben Juristen schon dreimal erklärt, dass sie ihre Arbeit nicht mehr schaffen: im Januar, September und Dezember 2017. Nach und nach hatten sich zusammengeballt: der Prozess um den Tod der Unternehmer. Der Prozess gegen Seniorenbetreuer aus einem Lambrechter Pflegeheim, die dort zwei Bewohnerinnen ermordet haben sollen. Und der Prozess gegen einen Vater aus Frankenthal, der sein Baby vom Balkon in den Tod stürzen ließ.

Terminsuche im Babymord-Verfahren

Dieses Verfahren war bereits im November 2016 eröffnet worden. Doch es zog sich immer weiter in die Länge – bis eine Richterin erkrankte und so lange ausfiel, dass der Prozess in neuer Besetzung von vorne beginnen musste. Für den zweiten Anlauf reservierten die Richter dann gleich deutlich mehr Termine. Doch trotzdem ließen sie die Beteiligten inzwischen wieder in ihren Kalendern blättern, um weitere freie Tage zu finden. Obendrein fällt es nach diversen Planänderungen mittlerweile oft schwer, ein System in der Reihenfolge zu erkennen, in der die Zeugen einbestellt werden.

Richter informieren Gutachter über „Tränenfluss“

Ähnlich gilt das auch für den Frankenthaler Doppelmord-Prozess. Dort haben die Richter mittlerweile bekräftigt: Dass über die angebliche Vergewaltigung des einen Angeklagten ohne den psychiatrischen Gutachter gesprochen wurde, sei in Ordnung gewesen. Schließlich berichteten sie dem Facharzt hinterher, wann an jenem Verhandlungstag bei dem mutmaßlichen Mörder der „Tränenfluss“ eingesetzt hatte. Aber zumindest setzte sich der Torun-Anwalt Graf durch, als er so vehement einen neuen Beschluss zum Ausschluss der Öffentlichkeit einforderte.

Urteil wäre kassiert worden

Denn wenn die Zuschauer tatsächlich ohne diese Formalie vor die Tür geschickt worden wären, wäre ein Revisionsgrund entstanden. Das heißt: Der Prozess hätte zwar bis zu Ende weitergeführt werden müssen. Doch trotzdem wäre schon klar gewesen, dass der Bundesgerichtshof das Urteil wegen eines Fehlers des Gerichts später kassieren würde.

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