Erntezeit Pfälzer Safran: Erlesenes Gewürz für betörenden Zauberbalsam
Sie präsentiert sich überraschend unspektakulär, die Pfälzer Safranernte. Georg Wiedemann, bekannt als Venninger „Essigdoktor“, parkt auf einem Feldweg außerhalb des Südpfälzer Dorfs, wo er sein Wein- und Essiggut betreibt. Wenig später stehen wir auf einem Acker. Auf rund 7000 Quadratmetern bauen die Wiedemanns hier Safran an. Vereinzelt fallen zwischen Grasbüscheln lila Blüten in den Blick. Doch keine Spur von Erntehelfer-Kolonnen oder sperrigen Transportkisten. Obendrein sehen die Pflanzen wie normale Krokusse aus.
Im Herbst blühende Krokusse
Ungewöhnlich macht das Bild allerdings die Jahreszeit: Blühen Krokusse doch im Frühling! Bei Crocus sativus ist das anders. Und auch sonst ist die bodenwüchsige Pflanze sehr besonders: Die kleinen Blüten bergen das teuerste Gewürz der Welt. Ein Kilo davon wird mit bis zu 10.000 Euro gehandelt, vor billigen Fälschungen wird daher gewarnt. Um ein Kilo Safran herzustellen, braucht es bis zu 200.000 Krokusblüten. Wiedemann produziert rund ein Kilo pro Jahr. Und als er demonstriert, wie mühevoll der Safran aus den Blüten gewonnen wird, kommt doch so etwas wie Ehrfurcht auf: Hier ist pure Handarbeit gefragt.
Bedächtig pflückt der Winzer und Essigpapst einige Blüten ab, die sich im Oktober sukzessive zeigen und nachmittags öffnen, und sammelt sie in einem Korb. Schon für wenige Gramm Safran muss das Ernteteam, bestehend aus der Familie Wiedemann und Mitarbeitern des „Doktorenhofs“, sich also unzählige Male zu Boden bücken. Zurück im „Doktorenhof“ werden die roten Fäden behutsam herausgezupft. Das muss sehr vorsichtig passieren, denn wenn gelber Blütenstaub die Safranfäden verunreinigt, mindert das die Qualität. Der so gewonnene Safran wird sanft fermentiert und zu einem vollmundigen, hocharomatischen Balsamessig, dem „Safran-Zauberbalsam“ weiterverarbeitet.
Sinnlich-säuerlicher „Safran-Zauberbalsam“
Ein kleines Fläschchen mit 100 Milliliter Safran-Essig kostet 20 Euro, aber das exklusive Produkt ist jeden Cent wert. Wiedemann serviert einen Probeschluck stilvoll in einem eleganten Probiergläschen mit hohem Stiel – und schon der unvergleichliche Safranduft betört. Und auf der Zunge ist die aromatische, erdige Süße, die zur feinen Säure des Essigs harmonisch kontrastiert, geradezu umwerfend.
Nun ist der „Doktorenhof“ ja ohnehin für seine erlesenen Kreationen bekannt. Die Wiedemanns haben die Kunst der Essigproduktion zweifellos zur Vollendung gebracht – was mit Besucherscharen auch an diesem Donnerstag belohnt wird, die zu vorab gebuchten Führungen anreisen. Die Idee mit dem Safran-Essig ist nur eine von vielen, die der „Schorsch“, wie viele Georg Wiedemann liebevoll nennen, bereits geboren hat.
Schon früher Safrananbau in der Südpfalz
In der Verkaufs- und Probierstube, die der Gast durch einen romantischen Innenhof erreicht, präsentieren sich in schön geformten Flaschen Produkte mit verlockenden Namen wie „1001-Nacht-Balsam“ mit exotischen Kräutern und Blüten, „Balsam of Roses“ mit frischen Rosenblüten und Rosenöl, „Engel küssen die Nacht“ mit Kirschen & Vanille und „Essenzia der Liebe“. Die Leidenschaft für den Safran habe er einem alten Buch zu verdanken, sagt Wiedemann. Darin habe er gelesen, dass bereits in den 1820er-Jahren Safrananbau in der Südpfalz betrieben worden sei.
