Saarbrücken/Blieskastel Freibier in Gefahr: Beigeordnete soll abgewählt werden
Da stand das Ding und drin waren rund 400.000 Euro in bar: Bei einer Hausdurchsuchung hatten Ermittler beim Geschäftsführer einer Tochterfirma der Stadt Saarbrücken einen Koffer voller Geld gefunden – in dessen Privathaus auf dem Dachboden.
Der Geschäftsführer ist zuständig für den Umbau des Ludwigparkstadions Saarbrücken. Und die Staatsanwaltschaft hegt den Verdacht, dass ein Unternehmer, der den Zuschlag für den Stadionumbau erhielt, den Geldkoffer als kleines Dankeschön hinterließ. Erwiesen ist das nicht, aber so gut wie erwiesen ist, dass der Unternehmer auch den Sportwagen des Geschäftsführers über den Tüv brachte. Kleine Gefälligkeit.
Dienstwagen für die Familie
Um andere Gefälligkeiten geht es bei der Handwerkskammer. Die soll zugelassen haben, dass Familienmitglieder ihres Präsidenten dessen Dienstwagen fahren. Aufträge sollen ohne Ausschreibung an die Firmen von Präsidiumsmitgliedern gegangen sein. Kleine Gefälligkeiten? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
In Blieskastel wird alljährlich ein großes Volksfest gefeiert: das Webenheimer Bauernfest. Die Karusselle drehen sich, im Bierzelt geht’s hoch her. Damit sich auch die Mitarbeiter der Stadtverwaltung vergnügen können, erhält jeder, der mag, drei Bons: für ein Essen, für ein alkoholfreies Getränk und für ein Bier. Auf Kosten der Stadtkasse. „Hauptsach’ gut gess“ – auf Kosten des Steuerzahlers.
Essen- und Freibierbons für tausend Euro in der Tasche
Die drei Bons gibt’s auch für jedes Mitglied des Stadtrats. Der Bürgermeister kriegt zudem noch Bons für die Hosentasche. Die kann er nach Belieben verteilen. Zu Zeiten von Bürgermeisterin Annelie Faber-Wegener (CDU) lag die Obergrenze für diese persönlichen Verfügungsbons bei 100 Euro. Der neue Bürgermeister Bernd Hertzler (60, SPD) steckte sich beim Bauernfest 2022 Bons für knapp tausend Euro in die Tasche und brachte sie unters Volk, auch unters Parteivolk.
Abzeichnen sollte das Ganze hinterher die Beigeordnete der Stadt, Lisa Becker (33, Grüne): Bons für 3000 Euro für Bürgermeister, Stadträte und Verwaltungsmitarbeiter. Der Juristin kam das üppig vor, vor allem die tausend Euro für die Bons des Bürgermeisters – und sie riet ihm, die Summe aus eigener Tasche zu zahlen.
Für den Bürgermeister war damit das Vertrauen zu seiner Beigeordneten zerbrochen. Seine Bedenken ihn Bezug auf ihre Loyalität hätten sich verstärkt. Er ließ Lisa Becker die Zuständigkeit für Ordnung, Kultur und Tourismus entziehen. Die Stadtratskoalition zwischen SPD und Grünen platzte, weil ein Grüner den Bürgermeister „Flachzange“ nannte. Schließlich betrieb der Bürgermeister die Abwahl Beckers.
Nur mit den Stimmen der AfD
Dazu bedarf es einer Zweidrittelmehrheit bei zwei zeitversetzten Wahlgängen. Bei der ersten Abstimmung des Stadtrats im November kam diese Zweidrittelmehrheit zustande: Alle Räte der SPD stimmten für die Abwahl, dazu Räte von CDU, FDP – aber ohne die drei Stimmen der AfD hätte es nicht gereicht.
Für die SPD-Landesvorsitzende und Ministerpräsidentin Anke Rehlinger war damit eine rote Linie überschritten. „Die AfD darf nicht das Zünglein an der Waage sein. Es kann nur eine demokratische Mehrheit ohne AfD geben, das ist unbestrittene sozialdemokratische Haltung.“
Machtwort Rehlingers: na und?
Wer nun gedacht hätte, die SPD Blieskastel würde das Wort Rehlingers als Machtwort akzeptieren, sieht sich getäuscht. Die Blieskasteler Genossen ließen wissen, dass es ihre Sache sei, wie sie abstimmen. Einmischung von außen unerwünscht. Am Donnerstagabend wird zum zweiten Mal abgestimmt. Ergebnis offen. Aber eins ist klar: Wenn Freibier in Gefahr ist, versteht der Saarländer keinen Spaß.