Rheinland-Pfalz „Die Berufsorientierung ist das A und O“

Till Mischler sagt, dass es um das Image des Handwerks leider nicht so gut bestellt sei, wie es das Handwerk verdiene.
Till Mischler sagt, dass es um das Image des Handwerks leider nicht so gut bestellt sei, wie es das Handwerk verdiene.

Ist eine Ausbildung im Handwerk heute nicht mehr attraktiv? Das Interesse der Jugendlichen an Handwerksberufen sinkt seit Jahren. Nachwuchsprobleme‐ und Fachkräftemangel in Handwerksbetrieben sind die Folge. In einer empirischen Studie hat Till Mischler untersucht, wie das Bild, das Jugendliche von Handwerksberufen haben, ihre Berufsorientierung und später auch ihre Berufswahl beeinflussen.

Sie haben als Kind bei Ihrem Opa in der Zimmererwerkstatt reingeschnuppert. Warum haben Sie selbst kein Handwerk erlernt?

Ja, ich habe tatsächlich schon früh mit Hammer, Nagel und Akkuschrauber hantiert, aber ein besonderes handwerkliches Talent war nicht zu erkennen. Ein Vorurteil lautet: Handwerker verdienen wenig, arbeiten viel und haben am Ende des Tages dreckige Hände. Wie ist es um das Image des Handwerks bestellt? Leider nicht so gut, wie es das Handwerk verdient hätte. Warum? Es gibt einen gesellschaftlichen Trend, demzufolge akademische Abschlüsse höher angesehen werden als handwerkliche Berufe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass viele nicht wissen, wie modernes Handwerk aussieht. Es ist schließlich eine sehr wachstumsstarke Branche mit guten Verdienstmöglichkeiten und Perspektiven – bis hin zur Selbstständigkeit. Handwerksberufe sind oft mit antiquierten Vorstellungen verbunden. Die hoch technologisierte Arbeitswelt wird gemeinhin weniger mit Handwerk in Verbindung gebracht. Woran liegt das? Das Handwerk wird oft auf wenige Berufe reduziert. Drei Viertel der Jugendlichen, die ich für meine Dissertation befragt habe, konnten spontan keine fünf Handwerksberufe nennen. Genannt wurden meist eher traditionelle Bau- und Ausbauberufe. Die Vorstellungen über diese Berufe sind dann auch meist veraltet. Denn viele traditionelle Berufe haben sich inzwischen sehr verändert, sind anspruchsvoller, technischer und digitaler geworden. Und, dass beispielsweise Hörgeräteakustiker und Augenoptiker ebenfalls Handwerker sind, war den meisten Jugendlichen nicht klar. Es gibt rund 130 Ausbildungsberufe im Handwerk. Wie sollen Jugendliche da wissen, ob es einen gibt, der zu ihnen passt? In meiner Arbeit bin ich ja besonders auf das Feld der Berufsorientierung eingegangen. Die ist das A und O. Läuft da alles rund? Die Berufsorientierung basiert bislang oft weitgehend auf Informationen. Hilfreich wäre, das Handwerk stärker sichtbar und erlebbar zu machen. Wenn Jugendliche ein Handwerk selbst ausprobieren können, dann merken sie, dass ein Beruf vielleicht ganz anders ist, als sie zuvor angenommen hatten. Sie plädieren in Ihrer Arbeit für den Ausbau der Berufsorientierung auch an Gymnasien. Warum? An Gymnasien werden weniger Berufsorientierungsmaßnahmen in Anspruch genommen als an anderen Schulformen. Meine Studie belegt, dass Jugendliche Handwerksberufe attraktiver bewerten, wenn sie wissen, wie darin gearbeitet wird und welche Anforderungen die Berufe haben. Fest steht: Das Handwerk ist ein Gewinner von Berufsorientierungsmaßnahmen. Welche Rolle spielen die Eltern bei der Frage, ob sich Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden? Eltern sind entscheidende Berufswahlbegleiter. Die meisten Befragten gaben an, dass ihre Eltern konkrete Erwartungen an den weiteren Bildungsweg haben. Diese gehen oft in Richtung Abitur und Studium. Außerdem neigen die Schüler laut den von mir erhobenen Daten dazu, die Erwartungen ihrer Eltern bei der Berufswahl zu erfüllen. Welche Konsequenz ziehen Sie daraus? Eigentlich müsste es neben der Berufsorientierung für Kinder auch eine für Eltern geben. Sie müssten über die Vielfalt und die wirtschaftlichen Perspektiven im Handwerk mehr erfahren können. Das könnte dabei helfen, das Ansehen des Handwerks insgesamt wieder zu verbessern. Wie könnte das konkret aussehen? Man könnte die Eltern bei Berufsorientierungsveranstaltungen stärker einbinden. Außerdem wären Tage der offenen Tür in Betrieben oder in den Berufsbildungszentren der Handwerkskammern denkbar. Hier gibt es auch schon viele tolle Beispiele, auch beim Engagement der Handwerksbetriebe selbst. Ich denke, hier ist das Handwerk auf einem guten Weg. | Interview: Andreas Ganter

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