Rheinland-Pfalz Befangenheitsantrag im Altenheimprozess

Verteidigerin Jessica Hamed wirft dem Gericht mangelhafte Aufklärung vor.
Verteidigerin Jessica Hamed wirft dem Gericht mangelhafte Aufklärung vor.

«Frankenthal.» Durch einen Befangenheitsantrag der Verteidigung ist der Mordprozess gegen drei ehemalige Pfleger des Lambrechter Altenheims der Arbeiterwohlfahrt gestern ins Stocken geraten. Dem vorausgegangen waren sieben Anträge, die das Gericht allesamt ablehnte.

Nach über acht Stunden war die Sitzung zu Ende, ohne dass das Verfahren am Landgericht Frankenthal, das nun seit sieben Monaten läuft, seinem Ende einen Schritt näher gekommen wäre. In den Anträgen der Anwältin Jessica Hamed, die den Ältesten der drei Angeklagten vertritt, ging es im Kern darum nachzuweisen, dass beim mutmaßlich zweiten Mordfall auch gesundheitliche Gründe todesursächlich gewesen sein könnten. Die schwerkranke, 62-jährige Frau verstarb am Abend des 20. Februar 2016, nachdem sie an diesem Tag zweimal wegen extrem niedriger Blutzuckerwerte notfallmedizinisch behandelt worden war. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die beiden männlichen Angeklagten ihr Insulin verabreichten, um zu verhindern, dass ihr Blutzuckerspiegel sich wieder normalisierte. Die Behörde stützt sich dabei auf die Chat-Nachrichten, die die Angeklagten sich gegenseitig schickten. Aus diesen Protokollen war unter anderem folgender Dialog zwischen den beiden Männern vor Gericht vorgelesen worden: A: „Spritz se nochmal.“ B: „Hab ich schon. Was meinst, warum der (gemeint ist der Blutzuckerwert) nicht hoch geht?“ A: „Dreh sie ab, ich flipp aus.“ Auch am darauffolgenden Tag geht es im Handy-Dialog um den Vorfall, dieses Mal fragt die weibliche Angeklagte: „Werden wir verdächtigt?“ Und der ältere Angeklagte antwortet: „Nee“. Verteidigerin Hamed vertritt allerdings die These, dass diese Unterhaltungen via Smartphone keinen Realitätsbezug hatten. Das zeigt ihrer Ansicht nach unter anderem die Dokumentation der Blutzuckerwerte, die auf Antrag Hameds in der Sitzung am 24. April verlesen wurden. Hamed argumentiert, daraus gehe hervor, dass der unbelastete Pfleger, der die Werte gemessen hat, am Abend mehrfach im Zimmer der Frau gewesen sein muss. Und gesehen hätte, wenn die Glukose-Infusion abgestellt worden wäre, wie der Angeklagte im Chat behauptet. Für Hamed ist das Anlass genug, diesen Pfleger als Zeugen nochmals vorzuladen. Das Gericht unter der Vorsitzenden Richterin Eva van Daele-Hunt sieht das anders. Der Zeuge habe sich bei seiner Vernehmung am 14. November bereits umfassend zu den Blutzuckerwerten und zum klinischen Zustand der Bewohnerin geäußert. Der Antrag wurde deshalb zurückgewiesen, genauso geschah es mit weiteren Anträgen Hameds. Sie hatte unter anderem noch gefordert, weitere Ärzte, die die 62-Jährige zu einem früheren Zeitpunkt behandelt hatten, zu vernehmen und die Blutzuckermessgeräte des Altenheims zu beschlagnahmen und zu überprüfen. Auf die Ablehnung ihrer Anträge reagierte Hamed mit einem Befangenheitsantrag. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Einhaltung des Terminplans für das Gericht wichtiger ist als eine sachgerechte Aufklärung.“ Durch die Einführung der Dokumentation mit den Vitalwerten seien neue Erkenntnisse da. „Dass der Verteidigung nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich damit zu beschäftigen, ist nicht nachvollziehbar.“ Über den Antrag soll heute entschieden werden. Sollte er abgelehnt werden, wird der Prozess wie geplant heute ab 9 Uhr fortgeführt. EINWURF

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