Im späten 19. Jahrhundert sei Venningen „eine Enklave für den Safrananbau in Deutschland“ gewesen. Wiedemann: „Wir haben die kostbaren Safranknollen wieder angebaut und freuen uns jeden Spätherbst auf eine kleine exklusive Ernte.“ Das Gewürz bereichert seit gut 15 Jahren als Zutat die Produktpalette des Wein- und Essigguts. Bis die Tradition wiederbelebt war, bedurfte es allerdings einiger Geduld.
„Mimose der Mimosen“
„Safran ist die Mimose der Mimosen. Nässe mag er nicht. Er liebt es tagsüber heiß und nachts richtig kalt, und er braucht einen wasserdurchlässigen Boden.“ Zudem erblüht Safran nach ureigenen Regeln: „Manchmal ist morgens noch nichts da, und mittags ruft mich der Nachbar an, ob ich meinen Safran nicht ernten wolle“, schmunzelt der „Essigdoktor“.
Die Wiedemanns mussten bis zur ersten Ernte auch einiges investieren. Beim ersten Versuch kamen die im Iran bestellten und bezahlten Safran-Knollen gar nicht an, das Jahr darauf war die Ware auf dem Transportweg erfroren. Erst beim dritten Anlauf klappte es. Und so gesehen ist die Safranernte im südpfälzischen Venningen dann doch richtig spektakulär.
Kontakt und Informationen: Weinessiggut Doktorenhof, Raiffeisenstraße 5, Venningen (Südliche Weinstraße), Tel. 06323 5505, Mail essig@doktorenhof.de; Verkauf und Verkostung: Mo-Fr 9-17 Uhr, Sa 9-14 Uhr. Infos und Termine für Führungen: www.doktorenhof.de
Rezepte mit Safran und Safran-Essig
Safranaufguss aus „Granatapfel und Artischocke“ von Saghar Setareh
„Unverzeihliche Verschwendung“ nennt Kochbuchautorin und Bloggerin Saghar Setareh das Würzen mit trockenem Safran: „Sein exquisiter Geschmack kommt viel besser zur Geltung, wenn die Fäden in warmem Wasser ziehen können.“
Zutaten für 3 EL Safranaufguss:
1/2 TL Safranfäden, aufgelockert, 1 gute Prise Zucker
Zubereitung:
Safranfäden mit Zucker in einem Mörser zerstoßen. Wasser zum Kochen bringen und einige Minuten stehen lassen. Safranpulver mit 3 EL heißem Wasser übergießen, abdecken unds mindestens zehn Minuten ziehen lassen.
Gerichte mit Safran-Zauberbalsam
Der Doktorenhof in Venningen stellt einen feinen Safran-Essig her, den „Safran-Zauberpflanzenbalsam“, mit dem sich vielfältige Speisen veredeln lassen. Im Büchlein „Safran – Das edle Gold der feinen Küche“ hat die Familie Wiedemann Rezeptideen zusammengestellt, zum Beispiel:
Spaghetti – Zutaten für vier Portionen:
500 g Spaghetti, 200 g Cocktailtomaten, 3-4 EL Olivenöl, Safran-Balsam, Pfeffer, Salz, frische Petersilie oder Basilikum
Zubereitung:
Spaghetti in ausreichend kochendes Wasser geben und nach der angegebenen Kochdauer mit offenem Deckel köcheln lassen (al dente eine Minute weniger), abseihen und mit Safran-Balsam nach Gusto würzen. Mit Pfeffer und Salz abschmecken. Mit Tomatenhälften und Kräutern garniert servieren.
Lachscarpaccio – Zutaten:
200 g hauchdünn geschnittene Wildlachsscheiben, 3 EL Safran-Balsam, 1 TL Zitronensenf, 3 EL natives Olivenöl, Fleur de Sel, schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Zubereitung:
Lachs fächermäßig drapieren, Safran-Balsam, Senf und Olivenöl kräftig sämig schlagen, über den Lachs träufeln. Fleur de Sel und Pfeffer gleichmäßig über den Lachs streuen, mit Gänseblümchen oder Basilikumblättchen garnieren.