Musik „Irrwege“ erkannt: Xavier Naidoo überrascht mit Entschuldigungsvideo

„Ich habe mich verrannt“: Xavier Naidoo.
»Ich habe mich verrannt«: Xavier Naidoo.

Xavier Naidoo ist Deutschlands wohl umstrittenster Popstar. Der gebürtige Mannheimer fiel in den vergangenen Jahren immer wieder mit rassistischen und antisemitischen Äußerungen auf. Nun geht er auf Distanz zu sich selbst.

Er trat mit sogenannten Reichsbürgern auf, verbreitete Theorien der QAnon-Bewegung, äußerte sich polarisierend zur Corona-Pandemie. Nun hat sich Xavier Naidoo in einem Video von Verschwörungserzählungen losgesagt. Er habe sich verrannt, sagte der 50-Jährige sagte. Auslöser für den Sinneswandel sei der Krieg in der Ukraine gewesen, denn seine Frau stamme aus dem Land.

„Ich stehe für Toleranz, Vielfalt und ein friedliches Miteinander. Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus sind mit meinen Werten nicht vereinbar. Und ich verurteile diese aufs Schärfste“, sagte der aus Mannheim stammende Popstar in dem etwas mehr als dreiminütigen Video, das am Dienstagabend veröffentlicht wurde.

Von Verschwörungserzählungen geblendet

„Ich habe mich Theorien, Sichtweisen und teilweise auch Gruppierungen geöffnet, von denen ich mich ohne Wenn und Aber distanziere und lossage“, sagte Naidoo in dem Clip mit dem Titel „#OneLove“. Er sei von Verschwörungserzählungen „geblendet“ gewesen, habe diese nicht genug hinterfragt und sich „zum Teil instrumentalisieren“ lassen. „Das habe ich leider jetzt erst erkannt. Ich habe Dinge gesagt und getan, die ich heute bereue“, sagte der Musiker. