Rheinland-Pfalz Flutkatastrophe: Ahr verseucht - Angst vor Krankheiten
Nach einer Schweigeminute für die Opfer gaben Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sowie vier ihrer Minister und Ministerinnen am Donnerstag einen Überblick über das Ausmaß der Hochwasserkatastrophe von vor einer Woche in der Eifel. Man stellt sich auf einen Jahre dauernden Wiederaufbau in Milliardenhöhe ein.
Kaum noch Hoffnung
Bis Donnerstag wurden demnach 128 Menschen tot geborgen, 766 Personen sind verletzt. Von den Toten wurden bislang erst 62 identifiziert. Die Suche nach den Vermissten geht weiter. Die Chance, eine Woche nach der Naturkatastrophe noch jemanden lebend zu finden, sei jedoch sehr gering. Innenminister Roger Lewentz (SPD) geht davon aus, dass womöglich nicht jedes Schicksal geklärt werden kann. Insgesamt seien noch nicht alle Gebiete begehbar, auch die Kommunikation ist noch schwierig.
Massive Schäden
Die Schäden sind nach Auskunft der Regierung noch nicht zu beziffert. Bei den bislang begutachteten Bauwerken seien die Schäden auf mindestens 200 Millionen Euro geschätzt worden. Im Landkreis Ahrweiler seien 62 Brücken zerstört und 13 beschädigt. Auch 19 Kitas sowie 14 von 60 Schulen seien stark beschädigt oder zerstört. Manche Weinberge in Ahrnähe seien komplett zerstört, teilweise auch durch Hangrutsch. Die Bahn nennt Schäden in Höhe von zwei Milliarden Euro. Auch Experten der TU Kaiserslautern wollen laut Uni helfen bei der Schadensbewertung, der Katastrophenanalyse und bei Fragen des Wiederaufbaus.
Spenden und Soforthilfe
Rund 8,6 Millionen Euro sind aus privaten Spenden auf dem vom Land eingerichteten Konto „Katastrophenhilfe Hochwasser“ eingegangen. Das Geld soll laut Regierung über die Landkreise ausgezahlt werden. Über die Kreise werden nach Aussage des Finanzministeriums auch die 100 Millionen Euro an Soforthilfe des Landes verteilt. Diese erste Summe ist gedacht für Unternehmen, die kommunale Infrastruktur und für Privatpersonen. Letztere können aus dem Topf bis zu 3500 Euro pro Haushalt bekommen – „ohne große Prüfung“. Spenden würden darauf nicht angerechnet. Ende Juli oder Anfang August werde es Gespräche mit Bund und Ländern über den Wiederaufbau geben. 20 Millionen Euro sollen in die Reparatur der Infrastruktur für Trink- und Abwasser fließen.
Hilfe über Steuererleichterung
Gemäß des Katastrophenerlasses sind auch Steuererleichterungen beschlossen worden, so das Finanzministerium. Betroffene können demnach Steuern stunden, Firmen Ausgaben für Schäden an Gebäuden und Anlagen leichter abschreiben. An diesem Freitag werde sich der Ministerrat mit der Soforthilfe für Unternehmen, Selbstständige sowie Land- und Forstwirtschaftsbetriebe befassen.
Was mit dem Müll passiert
Für die Massen an Sperr- und Hausmüll gibt es nach Angaben von Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) Ausnahmeregelungen für die Deponie Eiterköpfe im Kreis Mayen-Koblenz. Dort könne auch ölbelasteter Boden abgegeben werden. Unklar ist noch, wo Elektroschrott und Autowracks landen werden.
Diebe, keine Plünderungen
Im Chaos des Hochwassergebiets muss sich die Polizei auch mit Straftaten befassen – bisher seien es 31, sagte Lewentz, darunter 25 Eigentumsdelikte. Konkrete Hinweise zu Plünderungen gebe es jedoch nicht. Noch während die vierstündige Sondersitzung am Landtag lief, berichtete die Polizei Wittlich von gestohlenen, beschädigten Elektrogeräte aus einer Lagerhalle eines Küchenstudios. Auch Baumaterial, Werkzeug und Küchengeräte kamen durch Langfinger weg. Hab und Gut, das Betroffene vom überschwemmten Keller nach draußen geräumt hatten.
Die Furcht vor Krankheiten
Der Sinziger Bürgermeisters Andreas Geron (parteilos) sagte abseits der Sitzung am Landtag: „Die Ahr ist mittlerweile verseucht.“ Er befürchtet, dass das zu Krankheiten wie Magen-Darm-Problemen führt. Das Klärwerk für rund 130.000 Einwohner laufe nicht mehr und das verseuchte Wasser fließe in den Rhein. Kanäle seien verstopft, verschmutzt und teilweise gebrochen. Behörden ließen RHEINPFALZ-Anfragen zur Gesundheits- und Hygienesituation vor Ort unbeantwortet. Innenminister Lewentz geht nicht davon aus, dass Gebiete evakuiert werden müssen. Die medizinische Versorgung finde auch mobil statt. Vor Ort hofft man, dass die vorausgesagten Gewitter am Wochenende nicht wieder Flüsse über die Ufer treten lassen und alle Dörfer erreichbar bleiben. mit lrs Kommentar InfoVereinzelt wurden eigenständig angerückte Freiwillige im Katastrophengebiet abgewiesen. Um die Hilfe besser koordinieren zu können, empfiehlt die rheinland-pfälzische Landesregierung, sich online zu registrieren unter fluthilfe.rlp.de
Die komplette Berichterstattung rund um das Hochwasser lesen Sie auf der RHEINPFALZ-Sonderseite.