Rheinland-Pfalz „Das ließ mein Herz höherschlagen“

In 25 Tagesetappen hat der 49-jährige Andreas Fath im Sommer den Rhein von dessen Quelle bis zur Mündung durchschwommen. Mit der spektakulären Aktion wollte der Chemie-Professor, der an der Hochschule Furtwangen tätig ist, Mittel für ein Analysegerät auftreiben, für das die Hochschule selbst kein Geld hatte. Gleichzeitig beprobte Fath mit seinem Team den Fluss auf Schadstoffe. Erste Ergebnisse hat der passionierte Schwimmer jetzt vorgestellt. Im Gespräch mit Markus Knopp erzählt Fath von seinen Erlebnissen auf der 1231 Kilometer langen Strecke und sein Engagement für saubere Gewässer.

Herr Fath, sind die Schwimmhäute soweit wieder verschwunden?

() Die sind soweit wieder weg, ja. Was ist für Sie außer den Wasserproben denn geblieben von Ihrer medienwirksamen Rhein-Aktion? Vieles, vor allem natürlich Erinnerungen. Etwa an die vielen positiven Begegnungen mit Menschen entlang der Strecke. Bis heute bekomme ich Post von Leuten, die mir schreiben, wie toll sie das fanden. Gibt es ein Erlebnis während Ihrer Rhein-Reise, an das Sie besonders gerne zurückdenken? Besonders schön war es, als ich auf der Etappe von Iffezheim nach Mannheim um die Flussbiegung kam, hinter der sich der Speyerer Dom in mein Blickfeld schob – majestätisch über dem Wasser. Da hat mein Herz schon höhergeschlagen. Immerhin bin ich in Speyer aufgewachsen, hab’ am „Alten Hammer“, wo ich dann auch aus dem Wasser gestiegen bin, als Kind Fußball gespielt. Es war also sehr vertrautes Terrain, das ich da betreten habe. Und ich hab’ dort an dem Tag so viele Menschen getroffen, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte und doch wiedererkannt habe. Das war ein wunderschöner Moment. Eine solche Form des „Reisens“ bietet sicher ganz neue Perspektiven. Und ob. Beim Schwimmen im Vorderrhein etwa habe ich Erdgeschichte unmittelbar erlebt. Auf der einen Seite fließt da schwarzes Wasser in den Fluss, weil Schiefergestein mittransportiert wird, und von der anderen Seite kommt helles Kalkgestein. Und dann sind da die Strudel und Wirbel – die Gewalt des Wassers so zu spüren, das ist ein einmaliges, wenn auch nicht ganz ungefährliches Erlebnis. Was haben Sie bei Ihrer Aktion Neues über den Rhein erfahren – mal abgesehen von dessen Wasserqualität? Zum Beispiel, dass es unter Wasser sehr laut ist. Warum das? Weil die unzählig vielen Steine dort ständig aneinander reiben. Was für Kräfte dabei am Werk sind, kann man sich ja ungefähr denken, wenn Felsbrocken aus den Alpen an der Mündung in Holland bloß noch Sand sind. Das Gleiche gilt leider auch für den Plastikmüll im Wasser, der dort zerrieben wird und über die Fische in die Nahrungskette gelangt. Was man während ihrer vier Wochen im Fluss mitbekommen hat, lief die Sache recht unkompliziert ab. Auch den Zeitplan haben Sie einhalten können. Gab es dennoch echte Tiefpunkte? Da fällt mir wieder der Vorderrhein ein. Die Wildwasser dort hatte ich doch unterschätzt, weshalb mich die Passage auch mehr Körner gekostet hat, als gedacht. Und dem folgte die Durchquerung des Bodensees, das war auch eine Hammeretappe – 40 Kilometer ohne Strömung. Zumal ich da angeschlagen war, weil ich am Tag davor Fieber und Schüttelfrost gehabt hatte. Da war irgendwann der Ofen aus. Am nächsten Tag ging’s dann aber wieder. Womit könnte man Ihren Rhein-Marathon denn vergleichen, damit man ungefähr eine Vorstellung vom Grad der Schwierigkeit bekommt? Ich hab’s versucht mit der Tour de France zu vergleichen, die ja auch über mehrere Wochen geht. Oder man könnte auch sagen, ich bin in den vier Wochen fast täglich einen Marathon gelaufen. Dafür hatte ich mich zwar gut vorbereitet, tatsächlich