Frankfurt/Kassel/Darmstadt Offenbar Gemeindegesang ohne Schutzmasken vor Corona-Ausbruch in Frankfurt

Der Gottesdienst fand bereits vor rund zwei Wochen statt.
Der Gottesdienst fand bereits vor rund zwei Wochen statt.

Mehr als 100 Corona-Infektionen in mehreren hessischen Städten nach dem Besuch eines Gottesdienstes in Frankfurt: Zunächst erklärte die betroffene Gemeinde, alle Schutzregeln seien eingehalten worden. Eine Mitteilung auf der Webseite zeichnet nun ein anderes Bild.

Nach Bekanntwerden von mehr als 100 Covid-19-Infektionen im Umfeld einer freien baptistischen Gemeinde in Frankfurt hatte die Gemeinde zunächst betont, alle Schutzregeln seien eingehalten worden. Der notwendige Abstand sei gewahrt, Desinfektionsmittel bereitgehalten worden. Ein am Montag auf der Webseite der Gemeinde veröffentlichtes Schreiben räumt allerdings Versäumnisse ein: „Im Nachhinein betrachtet wäre es für uns angebracht, beim Gottesdienst Mund-Nasen-Schutz-Bedeckungen zu tragen und auf den gemeinsamen Gesang zu verzichten“, hieß es in der Stellungnahme.

Da es in der Gemeinde viele Familien mit fünf und mehr Kindern gebe, nehme die Zahl der Ansteckungen zu Hause weiter zu. Die Betroffenen seien in häuslicher Quarantäne. „Nach Bekanntwerden der Infektion wurden die Gottesdienste sogleich in das Online-Format überführt“, hieß es weiter.

Gesundheitsamt sucht weitere Kontaktpersonen

Sozialminister Kai Klose (Grüne) hat mögliche Konsequenzen am Montag offen gelassen. „Der Sachverhalt muss zunächst dezidiert aufgeklärt werden - dazu gehört auch das zeitliche Umfeld des Gottesdienstes“, erklärte der Grünen-Politiker am Montag auf Anfrage in Wiesbaden. „Danach kann erst bewertet werden, ob und wie gegebenenfalls konkret in dem Einzelfall Konsequenzen zu ziehen sind.“

Nach Angaben des Frankfurter Gesundheitsdezernats haben sich bisher 49 Menschen aus Frankfurt und 56 in Orten außerhalb Frankfurts infiziert. Die betroffenen Gesundheitsämter arbeiteten an der Ermittlung und Information von Kontaktpersonen, hieß es. „Dieses Infektionsgeschehen zeigt uns erneut, wie schnell eine Infektion sich ausbreiten kann, wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen“, sagte Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne). „Das Gesundheitsamt ist weiterhin akribisch dabei, alle Kontaktpersonen zu ermitteln und das Infektionsgeschehen zu analysieren.“

Gesundheitsdezernent für Listenmanagement

Majer regte an, dass generell und landesweit - wie bei den Gaststätten auch - alle Teilnehmer von religiösen Zusammenkünften namentlich erfasst und diese Listen bei einem Infektionsfall den Gesundheitsämtern zur Verfügung gestellt werden. So verfahren bereits jetzt alle Gemeinden, die den evangelischen Landeskirchen und Bistümern in Hessen angeschlossen sind, allerdings auf freiwilliger Basis. Der Fall der Baptistengemeinde zeige, „wie kompliziert die Nachverfolgung ist, wenn die Anwesenden erst mühsam recherchiert werden müssen. Dabei geht viel wertvolle Zeit verloren.“

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat nach Angaben ihres Sprechers Volker Rahn vor Christi Himmelfahrt und damit vor Bekanntwerden der Infektionen bei den Baptisten noch einmal alle Gemeinden zur Einhaltung der Schutzmaßnahmen aufgefordert. So dürfe in den Gottesdiensten nicht gesungen werden, es gebe Mundschutzpflicht und es müssten Listen der Besucher mit Namen und Anschrift angefertigt werden. Es gelte ein mehrere Punkte umfassendes Schutzkonzept und alle Gemeinden seien noch einmal eindringlich auf die Umsetzung hingewiesen worden. Gerade auch mit Blick auf Pfingsten würden viele Gemeinden weiter bei den digitalen Angeboten oder Online-Gottesdiensten bleiben. Zudem gebe es „grüne“ Gottesdienste im Freien. „Die boomen tatsächlich.“ Auch hier gebe es Sicherheitsmaßnahmen. „Wir werden nach den Vorfällen in Frankfurt nicht noch weiter verschärfen.“

In der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) sollen Gottesdienste an Pfingsten wie geplant stattfinden: „Der Vorfall in Frankfurt hat keinerlei Auswirkungen auf das Hygienekonzept, das in der EKKW für Gottesdienste festgelegt worden ist und akkurat umgesetzt wird“, erklärte Prälat Bernd Böttner.

Bistum Limburg reagiert mit Besorgnis

Das Bistum Limburg hat den Corona-Ausbruch nach eigenen Angaben mit Besorgnis wahrgenommen. Man wisse jedoch nicht, inwiefern Abstands- und Hygienevorschriften in der Baptisten-Gemeinde eingehalten worden seien, sagte Bistumssprecher Stephan Schnelle am Montag auf Anfrage mit. Handlungsbedarf bestehe im Bistum Limburg deswegen nicht. „Wir sehen aktuell keinen Anlass dazu, unsere Regelungen grundsätzlich zu überarbeiten oder infrage zu stellen. Wir sind nicht entspannt, bleiben aber ruhig.“ Schnelle sagte: „Wir wissen von vielen Pfarrern und Gläubigen, die sehr verantwortungsvoll mit den Lockerungen, die es uns möglich machen wieder gemeinsam Gottesdienst zu feiern, umgehen.“

Im Bistum Limburg besteht seit dem ersten Mai-Wochenende wieder die Möglichkeit, Gottesdienste mit einer kleinen Gemeinde zu feiern. An Pfingsten werde es wohl in jeder Pfarrei einen Gottesdienst geben, erklärte Schnelle. „Bislang bekommen wir die Rückmeldung, dass sich die Pfarreien an die Regelungen halten. Fälle wie in der Baptistengemeinde sind uns bislang nicht bekannt.“

Im Bistum Fulda darf nur der Kantor singen

Das Bistum Fulda teilte mit: „Wir sind überzeugt, dass wir mit unserem Sicherheitskonzept richtig liegen, wonach streng auf den Abstand zwischen Gläubigen untereinander und dem Priester zu achten ist.“ Es gelte auch ein Anmeldeverfahren für die Gläubigen, die an Sonntagen an Gottesdiensten teilnehmen möchten, erklärte Bistumssprecher Christof Ohnesorge. „Aus hygienischen Gründen wurde für den Gesang vor zwei Wochen eine Verschärfung dahingehend eingeführt, dass ein Kantor singen soll und nicht die Gläubigen, damit eine Abstandsregel von sechs Metern möglich ist, um Sprühinfektion zu verhindern.“ Zudem würden die Gemeinden regelmäßig erinnert, dass diese Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten seien.

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