Rheinland-Pfalz Ergänzung statt Konkurrenz

KAISERSLAUTERN (jüm). Das Handwerk befürchtet, in Zukunft nicht mehr genügend geeignete Nachwuchskräfte gewinnen zu können. Wie sollte die Meisterschule für Handwerker in Kaiserslautern auf dieses Problem reagieren? DIE RHEINPFALZ hat dazu sechs der neun Spitzenkandidaten zur Bezirkstagswahl am 25. Mai befragt.

Die vom Bezirksverband Pfalz getragene Meisterschule hat deutlich mehr zu bieten, als ihr Name vermuten lässt: An ihrer Berufsfachschule kann in neun Berufen eine komplette Erstausbildung in Theorie und Praxis absolviert werden. Außerdem führt die Fachschule für Technik nach zwei Jahren zum Techniker-Abschluss. Und natürlich bereitet die Schule in ausgewählten Berufen auf die Meisterprüfung vor. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die Zahl der jungen Leute, die händeringend nach einem Ausbildungsplatz suchten, das Angebot bei weitem überstieg. Zeitweise konnte die Meisterschule durch eine Ausweitung ihrer Ausbildungs-Kapazitäten im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegensteuern. Gerade auch solchen Bewerbern, die für einen Start in die Berufsausbildung nicht die allerbesten Voraussetzungen mitbrachten, konnte so geholfen werden. Inzwischen klagen Betriebe zunehmend, nicht mehr alle Ausbildungsplätze besetzen zu können. Ist es in dieser Situation noch geboten, auch eine berufliche Erstausbildung an der Meisterschule vorzuhalten? Um es vorweg zu sagen: Keiner der sechs Kandidaten hält dieses Angebot für entbehrlich. Dass die Meisterschule den Handwerksbetrieben gar die raren Azubis wegschnappen könnte, diese Gefahr sieht CDU-Spitzenkandidat Theo Wieder keineswegs: „Jeder junge Mensch, der einen Ausbildungsplatz im Dualen System erreichen kann, wird diesen Weg nicht zuletzt mit Blick auf die tarifliche Ausbildungsvergütung gehen.“ Denn die gebe es bei einer Erstausbildung in der Meisterschule nicht. Zwischen dieser Bezirksverbands-Einrichtung und der dualen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule bestehe daher keine Konkurrenzsituation. Wie Theo Wieder weist auch FDP-Spitzenkandidat Günter Eymael darauf hin, dass die Meisterschule eine ergänzende Funktion übernimmt: Es würden auch leistungsschwächere Azubis gefördert, die dem Arbeitsmarkt später als vollwertige Fachkräfte zur Verfügung stünden. „Daher muss die Erstausbildung im bisherigen Rahmen erhalten bleiben“, fordert Eymael. Aus Sicht von Manfred Petry, Spitzenkandidat der Freien Wähler, „wäre es falsch, die Erstausbildung in Mangelberufen kurzfristig zu beenden“. Denn: „Die Westpfalz würde einer Zukunftsoption beraubt.“ Die Meisterschule muss laut Petry vielmehr ihre Ausbildungs-Möglichkeiten erweitern, indem sie auf innovative Veränderungen des Marktes schnell reagiere. Gerade in West- und Nordpfalz gebe es in bestimmten Berufen immer noch nicht genügend Ausbildungsplätze im dualen System, betont der SPD-Spitzenkandidat Günther Ramsauer. „Hier muss die Meisterschule ihre Schwerpunkte setzen.“ Dies geschehe auch. Deshalb müssten, so Ramsauer, sogar weitere in der Region gefragte Berufsbilder nach erfolgreichem Durchlaufen im Schulversuch in das Angebot aufgenommen werden. Auch Ruth Ratter, Spitzenkandidatin der Grünen, erinnert daran, dass die Meisterschule zudem eine Lücke schließe: „Sie bietet insbesondere jungen Menschen, die sich nach einer schwierigen schulischen Phase für einen Ausbildungsberuf entscheiden, ausgezeichnete Bedingungen. Diese jungen Leute würden in einem Ausbildungsbetrieb klassischer Art oft nicht reüssieren.“ Das Angebot der Meisterschule habe sich bewährt, bestätigt Brigitte Freihold, Spitzenkandidatin der Linken. „Strukturellen Änderungsbedarf bei der Erstausbildung sehe ich nicht.“ Namensgebend bei der Kaiserslauterer Bildungseinrichtung ist die Vorbereitung auf die Meisterprüfung. Doch in den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich die Zahl der bestandenen Meisterprüfungen bundesweit fast halbiert. Andererseits beobachten die Betriebe mit Sorge, dass immer mehr junge Leute lieber studieren. Was kann die Meisterschule tun, damit Handwerksberufe attraktiver erscheinen? „Der Bezirksverband wird auch in Zukunft sicherstellen, dass die Meisterschule mit angemessener Personal- und Sachausstattung in der Lage ist, junge Menschen bestmöglich auf ihren beruflichen Lebensweg vorzubereiten“, versichert Theo Wieder. „Die Meisterschule bietet keinen bildungspolitischen Einheitsbrei“, betont Günter Eymael. Die hohe Nachfrage in der Technikerausbildung fordere neue Angebote geradezu heraus, wenn die finanziellen Möglichkeiten geschaffen werden. Der Rückgang bei den Meisterprüfungen ist laut Manfred Petry eine Folge der Novellierung der Handwerksordnung, bei der die Zahl der zulassungspflichtigen Handwerksberufe verringert wurde. Günther Ramsauer weist darauf hin, dass sich die Meisterschule vor allem auf elf Berufe konzentriere, in denen der Meisterbrief zum Führen eines Betriebes gebraucht werde. Insbesondere diese Berufe seien eine gute Alternative zum Studium mit der Aussicht, einen eigenen Betrieb zu gründen oder zu übernehmen. Sicherlich drängen nach den Worten von Ruth Ratter mehr junge Leute auf die Hochschulen. Umgekehrt würden aber auch zunehmend mehr Hochschulabgänger mit und ohne Abschluss ins Handwerk zurückkehren. „Hier werden sich neue Aufgabenfelder erschließen.“ Handwerkskammer und Meisterschule müssen nach den Worten von Brigitte Freihold attraktive Angebote entwickeln, die Abiturenten für Handwerksberufe motivieren können. Insgesamt sei die Bewältigung des demografischen Wandels ein gesamtgesellschaftliches Problem, das durch Einzelmaßnahmen der Meisterschule nicht zu bewältigen sei, meint Freihold.

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