aber kann man so etwas nicht wirklich trainieren. Wie sicher waren Sie sich denn, dass sie die ganze Strecke schaffen werden? Ich war mir sicher, dass ich es körperlich schaffe. Aber es hätte immer etwas Unvorhergesehenes passieren und für ein abruptes Ende sorgen können. Gab es da denn etwas, was Sie aber letztlich doch nicht aufhalten konnte? Einmal bin ich an einer Boje hängen geblieben. Hätte ich mir dabei eine Schnittwunde zugezogen, wär’s vorbei gewesen. Dann gab es bei Basel eine Havarie zweier Schiffe, bei der ein Kran in die Fahrrinne gestürzt ist. Das war zwei Tage bevor ich die Stelle passieren wollte. Hätten die den Kran nicht schnell genug bergen können, hätte ich warten müssen und der Zeitplan wäre komplett durcheinandergekommen. Und Krankheiten sind auch aufgetreten – mal Schluckbeschwerden, mal Kopf-, mal Ohrenschmerzen. Da denkt man die ganze Zeit, hoffentlich wächst sich das nicht aus. Oder diese Entzündung im Nacken durch die Reibung des Neoprens, wo sich Streptokokken eingenistet haben, da hätte mein Immunsystem auch in die Knie gehen können. Nun war Ihre Aktion nicht nur ein sportliches Abenteuer, sondern auch Arbeit im Dienst der Wissenschaft. Sie haben die Wasserqualität des Rheins entlang der ganzen Strecke analysiert. Wie geht’s Vater Rhein denn derzeit? Wenn man es medizinisch ausdrücken wollte, könnte man sagen, der Rhein ist nicht mehr auf der Intensivstation wie noch bis in die 1990-er Jahre hinein, aber er ist immer noch Patient, den wir im Auge behalten und behandeln müssen. Was konkret macht den Rhein denn noch zu einem Patienten? In vielen Teilen hat der Rhein zwar tatsächlich wieder Trinkwasserqualität, kritische Grenzwerte haben wir keine feststellen können. Aber in der Summe haben wir doch immerhin 128 Chemikalien gefunden – etwa Pestizide aus der Landwirtschaft oder Pharmaka aus Privathaushalten und Krankenhäusern. Und wir haben feststellen können, welches die Blockbuster sind, also die Stoffe, die den Fluss vor allem verunreinigen. Und die wären? Das sind Süßstoffe, das sind Korrosionsschutzmittel aus den Spülmaschinen-Tabs, das sind Betablocker – also alles Stoffe, die von uns Menschen in großem Umfang verbraucht werden. Und was sagt uns das? Dass wir auf derlei Stoffe verzichten sollten? Auf jeden Fall zeigen die Ergebnisse, dass unsere bisherigen Klärsysteme zur Gewässerreinigung noch nicht ausreichend sind. Kümmert sich jetzt noch jemand um die Ergebnisse? Oder diente die Aktion allein dem Ziel, Geldgeber für ein Analysegerät zu finden, das sie für ihre Hochschule anschaffen möchten? Beides. Wir haben von dem Geld, das wir uns quasi erschwommen haben, inzwischen zwei Analysegeräte kaufen können. Es handelt sich dabei um Geräte, mit denen ich nun schauen möchte, ob ich ein von mir bereits entwickeltes System zur Abwasserreinigung auf diese Blockbuster-Stoffe ansetzen kann, um die Gewässerverschmutzung weiter zu reduzieren. Was ist das für ein System? Es handelt sich um ein elektrochemisches Verfahren, bei dem Sonnenenergie in elektrische Energie umgewandelt wird. Und mit diesem Strom möchte ich die Stoffe zersetzen. Dass das funktionieren kann, habe ich früher schon bei perfluorierten Tensiden gezeigt. Wasser liegt Ihnen also beruflich wie auch aus sportlicher Sicht am Herzen. Gibt es dafür besondere Gründe? Nun, seit meinem achten Lebensjahr bin ich Leistungsschwimmer, meine Liebe zum Wasser währt also schon ziemlich lange. Gewässerschutz ist mir tatsächlich aber ein wichtiges Anliegen, weil es beim Wasser, anders als bei der Energie, keine Alternative gibt. Und die globale Wassermenge ist nun einmal begrenzt.

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