Pfalz Wie tickt der Corona-Mörder heute?

Mit dem Tankstellenmörder vor Gericht: der Ludwigshafener Rechtsanwalt Alexander Klein, der immer wieder besonders verstörende F
Mit dem Tankstellenmörder vor Gericht: der Ludwigshafener Rechtsanwalt Alexander Klein, der immer wieder besonders verstörende Fälle übernimmt. In Frankenthal verteidigte er zum Beispiel auch den Vater, der 2016 sein eigenes Baby vom Balkon geworfen und so getötet hatte.

Vor einem Jahr begann der Prozess gegen einen Mann, der keine Corona-Maske tragen wollte und deshalb in Idar-Oberstein einen Tankstellen-Kassierer erschossen hatte. Verteidigt hat den Mörder der Pfälzer Anwalt Alexander Klein. Uwe Renners und Christoph Hämmelmann haben ihn gefragt, wie sein Mandant heute über das Verbrechen denkt.

Herr Klein, Ihre Kanzlei ist in Ludwigshafen und damit schon ein Stück weg von Idar-Oberstein. Wie ist der Täter auf Sie als Anwalt gekommen?
Die Polizei hatte nach der Festnahme zunächst einen Pflichtverteidiger verständigt, der auf seiner Homepage mit allen Rechtsgebieten außer Strafrecht wirbt ... Zwei Wochen später habe ich dann einen Brief vom Beschuldigten bekommen. Ich bin ihm wohl im Gefängnis empfohlen worden, das passiert häufig.

Sie verteidigen ja immer wieder Leute, die besonders verstörende Verbrechen begangen haben. Gibt es für Sie Grenzen, wo Sie sagen: Nein, das möchte ich nicht machen?
Dann hätte ich den falschen Beruf. In einem Rechtsstaat differenziere ich nicht, warum Menschen verteidigt werden müssen. Ich sage aber auch: Ich verteidige Täter, keine Taten.

Sie haben dann den Tankstellenmörder als Mandanten akzeptiert – und sich wahrscheinlich gefragt, was sich auch alle anderen gefragt haben: Wie kam es dazu, dass er so eine unfassbare Tat begangen hat?
Gerade das hatte auch mein besonderes Interesse geweckt: das offenbar grobe Missverhältnis zwischen der Anlass und Tat bei einem Täter, der bis dahin unbescholten und völlig gewaltfrei gelebt hatte. So eine Gewalttat steht oft am Ende einer Verkettung ungünstiger Umstände, bei der jemand keinen anderen Ausweg mehr sieht für sich. Das muss von außen gar nicht nachvollziehbar sein.

Und Sie versuchen dann, das für die Richter nachvollziehbar zu machen?
Natürlich ist es immer hilfreich, wenn man Verständnis für das Handeln des Mandanten wecken kann. Das ist auch richtig so, denke ich. Es gibt viele Menschen, die haben es leicht in unserer Gesellschaft. Und es gibt andere, die haben es verdammt schwer. Bei Gericht werden die Schwachen oft härter bestraft als die Wohlhabenden.

Moment – Sie haben gerade tatsächlich gesagt, dass ärmere Menschen eher härter bestraft werden als Menschen, die gut situiert sind?
Man macht den Beruf des Verteidigers ja auch, weil man ein Gerechtigkeitsgefühl mit sich trägt. Nach all den Jahren vor Gericht muss ich sagen: Diejenigen, die in der Gesellschaft am Rand stehen, werden tatsächlich härter bestraft. Nehmen wir Steuerhinterziehung, da geht es ja oft um Millionen. Da sind die Strafen verhältnismäßig gering. Und dann nehmen wir Schwarzfahren mit der Straßenbahn: Ich hatte da mal eine Mandantin, die beim vierten Mal keine Bewährung mehr bekommen hat. Das waren zum Schluss zwei Jahre Gefängnis.

Kommen wir zurück zu unserem Fall, da ging es ja noch einmal um ganz andere Dimensionen ...
Ja, für einen Mord gibt es ohnehin nur die lebenslange Freiheitsstrafe. Aber für die Frage, ob es wirklich ein Mord war, spielt es eine große Rolle, ob jemand aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat. Und da stellt sich dann schon die Frage: Gibt es einen Anlass, der jemanden in irgendwie in nachvollziehbarer Weise dazu gebracht haben könnte, zum Täter zu werden?

Im Podcast-Gespräch: Alexander Klein (rechts) mit den Redakteuren (von links) Christoph Hämmelmann und Uwe Renners.
Im Podcast-Gespräch: Alexander Klein (rechts) mit den Redakteuren (von links) Christoph Hämmelmann und Uwe Renners.

