Flutkatastrophe CDU-Fraktionschef Baldauf: ADD mit Krise überfordert

In der Gemeinde Rech im Landkreis Ahrweiler: Soldaten helfen bei den Aufräumarbeiten.
In der Gemeinde Rech im Landkreis Ahrweiler: Soldaten helfen bei den Aufräumarbeiten.

Nachdem die Verbandsgemeinde Altenahr drei Wochen nach der Flutkatastrophe von Bund und Land mehr Hilfe gefordert hat, wollen diese auf die betroffenen Kommunen zugehen. Die bisherigen Hilfen reichten nicht aus, kritisierte allen voran die parteilose Bürgermeisterin Cornelia Weigand in einem offenen Brief und in einem Interview in den Tagesthemen. Das hat Wirkung gezeigt. Kritik kommt jetzt auch aus der Pfalz.

Cornelia Weigand, Jahrgang 1971, ist Biologin und hatte bis zu ihrer Wahl zur Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde (VG) Altenahr kein politisches Amt inne, sie war Produktmanagerin für Medizinprodukte, dann im naturwissenschaftlichen Dienst in einer nordrhein-westfälischen Landesbehörde. 2019 trat die parteilose Kandidatin für SPD und Grüne an, gewann mit über 60 Prozent und eroberte den jahrzehntelang von der CDU besetzten Bürgermeisterposten. In der Flutkatastrophe findet sie sehr uneitel sehr klare Worte.

„Nicht im Klein, Klein verlieren“

Dass der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe nur mit Hilfe des Bundes zu leisten sei, dass man sich jetzt nicht „im Klein, Klein“ verlieren dürfe und dass etwa Großbaustellen des Bundes und des Landes zurückstehen müssten, um genug Arbeitskräfte und Material für den Aufbau von Häusern und Infrastruktur zu bekommen, sagte sie am Dienstag in den ARD-Tagesthemen – ungeschminkt, blass und im Trainingsanzug.

Auf ihre von allen Ortsbürgermeistern der VG geteilten Kritik haben Bund und Land nun reagiert. Kanzleramtsminister Helge Braun und der Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Fabian Kirsch, wollen am Mittwoch kommender Woche mit Landräten und Bürgermeistern zusammentreffen, wie eine Regierungssprecherin am Mittwoch in Berlin sagte.

Finanzminister lehnt Sonderbeauftragten ab

Bund und Land bekräftigten in Stellungnahmen zu dem offenen Brief, der an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) adressiert ist, ihre Hilfszusagen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wandte sich aber gegen die darin geforderte Berufung eines Sonderbeauftragten. „Das wäre bürokratische Tätigkeitsvermehrung und würde die Sache eher komplizierter machen“, sagte er am Mittwoch im WDR. „Ich bin überzeugt, die Länder müssen diese Sache in die Hand nehmen und sich dabei auf die Unterstützung des Bundes verlassen können“, sagte Scholz. „Wir sorgen dafür, dass das Geld bereitsteht.“

Viele Forderungen des offenen Briefs seien bereits umgesetzt oder auf dem Wege der Umsetzung, antwortete der Mainzer Staatskanzleichef Kirsch. Die finanzielle Absicherung über einen „Nationalen Wiederaufbaufonds“ sei dann am 10. August Thema der Ministerpräsidenten.

Baldauf: Berichte über Probleme häufen sich

„Eine Katastrophe dieses Ausmaßes erfordert neues Denken und unkonventionelles Handeln“, sagte am Mittwoch der Frankenthaler Christian Baldauf, CDU-Fraktionsvorsitzender am Landtag in Mainz. Und: „Offensichtlich ist die ADD mit dem Management vor Ort vollkommen überfordert“, so Baldauf mit Blick auf die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier, die das Krisenmanagement vor Ort übernommen hatte. Seiner Meinung nach häuften sich Berichte über Koordinierungsprobleme.

Anzahl der Toten gestiegen

Unterdessen ist die Anzahl der Toten im Ahrtal auf 141 gestiegen. 115 Tote seien identifiziert, so die Polizei. Weiterhin vermisst würden 17 Menschen. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium schätzt Rheinland-Pfalz die Flutschäden in der Landwirtschaft auf etwa 220 Millionen Euro. Allein in den Weinbaubetrieben an der Ahr wurden demnach Schäden von 110 Millionen Euro verursacht, bei den Winzergenossenschaften an der Ahr sind es rund 50 Millionen Euro. Die Verluste im Weinbau reichen von Gebäuden und Technik bis zu umfangreichen Beständen an Wein der vergangenen Jahrgänge. Nach einem neuen Programm der Landwirtschaftlichen Rentenbank mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium können Landwirte und Winzer Ersatzbeschaffungen von Maschinen und Geräten sowie Reparaturen und den Neuaufbau von Gebäuden zu niedrigen Zinsen von 0,01 Prozent finanzieren.

„Sehr wertvolle“ Hinweise für Staatsanwaltschaft

Bei der Staatsanwaltschaft Koblenz sind eigenen Angaben zufolge bisher 25 Hinweise zur Flutkatastrophe eingegangen. Diese seien „sehr wertvoll“, hieß es am Mittwoch. Die Behörde prüft, ob sie nach der Flut vom 14. Juli ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung einleitet. Ermittelt werde erst, wenn das Ergebnis der Prüfung den Anfangsverdacht bejahe. Im Raum stehen möglicherweise verspätete Warnungen und Evakuierungen. In die Prüfung sollen neben der „umfangreichen Presseberichterstattung“ auch Feststellungen aus Todesermittlungsverfahren sowie allgemeine polizeiliche Hinweise aus der Katastrophennacht zum 15. Juli einbezogen werden.

Info

- Unter dem Kennwort „Katastrophenhilfe Hochwasser“ können Spenden auf Konto der Sparkasse Mainz überwiesen werden:

Empfänger: Landeshauptkasse Mainz

IBAN: DE78 5505 0120 0200 3006 06

BIC: MALADE51MNZ

- Wer beim Technischen Hilfswerk (THW) den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz oder die technische Ausstattung unterstützen möchte, kann ebenfalls spenden:

Stiftung THW

Sparkasse KölnBonn

IBAN: DE03 3705 0198 1900 4433 73

BIC: COLSDE33XXX

Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand (parteilos). Sie fordert von Bund und Land mehr Hilfe nach der F
Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand (parteilos). Sie fordert von Bund und Land mehr Hilfe nach der Flutkatastrophe in der Eifel.
x