Italien Plötzlich Prinzessin: Allgäuerin wird neue Regentin von selbst ernanntem Fürstentum
Das Reich der Prinzessin liegt malerisch auf einem Berg hoch über der italienischen Riviera. Nina Menegatto führt stolz durch die Gassen von Seborga – einem Dorf, das sich selbst zum Kleinstaat erklärt hat. Im November wählten die rund 300 Einwohner die aus Kempten stammende 41-Jährige zur neuen Regentin. Am 20. August soll die Allgäuerin gekrönt werden.
Dokumente aus dem 18. Jahrhundert belegten, dass Seborga nie rechtmäßig der italienischen Staatsmacht unterstellt worden sei, behaupten die Verfechter des Ministaates. Historiker bestreiten das, die italienische Regierung lässt die Dörfler in Ligurien aber erst einmal gewähren.
Wie im Märchen
„Alle kleinen Mädchen träumen davon, Prinzessin zu sein. Es ist wie im Märchen“, sagt Menegatto. Sie ist die erste Frau an der Spitze des Ministaates. 14 Jahre lang hielt ihr Ex-Mann das Zepter in der Hand. Mit ihrem Baby im Tragetuch besucht Menegatto ihre Untertanen. Wenn sie nicht mit ihren Pflichten beschäftigt ist, leitet sie eine Immobilienfirma im nahe gelegenen Monaco.
Noch ist die Krone von Seborga im Touristenbüro des Dorfes ausgestellt. Menegatto setzt sie sich kichernd schon einmal probehalber auf den Kopf. „Ich hätte nie gedacht, jemals Prinzessin zu werden. Aber ich bekam viel Unterstützung aus der Bevölkerung und das weiß ich sehr zu schätzen“, sagt sie. Die Menschen in Seborga hoffen, als winziges Königreich Touristen und neue Bewohner anzulocken und so dem Schicksal vieler entvölkerter Dörfer in Italien zu entgehen.
Eigenes Geld und eigene Flagge
Menegatto und ihre Minister wollen die lokale Währung, den Luigino, wieder einführen und ein Luxushotel auf einem Gipfel in der Nähe des Dorfes bauen. Von dort habe man einen Ausblick in vier Länder, sagt Menegatto: Frankreich, Monaco, Italien und das Fürstentum Seborga.
Seborga ist nicht der einzige selbst erklärte Kleinstaat mit eigenem Geld und eigener Flagge. In Australien gibt es beispielsweise das Fürstentum Hutt River, in Ostfrankreich die Republik Saugeais. Anders als bei anderen Mikronationen sei Seborgas Status als unabhängiges Land aber historisch begründet, behaupten die Verfechter des Fürstentums. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wies den Antrag Seborgas auf Anerkennung als souveränen Staat allerdings ab. Mithilfe neuer Anwälte will das Dorf einen weiteren Anlauf unternehmen.
Leeres Verließ
Die Idee, Seborga zum unabhängigen Fürstentum zu erklären, geht auf den Blumenzüchter Giorgio Carbone zurück. Anfang der 1960er Jahre arbeitete Prinz Giorgio eine Verfassung aus, ließ eigenes Geld und Briefmarken drucken, führte neue Autokennzeichen ein und prägte das Motto „Sub umbra sede“ – „Sitze im Schatten“.
Auch eine eigene Garde hat Seborga seitdem. Sie besteht derzeit allerdings nur aus Secondo Messali, einem 64-Jährigen, der auch schon als Innen-, Finanz- und Premierminister diente. Er fühle sich sowohl als Italiener als auch als Bürger des Fürstentums, sagt Messali in seiner Uniform. Wie alle anderen Einwohner zahlt er Steuern an Rom und nimmt an den Wahlen teil. Als Chef der Nationalgarde des Fürstentums verwahrt er den Schlüssel zum Gefängnis des Dorfes – einem winzigen Verließ, in dem seit Jahrhunderten niemand mehr saß.
Desillusionierte Bewohner
Eigentlich ist es friedlich im Dorf, doch nun gibt es Aufruhr: Der Franzose Nicolas Mutte hat sich unter Berufung auf seine Familiengeschichte zum Prinzen Nicolas I. von Seborga erklärt. In Frankreich wird wegen Betrugs gegen Mutte ermittelt. „Niemand kann dich daran hindern, dich zum Prinzen oder zur Prinzessin zu erklären“, sagt Gustav Ottolenghi, der eine Dorfchronik geschrieben hat. Er habe „das Märchen“ vom Fürstentum immer unterstützt, weil es nützlich für das Dorf gewesen sei, sagt der 88-Jährige.
Inzwischen seien einige Dorfbewohner aber desillusioniert von ihrer königlichen Regierung, sagt der Rentner. „Denn eine Straße oder eine kaputte Laterne kann sie nicht reparieren.“