Podcast „Alles Böse“ Hitlers Hengste: Ihre Pfalz-Geschichte wird mit ausgestellt
Bestens gesichert sollten Hitlers jeweils anderthalb Tonnen schwere Bronzegäule ihre bislang letzte Reise antreten. Die führte sie im Mai 2015 von Bad Dürkheim in eine Lagerhalle der Bundespolizei in Bad Bergzabern – eine Fahrt, für die eine Truppe des Technischen Hilfswerks (THW) aus Neustadt die beiden Statuen mit dem Autokran auf einen Tieflader wuchtete und sorgfältig festzurrte. Doch ausgerechnet die dafür verwendeten Spanngurte hinterließen Spuren: Wo sie sich um die Pferdeleiber schlangen, rubbelten sie deren Patina ab.
Einschusslöcher und Zersäge-Spuren
Unter Kunstkennern gilt so etwas durchaus als Beschädigung. Denn dass sich die Oberfläche durch die Verwitterung allmählich verändern würde, war vom Künstler bei der Gestaltung seines Werks vorab einkalkuliert. Die von Joseph Thorak geschaffenen Bronze-Pferde allerdings waren auch schon vor dem THW-Einsatz nicht mehr makellos: Deutlich sichtbar sind mehrere Einschusslöcher. Wer die Statuen genauer untersucht, kann zudem erkennen: Sie sind schon einmal zersägt und dann wieder zusammengesetzt worden.
Dabei hatten die Nazis 1943 noch versucht, die Rösser vor den Kriegsgefahren zu retten: Sie mussten ihren prominenten Standort vor der Gartenfront von Hitlers Berliner Amtssitz verlassen, wurden aufs Land gebracht. Später dekorierte die Sowjet-Armee mit den Pferden und weiteren großen Statuen aus Reichskanzlei-Beständen einen Kasernen-Sportplatz im brandenburgischen Eberswalde, wo die Kunstwerke mit Goldfarbe bepinselt und in eine kommunistische Propaganda-Installation eingebaut wurden.
Über die Grenze geschmuggelt
1988 allerdings waren die Statuen auf einmal verschwunden. Sie galten als verschollen, bis Berliner Kunstfahnder sie 2015 bei einem wohlhabenden Ex-Unternehmer in Bad Dürkheim entdeckten und die Kurstadt so weltweit in die Schlagzeilen brachten. Mittlerweile ist klar: Der Pfälzer muss einst vom brandenburgischen NS-Kunsthort der Sowjet-Armee erfahren haben. Weshalb er Mittelsmänner losschickte, die Statuen zersägen, über die innerdeutsche Grenze schmuggeln und dann wieder zusammensetzen ließ.
Nach der Entdeckung 2015 wollte der Sammler das als legales Geschäft verstanden wissen. Er habe von den Russen Kunstwerke gekauft und sie so vor der drohenden Verschrottung gerettet. Die Strafverfolger hingegen gingen davon aus, dass er sich unrechtmäßig deutsches Staatseigentum unter den Nagel gerissen, mithin wohl der Hehlerei schuldig gemacht hatte. Doch das Ermittlungsverfahren gegen ihm mussten sie schließlich einstellen. Denn: Falls er sich strafbar gemacht haben sollte, war die Sache mittlerweile verjährt.
Streit um Eigentums-Rechte
Wem die Werke nun eigentlich gehören, war damit aber noch offen. Der Streit zwischen dem Pfälzer und der Bundesrepublik endete erst im Sommer 2021: Der Ex-Unternehmer darf meisten seiner Statuen behalten, nur die beiden Pferde gibt er ab. Ertrotzt hat er sich diesen Kompromiss laut Bundeskunstverwaltung mit einer steilen These: Möglicherweise gehe es ja nur um Kopien jener Exemplare, die in Berlin standen – womit sie nicht unbedingt dem Deutschen Reich gehört hätten und auch kein Bundeseigentum geworden wären.
Urte Evert, die Chefin des Museums in der Berliner Zitadelle Spandau, geht allerdings sehr wohl davon aus, dass es sich bei den zwei Thorak-Pferden um die Exemplare aus dem Reichskanzlei-Bestand handelt. Sie wird nun die beiden Statuen in ihre Dauerausstellung „Enthüllt – Berlin und seine Denkmäle“ integrieren. Gezeigt werden sie aber erst in einigen Monaten: Weil sie so groß sind, muss in der Renaissance-Festung für sie zunächst umgebaut werden. Weshalb auch noch offen ist, wie genau sie präsentiert werden.
Lichtstrahlen aus Einschusslöchern
Klar ist aber: Evert will die Pferde nicht in erster Linie als bewundernswerte Kunstwerke ausstellen, sondern als Relikte der bewegten deutschen Vergangenheit. Weshalb Besucher auch darüber informiert werden sollen, was das Sowjet-Militär mit den Statuen machte. Und wie sie dann ein wohlhabender Pfälzer mit einem Faible für NS-Kunst in seiner Bad Dürkheimer Lagerhalle verschwinden ließ. Dass die Figuren nicht mehr makellos sind, ist der Museumschefin daher gerade recht. Die Schäden betrachtet sie eher als „Spuren der neueren und neusten Geschichte“.
Und die sollen entsprechend herausgestellt werden: etwa mit Lichtspots, die aus dem Inneren der Statuen heraus die Einschusslöcher aufleuchten lassen. Und auch die von den Spanngurten des Neustadter THW-Trupps zurückgebliebenen Rubbel-Spuren an der Patina werden nicht etwa kaschiert, sondern besonders deutlich gezeigt werden. Evert erläutert: „Das Konzept der Ausstellung beinhaltet kein ,Wiederschönmachen’ und Rekonstruieren, nur das Verhindern weiterer Zerstörung oder Verrottung.“
Um die spektakuläre Entdeckung der Hitler-Hengste und weiterer verschollener Kunstwerke aus der Reichskanzlei geht es auch in der neuen Folge des RHEINPFALZ-Podcasts „Alles Böse“. Im Gespräch mit dem stellvertretenden Chefredakteur Uwe Renners berichtet der Gerichtsreporter Christoph Hämmelmann zum Beispiel, was er über ebenfalls bei dem Bad Dürkheimer entdeckte tonnenschwere Granit-Friesstücke herausgefunden hat. Abrufbar ist „Alles Böse“ im Webplayer sowie auf gängigen Plattformen wie Spotify, Google Podcasts, Apple Podcasts oder Castbox. Ebenso kostenlos wie die aktuellen Folgen des journalistischen Formats zum Hören sind dort auch deren Vorgänger verfügbar. Die beschäftigen sich zum Beispiel mit einem Frankenthaler, der sein eigenes Baby ermordete.