Obermoschel Moschellandsburg: Fragmente der Verwaltungspracht
Mancher kennt das bestimmt: Da hatte man die perfekte Lego-Burg, alles passte wunderbar zusammen – und dann fiel das Teil der kleinen Schwester in die Hände. Oder dem jüngeren Bruder. Und danach fehlte nicht nur mindestens ein Drittel der Plastiksteine, es war auch noch alles falsch ineinander gesteckt. Fensterbögen waren sinnfrei in Mauern verbaut, Sockelklötzchen und Zierelemente willkürlich dazwischen geflickt. Das Ganze ein Spielzeug-Sinnbild für den Trümmerhaufen der Geschichte.
So ähnlich muss man sich die Landsburg bei Obermoschel vorstellen. Nur noch eine Ecke des Bergfrieds ragt an zentraler Stelle empor, nur noch mit seinem Erdgeschossrumpf kann in der Unterburg ein gewaltiges Rondell des 16. Jahrhunderts imponieren. Daneben besteht die auch Moschellandsburg genannte Ruine an vielen Stellen aus einem Sammelsurium von Spolien, von verbauten Fragmenten zerstörter Architektur.
Ruinen-Park aus Spolien
Hier wurden Reste eines Portals zu einer Treppe umfunktioniert. Dort ist ein schön dekorierter Fenster- oder Türrahmen aus der Zeit der Renaissance in eine sonst völlig schmucklose Wand aus Bruchstein vermörtelt. Tröge aus Sandstein bekrönen absurderweise niedrige Umfassungsmauern. Sorgfältig gearbeitete, nach oben spitz zulaufende Mauerabdecksteine dienen nun als Umfriedung für Bäume. Was bei der Lego-Burg Anlass zur Verzweiflung gegeben hätte, erzeugt hier, durch fortgeschrittene Fusion mit der Natur, einen ganz eigenen ästhetischen Reiz: Das Areal der Moschellandsburg gleicht einem alten Park, den jemand großzügig mit teilweise grotesk anmutenden künstlichen Ruinen ausstaffiert hat. Nur, dass es eben keine künstlichen sind.
Schloss für Rinder und Schweine
In Wahrheit war die Landsburg nämlich mal richtig stattlich, fast ein Schloss – falls der entsprechende Kupferstich in Matthäus Merians „Topographia Germaniae“ nicht maßlos übertreibt. 1255 tauchte sie erstmals in einer Urkunde auf, bis 1444 gehörte sie, als Lehen des Hochstifts Worms, den Grafen von Veldenz. Diese betrauten Burgmannen mit der Verteidigung der Anlage: Aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind diverse Ritter bekannt, die sich nach der Landsburg benannten. Weil der letzte Graf ohne männlichen Nachkommen starb, gingen die Veldenzer Besitzungen, darunter die Landsburg, durch des Grafen Tochter, die mit Pfalzgraf Stefan verheiratet war, im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken auf.
Als Residenz der hohen Herren diente die Moschellandsburg in dieser Zeit nur gelegentlich. Primär fungierte sie als „Kellerei“, das heißt als Verwaltungssitz und Wirtschaftshof. Hier strich man die Steuern und Naturalienabgaben aus über 20 Ortschaften ein. Auf der Burg selbst hielt man in der Zeit um 1500 40 Rinder und 80 Schweine, man produzierte Karpfen, Kohl, Getreide, Wein und Schafswolle, und unterhalb der Burg wurde schon damals Bergbau betrieben.
Erst Krieg, dann Pracht, dann wieder Krieg
Im Dreißigjährigen Krieg musste die 250 Mann starke Burgbesatzung zunächst 2000 spanischen Fußsoldaten weichen; das war 1620. 1631 wurde die spanische Garnison von schwedischen Truppen vertrieben, die Schweden dann 1635 ihrerseits von kroatischen Söldnern des katholischen Kaisers. Nach dieser internationalen Militärpolonaise war die Burg – wen wundert’s – ziemlich ramponiert. Pfalzgraf Friedrich Ludwig aus dem Haus Pfalz-Zweibrücken ließ die Moschellandsburg ab 1645 renovieren und nutzte sie dann auch als Residenz. Etwa zu dieser Zeit entstand Merians Kupferstich.
Die neue Pracht beendete jäh der Pfälzische Erbfolgekrieg: „Im Ampt Landtsberg ist das alte Schloss von denen Frantzosen anno 1689 übern Hauffen geworffen und gäntzlich demolirt und nicht ein einzig Gebäu vor einen Bedienten oder Hoffmann übrig gelassen worden“, beklagt ein Wirtschaftsbericht aus dem Jahr 1704. Die Ernten mussten deshalb nun ins weiter entfernte Meisenheim gekarrt oder in den Dorfkirchen des Umlands gelagert werden.
Von den Trümmern der Burg kam in den folgenden Jahrhunderten sicherlich noch so manches abhanden, weshalb das, was man heute vorfindet, zu dem, was Merian etwa anno 1645 zeichnete, auf den ersten Blick so gar nicht passen will. Pittoresk ist die Ruinenstätte trotzdem – zumal dann, wenn die Wintersonne sanft zwischen schwarzen Baumkronen verglüht.
Landsberger Quecksilberwerke
Doch nicht nur Feudalherrschaft und Kriege haben auf dem Moschellandsberg Spuren hinterlassen, sondern auch die frühe Montanindustrie. Dass im Burgberg nach Silber und Quecksilbererzen geschürft wurde, ist seit 1442 urkundlich belegt. Nachdem der Bergbau unter der Moschellandsburg offenbar gegen Ende des 16. Jahrhunderts zum Erliegen gekommen war, nahm er im 18. Jahrhundert wieder Fahrt auf. 1758 wurden die Gruben zu den „Combinierten Landsberger Quecksilberwerken“ vereinigt. Deren Bet- und Zechenhaus hat sich am Fuß des Burgbergs erhalten. Es ist ein schlichter eingeschossiger Fachwerkbau. Auf dem Weg zur Burg künden diverse vergitterte Stollen von der Bergbauhistorie, die 1942 endete. Mittlerweile dienen die stillgelegten Stollen acht Fledermausarten als dunkle Wohnstätten. Dies und noch mehr erfährt man auf dem gründlich beschilderten „Geokulturpfad“. Der Rundweg ist etwa zwei Kilometer lang, führt hoch zur Burg und bietet unter anderem ein witzig aufgemachtes Baum-Quiz – ideal für den Familienausflug.
Wegweiser
Die Landsburg oder Moschellandsburg liegt m Nordpfälzer Bergland über dem Ort Obermoschel; sie ist frei zugänglich. Der „Geokulturpfad“ beginnt gegenüber dem Burg-Hotel. Hinter dem Bethaus steht eine unbewirtschaftete Hütte des Pfälzerwaldvereins, daneben gibt es einen kleinen Parkplatz. Info: www.burgverein-obermoschel.de