Podcast „Alles Böse“ Wie die Polizei ans Handy eines Chef-Islamisten kam
Im Juli 2015 gehen bei der Polizei in Mannheim Notrufe ein, die einen unschönen, aber banalen Fall erwarten lassen: Schlägerei auf dem Marktplatz. Doch als die Beamten vor Ort eintreffen, sind die Täter schon weg. Und die Opfer geben sich verschlossen. Schließlich handelt es sich bei ihnen um bundesweit bekannte Islamisten: Ibrahim Abou-Nagie, den Chef der berüchtigten Koranverteiler-Truppe „Lies!“, und zwei seiner wichtigsten Mitstreiter.
Auch in Pfälzer Städten
Deren Gefolgsleute haben seit 2011 mit Ständen in deutschen Fußgängerzonen für ihre radikale Auslegung des Islam geworben. In den Jahren 2012 und 2013 postierten sie sich auch in Pfälzer Städten, ehe sie ab 2014 ihre Aktivitäten in der Region auf regelmäßige Auftritte in Mannheim konzentrierten – bis der Bundesinnenminister Ende 2016 ihrem Treiben deutschlandweit ein Ende setzte, weil sie längst als Rekrutierungsplattform für den islamistischen Terror galten.
Ihr Chef entschwand nach dem Verbot seiner Kampagne ins Ausland. Schließlich drohte ihm Ungemach, weil er Sozialleistungen ergaunert hatte. Doch seinen letzten Auftritt in einem deutschen Gerichtssaal hatte er nicht als Angeklagter, sondern als Zeuge: Im Herbst 2016 wurde einem 23-jährigen Ludwigshafener und einem gleichaltrigen Mannheimer ein Prozess gemacht, in dem es um die Prügel-Attacke auf Abou-Nagie und seine Mitstreiter ging.
Ungeschickt ermittelt
Schließlich waren die beiden jungen Männer überdeutlich auf Fotos zu erkennen, die Passanten kurz nach dem Vorfall gemacht hatten. Allerdings: Genau genommen belegten diese Aufnahmen nur, dass die Angeklagten zusammen mit bis zu 20 weiteren Kurden zur fraglichen Zeit am fraglichen Ort gewesen waren. Offen ließen die Bilder hingegen, wer aus dem Kreis der abgelichteten Personen auch wirklich auf die Islamisten eingeschlagen hatte.
Dass die beiden Angeklagten tatsächlich mitgeprügelt haben sollten, ließ sich daher nur aus Zeugenaussagen herleiten. Doch die hartnäckigen Ludwigshafener Verteidiger der jungen Männer deckten nach und nach auf: Die Mannheimer Ermittler waren bei ihren Vernehmungen der Passanten sowie der Islamisten ungeschickt vorgegangen und hatten möglicherweise deren Berichte so weit verfälscht, dass sie nun nicht mehr als verlässlich gelten konnten.
Anmerkung im Zeugenstand
Und dann ließ der Chef-Islamist im Zeugenstand nebenbei eine verräterische Bemerkung fallen, die befürchten ließ: Möglicherweise hatte er seinen Mitstreitern Bildmaterial zu dem Vorfall geschickt, sie damit für ihre Aussagen präpariert und so deren Ergebnis erst recht manipuliert. Um diesen Verdacht nachprüfen zu können, ließ die Richterin schließlich Abou-Nagies Handy einkassieren und anschließend in aller Ruhe von der Polizei durchforsten.
Im Gespräch mit seinem stellvertretenden Chefredakteur Uwe Renners erzählt der RHEINPFALZ-Gerichtsreporter Christoph Hämmelmann nun, wie der Prozess für die beiden Angeklagten ausging. Und er erläutert, inwieweit findige Ermittler bei der Durchsicht der Dateien aus dem Handy des Chef-Islamisten auf mehr achten durften als nur auf Fotos von einer Prügelei mit etwa 20 Kurden auf dem Mannheimer Marktplatz.
Abrufbar ist „Alles Böse“ im Webplayer auf rheinpfalz.de sowie auf gängigen Plattformen wie Spotify, Google Podcasts, Apple Podcasts oder Castbox. Ebenso kostenlos wie die neue Folge des journalistischen Formats zum Hören sind dort auch deren Vorgänger verfügbar. Die beschäftigen sich zum Beispiel mit einem Frankenthaler, der im Drogenrausch sein eigenes Baby vom Balkon in den Tod stürzen ließ. Und mit einem Mann, der Frauen mit wahnwitzigen Geld-Versprechen ins Bett lockte.