Podcast „Alles Böse“ Doppelmord in der Südpfalz: Die Spur zu einem Serientäter
Der zweite Prozess endet für den Maurermeister aus der Südpfalz im Frühjahr 1986 mit einem Freispruch, doch das Misstrauen ihm gegenüber bleibt. Schließlich sagen die Landauer Richter: Es bestehen „weiterhin gegen ihn sprechende beachtliche Verdachtsmomente“. Nur: Sie reichen nicht, um den angeblichen Hellseher mit letzter Sicherheit als denjenigen zu überführen, der im Juli 1981 bei Bellheim (Kreis Germersheim) zwei Teenager-Mädchen umgebracht hat. Obwohl ihn die Justiz in einem ersten Verfahren schon einmal schuldig sprach.
Verräterische Plauderei
Wegen Zweifach-Totschlags bei verminderter Schuldfähigkeit sollte er gut elf Jahre Haft verbüßen und anschließen auf unbestimmte Zeit in der Psychiatrie festgehalten werden. Denn der Mittvierziger hatte sich in den Monaten nach dem Verbrechen selbst verdächtig gemacht. Indem er behauptete: Dank seiner hellseherischen Fähigkeiten wisse er, wer die zwei Opfer umgebracht hat. Doch wenn er über den oder die angeblichen Täter sprach, dann klang das oft so, als beschreibe er sich selbst. Und nach seiner Festnahme schien er sich endgültig verplappert zu haben.
Ein Mithäftling aus dem Gefängnis in Frankenthal berichtete der Polizei: Der Maurermeister habe mit ihm über das Verbrechen gesprochen, dabei markante Verletzungen der Opfer erwähnt. Und die gab es an einer der Leichen tatsächlich, doch darüber war nie öffentlich berichtet worden. Weshalb davon neben dem engsten Ermittlerkreis eigentlich nur einer wissen konnte: der Täter. Im zweiten Prozess allerdings fanden die Richter heraus: Der Südpfälzer hatte schon vor dem vermeintlich so verräterischen Gespräch einen ersten Besuch von einem Anwalt bekommen.
Doch kein Täterwissen
Der wiederum wusste aus den Akten von markanten, aber geheimgehaltenen Verletzungen an einer der Leichen – und hatte seinen Mandanten wohl auch darauf angesprochen. Womit dessen vermeintliches Täterwissen doch nicht als schlagender Beweis gegen ihn taugte. Und der Mauermeister im zweiten Anlauf den Freispruch bekam, der rechtskräftig geworden ist. Das bedeutet: Er hätte sogar dann Bestand gehabt, wenn gegen den – mittlerweile allerdings verstorbenen – Südpfälzer noch neue und wirklich nicht mehr zu entkräftende Beweise gefunden worden wären.
Tatsächlich hat die Ludwigshafener Mordkommission die im Zusammenhang mit dem Fall sichergestellten Gegenstände im Jahr 2002 wieder untersuchen lassen: mit der da noch recht neuen DNA-Analysetechnik, durch die andere ungelöste Altfälle selbst nach Jahrzehnten doch noch aufgeklärt worden sind. Zum Bellheimer Doppelmord allerdings, sagen die Kriminalisten, brachten die Erbgut-Untersuchungen „keine neuen Erkenntnisse“. Dafür hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal eine neue mögliche Spur aufgetan, und die führt nach Lüneburg.
Bruder ermittelt selbst
Dort verschwindet 1989 eine Fotografin, die Ermittlungen verlaufen zunächst im Sande. Vier Jahre später allerdings rückt die Polizei doch noch zur Hausdurchsuchung bei einem Verdächtigen an: dem Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann, der vor der Razzia flieht, aber schnell gefasst wird. Und sich im Gefängnis umbringt, weshalb die Strafverfolger den Fall zu den Akten legen. Doch der Bruder der Verschollenen will sich damit nicht abfinden: Nach seiner Pensionierung ermittelt der Ex-Kriminalbeamte jahrelang auf eigene Faust, und am Ende hat er Erfolg.
2017 erlauben ihm die neuen Besitzer des früheren Wichmann-Anwesens, ihr Grundstück zu untersuchen. Woraufhin er den Beton-Boden der Garage aufstemmen lässt – und die sterblichen Überreste seiner Schwester findet. Anschließend wird das ganze Areal umfassend untersucht, mit schaurigem Ergebnis: Die Ermittler finden jede Menge Gegenstände, die Wichmann dort vergraben hat: Handtaschen, Schmuckstücke, Schuhe, Waffen, Geldbeutel, Schlüssel ... Mittlerweile ist sich die Polizei sicher, dass der Friedhofsgärtner nicht nur die Fotografin auf dem Gewissen hat.
Verbindung in den Südwesten
Er muss auch der Täter gewesen sein, der 1989 im niedersächsischen Staatsforst Göhrde kurz hintereinander zwei Paare getötet hat. Und er könnte Hunderte weitere Verbrechen begangen haben – auch in der Südpfalz. Immerhin hat er in den 1970er-Jahren für eine Weile in Karlsruhe gewohnt. Und als er 1993 vor der Polizei floh, führte ihn sein Weg wieder in den Südwesten: Gefasst wurde er damals in der Nähe von Heilbronn. Also haben die Ludwigshafener Ermittler mittlerweile mit ihren Lüneburger Kollegen über den Fall der beiden bei Bellheim ermordeten Teenager gesprochen.
Ergebnis laut Polizei-Sprecher: Es gibt zwar keine konkreten Belege dafür, dass Wichmann sie getötet hat. Aber „gänzlich ausschließen“ lässt es sich trotzdem nicht.
Noch mehr Informationen über den Freispruch für den Südpfälzer und die neue Spur zum Serienmörder aus Lüneburg gibt es in der neuesten Folge des RHEINPFALZ-Podcasts „Alles Böse“ mit dem stellvertretenden Chefredakteur Uwe Renners und dem Gerichtsreporter Christoph Hämmelmann. Auch in den zwei vorangegangenen Beiträgen haben sich die Journalisten schon mit dem Verbrechen aus dem Jahr 1981 beschäftigt: Im ersten Teil beschreiben sie, wie die beiden Opfer ihren letzten Abend verbracht haben, was ihnen dann angetan wurde und wie die Polizei auf den Maurermeister als mutmaßlichen Täter kam. Und im zweiten Teil geht es um den ersten Prozess, der für den Südpfälzer mit einem Schuldspruch endete. Kostenlos abrufbar ist „Alles Böse“ im Webplayer auf rheinpfalz.de sowie auf gängigen Plattformen wie Spotify, Google Podcasts, Apple Podcasts oder Castbox.