Rheinland-Pfalz „Das ist kein Sanierungsfall“

NÜRBURG. Die Skepsis steht den rund 300 Beschäftigten und Besuchern des überdimensionierten Ringboulevard ins Gesicht geschrieben. In dem einst als Flanier-, Shopping und Showmeile geplanten Betonklotz am Nürburgring sollen sich die Bürger bei einem Empfang am Mittwochabend ein Bild machen von den künftigen Besitzern und Betreibern der Rennstrecke, und sie sollen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) löchern dürfen. Ob die Achterbahn verschwindet, wollen sie wissen – ja, im nächsten Jahr steht sie an einem Ort, zu dem sie besser passt, verspricht Robertino Wild, Chef der Capricorn-Gruppe. Er hat zusammen mit Adam Osieka, geschäftsführender Gesellschafter des Autotuners Getspeed, das Bieterrennen um den insolventen Nürburgring gewonnen. Wie viel Geld in die Sanierung von Nordschleife und Grand Prix-Strecke gesteckt wird, fragt ein anderer. Das lässt sich noch nicht beziffern, sagt Wild, der ebenso wie Nürburgring-Geschäftsführer Karl-Josef Schmidt die Behauptung zurückweist, auf den Rennstrecken gebe es Sicherheitsmängel. Die Finanzkraft der Käufer bewegt die Menschen. Was passiert, wenn auch der neue Besitzer Insolvenz anmelden muss? Dann werde es wieder ein Insolvenzverfahren geben, sagt der Pietro Nuvoloni, Sprecher der noch am Ring verantwortlichen Insolvenzverwalter Jens Lieser und Thomas Schmidt. Dreyer hatte zuvor gesagt, es gebe für sie keinen Anlass, in diesem Zusammenhang über Insolvenz zu reden. Die Ministerpräsidentin entschuldigt sich bei den Bürgern der Region für die Fehler, die gemacht wurden und für die die Steuerzahler teuer bezahlen mussten. Sie äußert Verständnis für das Misstrauen, stärkt aber den künftigen Eigentümern den Rücken. Deren Konzept lobt sie als zukunftsweisend. Nun hänge alles an der EU-Kommission, die dem Verkauf zustimmen müsse. Eine Prognose, wann die Entscheidung komme, wage sie aber nicht, sagt Dreyer. Im Oktober endet die Amtszeit der Kommission. „Der Nürburgring ist kein Sanierungsfall“, sagt Wild. Er verspricht, dass alle, die vorher auf der Rennstrecke fahren konnten, auch wieder dort fahren können. Dreyer, die seit ihrem Amtsantritt im Janaur 2013 zum zweiten Mal am Nürburgring ist, trifft sich vor der Bürgerversammlung mit den Mitarbeitern zu einem internen Gespräch. Etwa ein Drittel der rund 300 Beschäftigten folgt der Einladung. 70 bis 80 Stellen fallen nach dem Capricorn-Konzept weg. Laut Betriebsratschef Heinz Hoffmann sind die Fragen kritisch, aber die Stimmung ist ruhig. Eine Besichtigung der Unternehmen, in denen die künftigen Herren des Nürburgrings ihr Geld verdienen, steht am Anfang von Dreyers Besuch am Nürburgring. Getspeed kümmert sich nicht nur um Autos, sondern auch um deren Fahrer. Die Firma erstellt beispielsweise Stressprofile von Rennfahrern. Neben Osieka sind Axel Heinemann und dessen Ehefrau Gesellschafter bei Getspeed. Über diese Beteiligung sind sie künftige Miteigentümer des Nürburgrings. Heinemann war zuvor zwei Jahrzehnte Manager der Beratungsgesellschaft Boston Consulting. Bei Capricorn fertigen 75 Frauen und Männer Leichtbauteile für die Automobilindustrie. In Handarbeit wird das Material in die Formen gelegt, bevor es in ein Gerät zum Trocknen kommt. Ein Rennauto des 24-Stunden-Rennens von Le Mans steht dekorativ in der Firmenhalle. Andere Kunden sind Porsche, Bugatti oder VW. Capricorn hat seinen Hauptsitz in Düsseldorf. Nach früheren Angaben Wilds liegt der Jahresumsatz bei 40 Millionen Euro. „Wenn er das Geld zahlen kann, dann würde er gut hierher passen“, sagt ein Bürger am Ende der Veranstaltung über Wild. Die ersten fünf von 77 Millionen Euro sind fristgerecht gezahlt worden. Für das Vertrauen der Leute reicht das offenbar noch nicht aus.

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