Panorama Stimme der Hoffnung

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London. Den Weltrekord, als älteste Sängerin noch einmal ein Musikalbum zu veröffentlichen und es damit in die Charts zu schaffen, hatte sie schon mit schlappen 92 Jahren errungen. Jetzt setzt Vera Lynn mit 100 noch eins drauf.

Zu ihrem heutigen Geburtstag hat die Engländerin ein Album herausgebracht, das passend „Vera Lynn 100“ heißt und ihre größten Hits enthält. Der „Liebling der Truppen“, wie ihr Spitzname und inoffizieller Adelstitel heißt, wird heute auch mit einer besonderen Aktion geehrt: Nach Sonnenuntergang wird Vera Lynns Bild übergroß auf die weißen Klippen an der Kanalküste projiziert – war doch ihr Lied „The White Cliffs of Dover“ ein Klassiker zu Kriegszeiten, der Tausenden von britischen Soldaten Hoffnung machte, nach den Kämpfen ihre Heimat wiederzusehen. Für die Briten verkörpert die alte Dame wie keine andere den nationalen Widerstandsgeist im Zweiten Weltkrieg. Vera Lynn brachte es aus bescheidenen Anfängen nach ganz oben. Die Klempnerstochter aus dem Arbeiterviertel East Ham im Osten Londons, die 1975 von Queen Elizabeth II. in den Adelstand erhoben wurde, begann ihre Karriere schon im zarten Alter von sieben Jahren. Ihre Mutter nahm sie zu den Arbeiterclubs im East End mit, um dort zu singen. „Ich habe das zuerst nicht gemocht“, erinnert sich Lynn, „ich war ein bisschen scheu und nervös. Ich gewöhnte mich allmählich daran.“ Und dann wurde Showbusiness ihr Leben. Mit elf Jahren nahm sie den Künstlernamen Lynn von ihrer Oma mütterlicherseits an, tourte mit Tanzbands und hatte ihren ersten Radioauftritt 1935. Vier Jahre später stieß sie auf einen Song, der ihr Leben ändern sollte. „We’ll Meet Again“, wir werden uns wiedersehen, wurde zu einem der berühmtesten Lieder der Ära. Vera Lynn spielte es im September 1939 ein, in dem Monat, als der Zweite Weltkrieg begann. „Es war der perfekte Song für die Zeit“, erinnert sich Lynn. „Es mag jungen Leuten heute harmlos vorkommen, aber für uns hat es viel bedeutet.“ „We’ll Meet Again“ mit seinem optimistischen Versprechen, sich dereinst „an einem sonnigen Tag“ wiederzusehen, hat Tausende Soldaten die Kriegsschrecken ertragen lassen. Eine Parallele hat das Lied in Thematik und Erfolg in „Lili Marleen“, das von Lale Andersen ebenfalls 1939 eingespielt wurde und zum ersten deutschen Millionenseller wurde. Vera Lynn wurde mit diesem Lied zur Stimme der Hoffnung. Bis heute rührt „We’ll Meet Again“ britische Soldaten und ihre Angehörigen. Ihr Erfolg mit weiteren Schlagern („There’ll Always Be an England“, „A Nightingale Sang in Berkeley Square“) katapultierte sie schnell in die Position der beliebtesten englischen Sängerin ihrer Zeit. Sie moderierte die Radioshow „Sincerely Yours“, in der sie Nachrichten und Grüße an Soldaten verlas und vom Publikum gewünschte Lieder sang. Als Lynn in den 40ern die britischen Truppen in Ägypten, Indien und vor allem in Burma besuchte, erreichte sie endgültig Heldenstatus. Keine andere Sängerin vor ihr hatte die Strapazen eines monatelangen Frontbesuchs in Übersee auf sich genommen, um die Moral „unserer Jungs“ zu stärken. Der Komiker Harry Secombe, selbst ein Kriegsveteran, meinte es nicht völlig als einen Witz, als er sagte: „Nicht Churchill hat die Nazis besiegt. Vera hat sie zu Tode gesungen.“ Nach dem Krieg hat Vera Lynn nur einmal an ihre Erfolge anknüpfen können – das war 1952, als ihre Coverversion von „Auf Wiedersehn, Sweetheart“ nicht nur ein Hit in England, sondern auch als erster ausländischer Schlager die Nummer eins der US-amerikanischen Charts wurde. Mit einem Album, das ihre größten Hits versammelte, kletterte sie 2009 noch einmal auf die Spitzenposition der britischen Albumcharts und war mit 92 Jahren die älteste lebende Sängerin, die unter den Top 20 gelistet wurde. Jetzt hoffen ihre Fans, dass sie mit ihrem neusten Album sich selbst noch einmal übertreffen kann.

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