Südpfalz Deutsch-französische Grenze: Darf ich da durch?

So nah und doch zurzeit fast nicht erreichbar.
So nah und doch zurzeit fast nicht erreichbar.

Seit etwa zwei Wochen dürfen elsässische Berufspendler in Deutschland tanken und einkaufen. Viele Leute rechts und links der Grenze wissen das noch gar nicht. Genauso wenig kennen sie kleine Erleichterungen, die vor einer Woche eingeführt wurden. Am Ende liegt Vieles im Ermessen der Beamten an der Grenze. Über einen Alltag in maximaler Unsicherheit.

Lassen die mich rüber? Das ist die Frage aller Fragen für Menschen, die auf der einen oder anderen Seite der deutsch-französischen Grenze wohnen. Menschen, deren Alltag weder ins „hiwwe“ noch ins „driwwe“ allein passt. Und die viel Zeit damit verplempern herauszubekommen, was sie eigentlich dürfen. Das ändert sich nämlich oft, ohne dass sie davon erfahren.

Deutsche, die auf Supermarktplätzen Autos mit französischen Kennzeichen zerkratzen, wissen ganz offensichtlich nicht, dass Berufspendler in Rheinland-Pfalz seit etwa zwei Wochen auf dem Weg von der Arbeit tanken und einkaufen dürfen. Die Änderung versteckte sich in einer neuen Corona-Verordnung des Landes. Aber aufgepasst: Wer nicht in die Pfalz, sondern nach Karlsruhe zum Arbeiten einpendelt, der darf weiter nicht einkaufen. Baden-Württemberg hält nämlich am Einkaufsverbot fest. Ziemlich verwirrend.

„Triftige Gründe“ für die Einreise

Auch das Bundesinnenministerium hat kürzlich eher diskret eine neue „Weisungslage“ an die Bundespolizei gegeben, die seit einer Woche gilt. Wer nicht extra anfragte, hat es nicht bemerkt. Es geht um „triftige Gründe“ für die Einreise, eine klassische Gummi-Regel, die von den Beamten am Schlagbaum ausgelegt werden muss. Klargestellt ist nun folgendes: Man darf nach Deutschland, um den dort wohnenden Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner zu besuchen. Man darf kommen, um der Partnerin bei einer Geburt beizustehen oder wenn man für ein in Deutschland lebendes Kind das Umgangsrecht hat. Und man darf zur Beerdigung des Ehegatten, Kindes, Enkels, der Eltern, Großeltern oder Geschwister.

Was Menschen an der Grenze aufreibt, sind nicht nur die Verbote, sondern auch die Unklarheiten. „Selbst Fachleute wissen oft nicht, was gerade gilt“, erzählt die Psychologin Irmtraud Roux, die als Gutachterin für diverse Gerichte auch mit grenzüberschreitenden Sorgerechtsstreitigkeiten zu tun hat. Roux ist selbst Grenzgängerin: Sie betreibt eine Praxis in Landau und wohnt im Elsass.

Attest beim Hausarzt besorgen

Was gilt? Mehr als 100 individuelle Bitten um Rat haben die Infobest-Beratungsstellen des Pamina-Raums schon bearbeitet, und neben Fragen zu Kurzarbeit oder zu Sozialleistungen hören sie besonders oft die Frage, wie man kranke oder gebrechliche Eltern auf der anderen Seite der Grenze weiter unterstützen kann, sagt eine Sprecherin. Der Rat lautet dann, ein Attest des Hausarztes zu besorgen, den man den Beamten an der Grenze zeigen kann. „Die Leute erzählen, wie unsicher sie sich fühlen“, sagt die Sprecherin. „Sie berichten: Mal klappt’s an der Grenze, mal nicht.“

Genau das hört man von Weißenburgern und deren Angehörigen. So manche Berufspendler müssen im Moment daheim bleiben – weil der deutsche Betrieb, für den sie arbeiten, noch geschlossen ist oder weil er sie aus Angst vor Ansteckungsgefahr von der Arbeit freistellt. Sie haben also keine Berufspendlerbescheinigung. Als deutsche Arbeitnehmer haben sie aber ein deutsches Bankkonto und heben normalerweise in Schweigen ihr Geld ab. „Die haben mich nicht rübergelassen“, erzählt eine in Weißenburg lebende Deutsche über ihren Versuch, an den Geldautomaten zu kommen. Mit ihrer deutschen Kreditkarte muss sie nun an französischen Automaten Geld holen und zahlt jedes Mal Gebühren. Was sie ärgert: Eine Bekannte durfte zu genau dem gleichen Zweck mal kurz über die Grenze. „Wir sind wieder soweit“, schimpft sie: „Es kommt darauf an, ob dem Grenzer meine Nase passt.“

Es geht um Gesundheitsschutz

Hinter vorgehaltener Hand raunen sich die Elsässer zu: Glücklich können sich die nicht wenigen Deutschen schätzen, die seit Jahren im Elsass leben, aber vorschriftswidrig nie ihr Auto umgemeldet haben. Mit deutschem Nummernschild werden sie an der Grenze eher durchgewunken.

Wann darf man rüber, wann nicht? Christian Altenhofen, Pressesprecher der Bundespolizeidirektion Koblenz, wirbt um Verständnis. Immerhin gehe es um Gesundheitsschutz. Ob triftige Gründe für den Grenzübertritt bestehen, müsse nun mal der Beamte vor Ort entscheiden. Jeder Fall sei anders gelagert, und es gebe eben auch Leute, die Geschichten erfinden, um über die Grenze zu kommen. Die Polizisten prüften aber „wohlwollend“, versichert er.

So bleibt für viele Elsässer schlicht Unsicherheit. Darf statt dem Sohn der kranken Mutter auch mal die Schwiegertochter grenzüberschreitend zur Pflege einspringen? Tja ... Wenn der Beamte an der Grenze wohlwollend ist.

„Wir werden angesehen wie Aussätzige“, ärgert sich ein Weißenburger Berufspendler, der beim Tanken in Deutschland eine böse Bemerkung kassierte. Aber wie „aussätzig“ sind die Elsässer eigentlich, die das französische Gesundheitsministerium am Donnerstag herausgab, ist das Nordelsass rot eingefärbt – also Risikogebiet. Das liegt aber nicht an den Ansteckungszahlen; die sind derzeit niedrig und stehen auf Grün. Es liegt am zweiten Einstufungskriterium der Pariser Regierung: Die Belegungsquote von Intensivbetten in Krankenhäusern ist im Elsass immer noch zu hoch.

 

Tipp

Tägliche Informationen über die Situation rechts und links der Grenze gibt der Eurodistrikt Pamina heraus. Zweisprachig unter www.eurodistrict-pamina.eu

 

 

Info

Deutsche, die in Frankreich mal eben ein Baguette kaufen oder Freunde besuchen wollen, müssen das verschieben: Auch zur Einreise nach Frankreich braucht es einen triftigen Grund. Dazu zählen zum Beispiel ein französischer Wohnsitz, die Anreise zur Arbeitsstelle oder eine wichtige Lieferung.

 

Wer nach Frankreich einreist, braucht drei Dokumente: Seinen Personalausweis, eine internationale Einreisebescheinigung und den Passierschein für die Ausgangssperre, den auch alle Franzosen mit sich führen müssen, wenn sie außer Haus gehen. Formulare findet man auf

www.infobest.eu

www.eurodistrict-pamina.eu

www.interieur.gouv.fr kwi

 

 

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