Rheinland-Pfalz Bürger fahren für Bürger: Kostenlose Kleinbusse schließen Lücke

Der Bürgerbus von Ralph Hintze.
Der Bürgerbus von Ralph Hintze.

In Deutschland sind immer mehr Bürgerbusse unterwegs. Meist ältere Menschen werden damit von Ehrenamtlichen zum Arzt oder Einkaufen gefahren. Die Kleinbusse schließen ein Lücke im ÖPNV - und rollen nicht mehr nur durch ländliche Regionen.

Wenn Helmut Golz einkaufen will, ruft er beim „Bürgerbus“ an. Der holt ihn im Seniorenheim ab und fährt ihn zum Supermarkt oder auch zum Arzt oder zu Bekannten. Später holt der Kleinbus ihn auch wieder ab und bringt ihn zurück nach Hause. „Das ist ein super Angebot. Mit regulären Bussen ginge das gar nicht“, sagt der 94-Jährige in Langenlonsheim (Kreis Bad Kreuznach). So wie er nutzen in der Verbandsgemeinde rund 230 Stammkunden den kostenfreien Busservice, der zwei Tage pro Woche von ehrenamtlichen Bürgern angeboten wird - und im Jahr rund 2000 Fahrten absolviert.

„Der Bürgerbus schließt eine Lücke, die der normale öffentliche Nahverkehr hinterlässt“, sagt der Erfinder dieses Bürgerbus-Modells, Ralph Hintz, in Guldental. Der Bus biete individuelle Fahrten für Strecken an, die auch Taxis nicht interessierten. „Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung.“ Das Angebot, das ausschließlich von Ehrenamtlichen mit Fahr- und Telefondiensten gestemmt wird, werde künftig noch an Bedeutung zunehmen, meint Hintz, der als Beauftragter in Langenlonsheim auch selbst am Steuer sitzt.

74 Bürgerbusse sind in RLP unterwegs

In Rheinland-Pfalz sind nach dem Start vor rund zehn Jahren heute bereits 74 Bürgerbusse in Verbandsgemeinden unterwegs. „An Nummer 75 und 76 sind wir gerade dran“, sagt er und verweist auf Wachenheim und Edenkoben. Auch im Saarland nehmen die Busse Fahrt auf: Nach Kirkel lässt auch Püttlingen in den nächsten Wochen einen Bürgerbus an den Start gehen. Weitere folgen: Das saarländische Verkehrsministerium stellt 250 000 Euro für etliche Gemeinden bereit.

„Wir sind eine relativ hügelige Stadt, in der die Ortsteile ziemlich auseinanderliegen“, sagt der Püttlinger Bürgerbus-Beauftragte Rainer Gude. Es gebe zwar eine Buslinie an den Hauptstraßen. „Wenn man aber in einer steilen Seitenstraße wohnt, ist man als Mensch mit Rollator ziemlich abgeschnitten.“ Taxis seien für viele zu teuer. Daher sei es wichtig, dass der Bürgerbus diese Personen abhole, damit sie auch weiter am Leben teilhaben könnten. „Das Projekt hat für Gemeinden im ländlichen Raum eine starke soziale Komponente.“

Ob zum Arzt oder zum Einkauf

Und auch deutschlandweit macht das Projekt immer mehr Schule. Hintz und sein Kollege Holger Jansen in Berlin beraten mit ihrer Agentur Landmobil auch Gemeinden in Schleswig-Holstein, in Baden-Württemberg, in Sachsen. Am 2. März falle der Startschuss für den ersten Bürgerbus in Hamburg: In Niendorf-Ost. Und damit erstmals nicht in einer ländlichen Region. Denn: Auch in größeren Städten könne es Stadtteile geben, die gar nicht oder nur schlecht an den regulären öffentlichen Nahverkehr angebunden sind, sagt Wolfgang Rottstedt, ehrenamtlicher Koordinator der neuen Bürgerbusgruppe in Hamburg.

Niendorf-Ost im Hamburger Norden sei solch ein Gebiet. Seit vielen Jahren gebe es dort keine Nahversorgung mehr. Die Wege zum regulären ÖPNV seien vor allem für die ältere Bevölkerung beschwerlich. Und der Anteil der über 80-Jährigen habe hier in den letzten Jahren stetig zugenommen. Ob zum Arzt oder zum Einkauf – mit dem Bürgerbus würden die Fahrten nach den Wünschen der Fahrgäste möglich, sagt Rottstedt. Startpunkt für die Fahrten sei stets Niendorf-Ost, die Fahrtziele können im gesamten Stadtteil Niendorf mit knapp 5000 Einwohnern liegen. Im Bürgerbus haben bis zu acht Fahrgäste Platz.

Zu 80 Prozent von älteren Menschen genutzt

Hintz und Jansen haben reichlich Erfahrung. „Man muss ja nicht immer das Rad neu erfinden“, sagt Hintz. Sie schulten in den Gemeinden vor Ort, wie der Service und die Fahrten der Ehrenamtlichen organisiert werden sollten. In der Regel gebe es zwei Fahrtage pro Woche. Am Nachmittag zuvor könnten Fahrgäste ihre Fahrten telefonisch anmelden, die gesammelt und im Anschluss disponiert würden. Seiner Erfahrung nach werden die Busse zu 80 Prozent von älteren Menschen genutzt.

Grob könne man sagen, dass für 15 000 bis 18 000 Einwohner ein Bus reiche, sagt Hintz. Ab 20 000 brauche man auf jeden Fall zwei. Im Bitburger Land in der Eifel seien sogar drei unterwegs - da gehörten mehr als 70 Ortsgemeinden dazu. In Rheinland-Pfalz gebe es pro Bus eine Förderung von 8500 Euro vom Land. Das entspreche rund einem Drittel der Kosten. Die Fahrgäste müssten nichts zahlen, dürften aber in eine Spendenbox im Bus etwas einwerfen, wenn sie das wollten.

Bundesweit gibt es auch andere Bürgerbus-Projekte und Betreiber. Teilweise bedienen sie regelmäßig bestimmte Strecken, andere kommen auch individuell vorbei. Wie beim Langenlonsheimer Modell. Die Fahrer könnten dadurch auch flexibel sein, sagt Hintz. Wenn zum Beispiel jemand beim Arzt sei, müsse er sich keinen Zeitdruck machen, wenn er nicht schnell behandelt werde. „Man ruft danach an und der Bus bindet das dann auf seiner Tour ein.“ Es könne dann vorkommen, dass man ein bisschen warten müsse. Senior Golz findet das gar nicht schlimm: „Dann trinke ich im Café eine Tasse Kaffee und esse ein Stück wunderbaren Himbeerkuchen.“

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