Rheinland-Pfalz Droht ein Ausverkauf des Waldes?

«Mainz/Morbach.» In Rheinland-Pfalz wird derzeit die Holzvermarktung dezentralisiert. Anlass dafür war ein gegen Baden-Württemberg gerichtetes Kartellverfahren. Trotz der laufenden Umstellung könnte schon sehr bald Waldbesitzern eine Klage ins Haus stehen. Dahinter stehen Schadenersatzforderungen der Sägeindustrie, das Umweltministerium in Mainz ist besorgt und fürchtet gar einen Ausverkauf des Waldes an renditeorientierte Investoren.

Die Vorgeschichte ist kompliziert: Viele Jahre vermarktete Landesforsten Rheinland-Pfalz Holz aus staatlichen, aber auch aus kommunalen und privaten Wäldern – ein Verfahren, wie es andere Länder auch praktizierten. Das ähnlich zentral organisierte Modell in Baden-Württemberg war dem Bundeskartellamt ein Dorn im Auge. Amt und Land einigten sich, dass sich das Land nur noch an Vermarktungskooperationen beteiligt, wenn die Waldfläche der Teilnehmer 3000 Hektar nicht übersteigt. Später wollte das Kartellamt die Grenze auf 100 Hektar senken. Gegen eine entsprechende Verfügung legte Baden-Württemberg Beschwerde vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein und scheiterte. Das Land zog vor den Bundesgerichtshof, der gab Baden-Württemberg im Sommer 2018 recht, kassierte sowohl das OLG-Urteil als auch die Verfügung. Der BGH äußerte sich bei seiner Entscheidung pro Baden-Württemberg allerdings nicht zu kartellrechtlichen Fragen, wie das Mainzer Umweltministerium betont. Das zentrale Modell sei daher weiter mit Risiken behaftet gewesen. „Aus Gründen größtmöglicher Vorsorge“ beschlossen das Land Rheinland-Pfalz, der Gemeinde- und Städtebund sowie der Waldbesitzerverband, die Vermarktung zum 1. Januar 2019 zu ändern. Fortan wird Staatswald getrennt vom Holz anderer Besitzer vermarktet. Vor allem für kommunales Holz sind nun fünf Holzvermarktungsorganisationen zuständig – in Höhr-Grenzhausen im Westerwald, Hillesheim in der Eifel, Rheinböllen im Hunsrück, Maikammer in der Pfalz und Morbach (Kreis Bernkastel-Wittlich). Soweit so gut – oder eben doch nicht, wie Umweltstaatssekretär Thomas Griese (Grüne) sagt. Trotz allem droht eine Schadenersatzklage. Der Gedanke dahinter ist, dass Sägewerke wegen der zentralen, aus Sicht der Gegner geradezu monopolistischen Vermarktung zu viel für Holz gezahlt haben. Da es um Forderungen aus der Zeit vor 2009 geht und die Verjährungsfrist bei zehn Jahren liegt, könnte eine Klage sehr bald auftauchen. Griese zufolge kauft ein „amerikanisch-britischer Prozessfinanzierer“ angebliche Forderungen der Sägeindustrie für ausgesprochen schlechte Bedingungen auf. Wie viele Werke sich darauf eingelassen haben, sei nicht bekannt. Einige, die nicht einverstanden seien, hätten sich beim Land gemeldet. Ziel der Gegenseite sei es, einen Prozess auf Kosten von Land, 1900 Kommunen und Privatbesitzern von Wald zu führen. Für diesen Rechtsstreit und andere Klagen in weiteren Bundesländern seien extra Gesellschaften gegründet worden. Im Fall von Rheinland-Pfalz heißt sie „Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Rheinland-Pfalz GmbH“ mit Sitz im fränkischen Fürth. Für diese sowie entsprechende Gesellschaften für Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Hessen habe man das Prozessmandat, sagt Anwältin Nadine Herrmann aus dem Hamburger Büro der Kanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan. Sie schildert die Lage etwas anders. Die Sägewerke seien sich ihrer Ansprüche selbst bewusst und hätten sich, koordiniert über ihren Verband, bemüht, gemeinsam aufzutreten. Klagen in Gesellschaften zu bündeln sei ein durchaus übliches Vorgehen in Kartellangelegenheiten. Hinter dem Verband verbirgt sich der Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband DeSH, wie Clemens Lüken erklärt. Er ist Geschäftsführer des Verbandes der rheinland-pfälzischen Säge- und Holzindustrie, der anders als andere Regionalverbände nicht Teil des DeSH ist. Zu welchen Bedingungen Forderungen aufgekauft würden, könne er nicht sagen. Er persönlich sei kein Freund dieser Klagegemeinschaft, aber letztlich sei das eine Entscheidung jedes einzelnen Unternehmens. Das Umweltministerium rechnet mit Forderungen im zweistelligen Millionenbereich. „Aus unserer Sicht kann aber gar kein Schaden nachgewiesen werden“, sagt Staatssekretär Griese. „Die Holzpreise haben sich in den vergangenen Jahren nicht nach oben bewegt.“ Man halte eine mögliche Klage daher für unbegründet. Das sieht Herrmann erwartungsgemäß anders. Man gehe durchaus von einem Schaden aus, sagt die Juristin. „Sollte es tatsächlich zu einem Rechtsstreit kommen, müsse dann eben geschaut werden, zu welcher ökonomischen Bewertung ein möglicher gerichtlich bestellter Sachverständiger kommt.“ Auch Verbandsvertreter Lüken meint, im Zweifel müsse das Ganze höchstrichterlich geklärt werden. Ihm zufolge zählten die Preise für Rundholz in Rheinland-Pfalz in der Vergangenheit zu den höchsten bundesweit – trotz schlechterer Qualität als in Baden-Württemberg oder Bayern. Es gebe aber hierzulande auch mehr Nachfrage als Angebot. Was letztlich zu den Preisen geführt habe, wisse er nicht. Grünen-Politiker Griese fürchtet im Fall einer Klage verheerende Folgen: „Sie würde viele Ressourcen binden und könnte unabhängig vom Ausgang Kommunen entmutigen bei der Frage: Behalten wir den Wald oder nicht?“ Er befürchtet, dass die Klagegesellschaft oder andere damit verbundene Investoren sich den Wald unter den Nagel reißen. „Wald gilt langfristig als gute Kapitalanlage.“ Noch gebe es hierzulande einen „sehr demokratischen Wald“ in der Hand vieler – eben keinen Großgrundbesitzer-Wald. „So wird die Gemeinwohlfunktion des Waldes am besten bewahrt“, sagt Griese. Und das solle auch so bleiben. Einer der größten nichtstaatlichen Waldbesitzer im Land ist mit knapp 3000 Hektar die Gemeinde Morbach im Hunsrück. Bürgermeister Andreas Hackethal nennt die bisherige zentrale Vermarktung „ein funktionierendes System zum Wohl des Landes“. Nichtsdestotrotz sei gemäß der neuen Struktur auch in seiner Region eine Holzvermarktungsorganisation in Gründung – wohl im Laufe des Monats Januar werde dies abgeschlossen sein, Personal werde noch gesucht. „Wir haben uns auf den Weg macht“, sagt Hackethal. Gesellschafter seien Städte, Kreise, Verbandsgemeinden und Zweckverbände. Morbach verkauft pro Jahr rund 15.000 bis 20.000 Festmeter Rundholz. Damit sei 2017 ein Reingewinn von etwa 80.000 Euro erzielt worden. Der dafür zuständige Eigenbetrieb schaffe Jobs, er bilde auch junge Menschen aus. Die mögliche Klage gefährde Arbeitsplätze, sagt der Bürgermeister: „Es ist auch ein Frontalangriff auf die Steuerzahler.“

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