Wir sind ja froh, dass in unserem Rechtsstaat jeder einen Anwalt bekommt und Sie Ihre Arbeit machen. Aber für Opfer oder deren Angehörige ist das wohl schwer nachzuvollziehen. Werden Sie manchmal angefeindet?
Über die E-Mail-Adresse ist man heute ja leicht erreichbar, die steht auf meiner Homepage. In diesem Fall habe ich eine ganze Reihe von Zuschriften „besorgter Bürger“ bekommen. Die waren völlig entsetzt darüber, wie man denn so jemanden verteidigen kann. Ich verstehe jeden, der subjektiv betroffen ist. Dann sieht man die Welt mit anderen Augen. Das würde mir auch so gehen, wenn es um meine eigenen Kinder ginge. Aber deshalb kann ja der Rechtsstaat nicht abgeschafft werden. Ich bin froh, dass es die Todesstrafe bei uns nicht gibt. Wie wir heute wissen, sind da auch viele Urteile an unschuldigen Menschen vollstreckt worden.

Da sind wir uns auch völlig einig, aber die Frage ging ja eher so an Sie persönlich: Wie gehen Sie damit um?
Auch da muss ich sagen: Ich hätte mein Beruf verfehlt, wenn ich damit nicht umgehen könnte. Ich nehme das zur Kenntnis, aber es ist nicht so, dass ich darunter leide.

Im Prozess um den Tankstellenmord hat das Gericht hat Ihren Mandanten zu lebenslanger Haft verurteilt, aber nicht von „besonderer Schwere der Schuld“ gesprochen – obwohl es auch dafür juristische Gründe gegeben hätte. Damit bleibt ihm die Chance auf vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren. Verdankt er die seinem guten Anwalt?
Naja, wir hatten ja sogar auf Totschlag plädiert – weil wir immer mit einer Maximalforderung in den Schlussvortrag gehen. Aber wir wussten natürlich, dass es eher auf Mord hinausläuft. Wichtig war für uns, dass nicht die besondere Schuldschwere festgestellt wird. Dass es dann auch so kam, ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass der Angeklagte Reue gezeigt hat. Er hat sich im Gericht bei der Mutter entschuldigt, das waren berührende Szenen. Dass er im Gefängnis einen Suizidversuch begangen hatte, war ja auch Ausdruck seiner Schuldgefühle.

Bereut er die Tat, weil er jetzt mindestens 15 Jahre im Gefängnis sitzen muss – oder weil er einem Menschen das Leben genommen hat?
Er bedauert, dass er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen könnte. Vielleicht kommt er nach 15 Jahren mit 65 raus, aber das ist nicht sicher und nur der frühestmögliche Zeitpunkt. Und wer weiß, wie alt er wird. Er bereut aber auch die Tat selbst. Er sagt: Ich bin da in eine Richtung abgedriftet, in die ich nie wollte. Das war durchaus glaubhaft für jeden, der den Prozess verfolgt hat.

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Wenn so ein Prozess vorbei ist, bleiben Sie in Kontakt mit dem Mandanten?
Ja, ich hab eben erst wieder einen Brief von ihm bekommen. Ich begleite Mandanten noch lange danach. Weil ich weiß, dass es im Gefängnis schwierig ist – auch wenn man einsichtig ist und und das Urteil letztlich akzeptiert hat. Ich sehe das schon als meine Aufgabe an, auch wenn dann keine Gebühren mehr fällig werden.

Sie haben gesagt: Er sieht ein, dass er sich verrannt hatte. Heißt das, er steht heute anders zur Corona-Politik?
Nein, das ist wäre ja ein Wunder, wenn er jetzt im Gefängnis plötzlich die medizinische Notwendigkeit der Maßnahmen anders beurteilen würde. Er hat dazu halt eine andere Auffassung. Aber er weiß, dass dies kein Menschenleben wert ist.

Das komplette, knapp einstündige Gespräch der Redakteure Uwe Renners und Christoph Hämmelmann mit dem Rechtsanwalt Alexander Klein können Sie im RHEINPFALZ-Podcast „Alles Böse“ anhören. Der Ludwigshafener Jurist erläutert, wie genau sein späterer Mandant beim Mord vorging. Und er erläutert, woher der 50-Jährige die Waffe hatte, mit der er den jungen Tankstellen-Kassierer nach dem Streit um die Maskenpflicht erschoss. Zur aktuellen Folge und weiteren Episoden geht es hier.

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