Rheinland-Pfalz Ehemaliger Truppenübungsplatz als Jobmotor?

Gebäude des Lagers Stegskopf auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Daaden.  Foto: dpa
Gebäude des Lagers Stegskopf auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Daaden.

Ein Streit um ein einstiges Militärgelände im Westerwald mit einer Tradition bis in die NS-Zeit könnte vor Gericht landen. Es geht um Jobs und Gewerbesteuer, auf der anderen Seite aber um Denkmal- und Naturschutz.

Denkmal- und Naturschützer sehen im früheren Bundeswehrlager Stegskopf in Rheinland-Pfalz an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen ein Kulturdenkmal mit überregionaler Bedeutung. Ein Investor und eine Kommune drängen dagegen auf den Bau eines Logistikzentrums mit 1300 Jobs auf dem einstigen Truppenübungsplatz mit einer angesiedelten Wölfin. Naturschützer drohen mit einer Klage.

Der Kalte Krieg ist vorbei. Deutschlandweit werden viele einstige Militärflächen zivil genutzt. Der frühere US-Militärflughafen Bitburg in der Eifel zum Beispiel hat sich laut der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zum größten zusammenhängenden Gewerbe-, Industrie- und Logistikpark in Rheinland-Pfalz entwickelt. Mit Blick auf Mainz spricht die BImA von 145 neuen Wohnungen nach dem Verkauf des dortigen ehemaligen Bundeswehr-Dienstleistungszentrums.

Denkmalschutz in Kaiserslautern

Einstige militärische Immobilien unter Denkmalschutz sind seltener. In Kaiserslautern ist laut BImA ein Bürogebäude (Baujahr 1952) des ehemaligen Kreiswehrersatzamts geschützt. Der Generaldirektor der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz, Thomas Metz, verweist auf den denkmalgeschützten ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen in Baden-Württemberg. Viel mehr einstige größere Militärflächen mit diesem Status fallen ihm nicht ein.

Laut der DBU Naturerbe GmbH reicht die militärische Nutzung des Stegskopfs sogar bis 1914 zurück. Weitere Phasen nach Angaben der GDKE: 1933 Polizei-Übungslager, 1938 Truppenübungsplatz, 1943 „Reichsausbildungslager“, 1945 Lager für „Displaced Persons“ (heimatlose Ausländer). 1950 kommen französische Streitkräfte, 1958 die Bundeswehr und 2015/2016 viele Asylbewerber. Dafür wird ein Teil der heruntergekommenen Baracken renoviert. „Das hat den Stegskopf erst mal für den Denkmalschutz gesichert“, sagt GDKE-Chef Metz.

Hoffnung auf Jobs und Gewerbesteuer

Neben dieser mit 654 Metern zweithöchsten Erhebung im Westerwald liegt das struktur- und finanzschwache 670-Einwohner-Dorf Emmerzhausen. Mehr Jobs, mehr Gewerbesteuer: Ortsbürgermeister Heinz Dücker (SPD) sieht in dem Logistikzentrum „eine Jahrhundertchance für unsere Entwicklung“. 97,5 Prozent des einstigen rund 2000 Hektar großen Truppenübungsplatzes stehen laut Dücker längst unter Naturschutz - nur um die übrigen 2,5 Prozent Fläche gehe es.

Die GDKE bewertet im April 2019 das alte Lager Stegskopf in einem Schreiben an die Kreisverwaltung Altenkirchen angesichts der „großzügigen, „städtebaulich“ wohl geordneten Verteilung“ der rund 60 Gebäude plus Freiflächen als „eine für Rheinland-Pfalz einzigartige Anlage“ mit einer „durchdachten räumlichen Konzeption“. Sie spricht von einem „hochrangigen Zeugnis für die Zeit des Nationalsozialismus wie auch die Nachkriegszeit“ mit Kaltem Krieg und Bundeswehr.

Bürgermeister Dücker warnt vor einer Betonung der NS-Zeit am Stegskopf. Die Erhaltung der hessischen Gedenkstätte Hadamar etwa, wo die Nazis Tausende Behinderte und psychisch Kranke getötet haben, habe als Mahnmal mehr Sinn: „Da ist baulich mehr zu sehen. Da ist übrigens auch meine Großtante vergast worden.“ Am Stegskopf dagegen seien alle Gebäude der dreißiger Jahre verschwunden. „Die ältesten Baracken könnten aus den vierziger Jahren sein, die meisten sind aber erst in den sechziger Jahren gebaut worden“, sagt Dücker.

Naturschützer: Hotspot für Artenvielfalt

Der Bundesvorsitzende des Vereins Naturschutzinitiative, Harry Neumann, freut sich über den Denkmalschutz für den Stegskopf. Er verweist auf Tiere wie Wildkatzen, Rotmilane und Schwarzstörche. „Das ist ein Hotspot der Artenvielfalt in ganz Deutschland.“ Das Lager sieht laut Neumann von oben wie „ein fantastisches kanadisches Dorf“ aus. Nun könne es problemlos in das umliegende Nationale Naturerbe Stegskopf eingegliedert werden. Einzelne Gebäude sollten als Info- und Naturerlebniszentrum für Bürger genutzt werden.

Kompromisse lehnt Neumann ab. Mit Blick auf das Wahrzeichen von Trier sagt er: „Es gibt auch keine halbe Porta Nigra.“ Der Investor und die Gemeinde Emmerzhausen müssten auf ein Logistikzentrum verzichten. „Wir würden sonst klagen“, droht der Vereinsvorsitzende. Dann hätten Investor und Kommune keine Rechtssicherheit mehr.

Landrat will Kompromiss

Der Kreis Altenkirchen stellt sich hinter die Gemeinde Emmerzhausen, sein scheidender Landrat Michael Lieber (CDU) schlägt sehr wohl einen Kompromiss vor. Demnach könnten ein oder mehrere Gebäude oder auch Teile der Lagerstraße erhalten bleiben – und die übrige Fläche für das Logistikzentrum genutzt werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat sich der Landrat hierbei mit der GDKE abgesprochen. Das Landesdenkmalschutzgesetz verhindert neue Nutzungen von Kulturdenkmälern nicht grundsätzlich - wenn die Änderungen von der zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörde genehmigt werden.

Welches genaues Alter und welche Bedeutung haben die einzelnen Baracken? Laut GDKE soll nun ein Militärhistoriker diese Fragen für den Eintrag in der Denkmalliste klären. De facto steht das Lager Stegskopf bereits unter Denkmalschutz.

Gebäude des Lagers Stegskopf auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Daaden.  Foto: dpa
Gebäude des Lagers Stegskopf auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Daaden.
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