Spanien Sexuelle Übergriffe auf Mallorca: Insel der Exzesse
Es fängt meistens in bester Partylaune an: Urlauber und Urlauberinnen kommen auf Mallorca ins Gespräch. Am Strand, im Biergarten, in einer Bar oder Diskothek. Es wird zusammen getrunken, gelacht und gefeiert. Doch irgendwann, meist zu vorgerückter Stunde, kippt die gute Stimmung um: Das anfangs so nette Zusammensein gerät außer Kontrolle und endet mit Vorwürfen der sexuellen Gewalt.
Die Anzahl der Anzeigen wegen Sexattacken in den Party-Hochburgen Mallorcas steigt seit Jahren kontinuierlich. Im vergangenen Jahr wurden auf den Balearischen Inseln 111 Vergewaltigungen angezeigt. Wobei die Polizei von einer hohen Dunkelziffer ausgeht. 2019, also vor der Pandemie, waren es 89. Nirgendwo in Spanien verzeichnet die Kriminalstatistik pro 10.000 Einwohner so viele Sexualstraftaten wie auf Mallorca.
Vergewaltigungen in Hotelzimmern
Zuletzt machten auch mehrere mutmaßliche Gruppenvergewaltigungen Schlagzeilen. So sitzen fünf Deutsche seit über einem Monat in Untersuchungshaft, weil sie an der „Ballermann“-Partymeile Playa de Palma eine 18-jährige deutsche Touristin missbraucht haben sollen. Wenig später wurden sieben Franzosen und ein Schweizer verhaftet, weil sie in Magaluf eine junge britische Urlauberin nach einer Partynacht vergewaltigt haben sollen.
In beiden Fällen haben sich die jungen Frauen und die Männer in der Nacht beim Feiern kennengelernt. Die mutmaßlichen Vergewaltigungen fanden in Hotelzimmern statt. Auf den Handys einiger Männer fanden sich Videos vom Sex. Und die Beschuldigten sagen, dass der Sex einvernehmlich stattgefunden habe.
Trinklieder heizen die Stimmung zusätzlich an
So ähnlich lesen sich die Polizeiprotokolle auch in vielen anderen Fällen, in die manchmal auch Prominente verwickelt sind. Etwa Lukas Kwasniok, der Trainer des deutschen Fußball-Zweitligisten SC Paderborn, der Ende Mai vorübergehend festgenommen wurde. Der 42-Jährige war von einer Urlauberin wegen eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs angezeigt worden. Oder der deutsche Fußballprofi Atakan Karazor, der beim VfB Stuttgart spielt. Er verbrachte im Juni und Juli 2022 sechs Wochen in U-Haft auf Mallorcas Nachbarinsel Ibiza. Auch gegen den 26-Jährigen läuft ein Verfahren, weil eine 18-Jährige aussagte, sie sei nach einer Partynacht von ihm missbraucht worden.
Sowohl Kwasniok als auch Karazor bestreiten die gegen sie erhobenen Missbrauchsvorwürfe. Beide konnten wieder in die Heimat reisen, um den Ausgang ihrer Verfahren abzuwarten. Und das kann Jahre dauern, denn die spanische Justiz ist hoffnungslos überlastet.
Experten machen allerdings auch darauf aufmerksam, dass die meisten Sexualstraftaten in der touristischen Hochsaison von Mai bis Oktober gemeldet werden. „Drogen und Alkohol wirken dabei oft als Beschleuniger“, schreibt die Inselzeitung „Ultima Hora“. Auch schlüpfrige Trinklieder heizen die Stimmung auf fragwürdige Weise an. Wie etwa der „Ballermann“-Hit „Bumsbar“, in dem der Refrain gegrölt wird: „Heute sind wir wieder bumsbar. Geile Mädels, geile Jungs da.“
„Wie Oktoberfest und Karneval zusammen“
Immer mehr Berichte über Gewalt, Sexskandale und andere Auswüchse in den Partyzonen – gerät die Lage außer Kontrolle? Francisco Javier Santos, Chef der Nationalpolizei an der Playa de Palma, beruhigt: „Spanien ist ein sicheres Land.“ Aber richtig sei, dass der „Tourismus der Exzesse“ auch Diebstähle, Prügeleien und eben auch Sexualstraftaten mit sich bringe, sagte er in einem Interview.
So schlimm wie diesen Sommer war es allerdings noch nie, klagen Gastronomen, Hoteliers und Anwohner. Die „Mallorca Zeitung“ schreibt von „unappetitlichen Vorfällen am mit volltrunkenen Deutschen nur so strotzenden Ballermann“. Pedro Marín, Chef der örtlichen Hotelvereinigung, sagt: „Das ist hier wie Oktoberfest und Karneval zusammen.“ Marín fordert die Behörden auf, endlich hart durchzugreifen.
In Sachen Sexualstraftaten geschieht das in Spanien allerdings bereits. Nach der jüngsten Strafrechtsreform können alle sexuellen Handlungen, die nicht ausdrücklich von der anderen Person gebilligt werden, als Aggression oder Vergewaltigung gewertet werden. Schweigen oder das Fehlen von Gegenwehr gelten nicht länger als mildernder Umstand für die Täter. Für Vergewaltigung drohen bis zu zwölf Jahre Gefängnis, für Gruppenvergewaltigung sogar 15 Jahre.
Lesen Sie auch: Boom auf Mallorca: Keine Angst vor hohen Preisen