Theaterfestival Schillertage in Mannheim: Balladen-Rave, Heteraclub und Tell als „Karpfical“
Wie ist es bestellt um die Brüderlichkeit in unserer Welt? Wie um die Freiheit? Wie um die Harmonie zwischen Mensch und Natur, die Friedrich Schiller als Ideal auf die Antike projizierte? Sind nicht alle Utopien längst perdu? Derlei Fragen ventilieren die 22. Internationalen Schillertage des Mannheimer Nationaltheaters von 22. Juni bis 2. Juli in eigenwilligen Inszenierungen und teils kuriosen Theaterformen.
Tell im Teich und in der Ukraine
Dass Schillers Freiheitsdrama „Wilhelm Tell“ dabei gleich zweifach in neuer Form auf dem Spielplan steht, liegt irgendwie nahe. Christian Weise inszeniert das Stück mit dem Apfelschuss als Freiluftspektakel auf der Seebühne des Luisenparks. Dort macht er, zusammen mit Musiker Falk Effenberger, aus dem „Tell“ der Schweizer Berge „eine singende und klingende Wasserwelt, in der mit viel Witz um Recht und Freiheit gekämpft wird“. Wer andere Arbeiten des Mannheimer Hausregisseurs gesehen hat, etwa seinen „Macbeth“ im Theatertruck, weiß: Da ist mit Grellem und Groteskem zu rechnen. Weise selbst stellt gar ein „Karpfical“ in Aussicht (Premiere: Do 22.6., 19 Uhr).
In seinem Stück „Tell. Eine ukrainische Geschichte“ bezieht Theatermacher Stas Zhyrkov das Thema des Schiller-Dramas ganz konkret auf die Situation in seiner Heimat. Bis zum Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine leitete der Regisseur das Left Bank Theatre in Kiew. Nun stellt er in Mannheim auf der Basis von Schillers „Tell“ und zusammen mit ukrainischen und deutschen Schauspielern die Frage: Wie begegnet man Tyrannen? (Premiere: Fr 23.6., 20 Uhr, TiG 7).
Königinnen-Zoff an der Bushaltestelle
Die Tatsache, dass die großen Bühnen des Nationaltheaters wegen Generalsanierung nicht zur Verfügung stehen, bestückt diese Schillertage mit allerlei kleineren Produktionen. Auf große Namen muss man trotzdem nicht verzichten: In einem Gastspiel des Thalia-Theaters Hamburg kabbeln sich Barbara Nüsse und Karin Neuhäuser, zwei Grandes Dames deutscher Schauspielkunst, als „Maria Stuart und Elisabeth“; Regisseur Antú Romero hat Schillers Königinnendrama auf das Wesentliche reduziert – und an eine Bushaltestelle verlegt (Sa 24.6., 19 Uhr, Altes Kino Franklin).
Auch Philipp Hochmair ist mit von der Partie: Der österreichische Schauspieler, den man unter anderem aus der Serie „Vorstadtweiber“ als schmierigen Politiker kennt, veranstaltet mit seiner Band namens Die Elektrohand Gottes einen Schiller-Balladen-Rave (So 25.6., 19 Uhr, Altes Kino Franklin).
Stillleben-Artistik und Frauenclub-Performance
Daneben gibt’s Artistik, etwa „Natures Mortes (Stillleben)“ am 30.6. und 1.7. im BASF-Tennisclub sowie am 2.7. auf der Klosterruine Limburg. Dann „Schill-Outs“ mit Pop-Acts wie Henny Herz. Und außerdem eine Performance exklusiv für Frauen ab 18 Jahren: „Queens, der Heteraclub“ (22.-25.6., Eintanzhaus) wandele, so die Beschreibung, „auf dem schmalen Grat zwischen Kunst, Sex- und Sorgearbeit“. Das hat wohl weniger mit Schiller als mit Freiheit zu tun ...
Info
22. Internationale Schillertage: 22.6.-2.7., Mannheim, Karten/Programm/Spielstätten: nationaltheater-mannheim.de, 0621 1680150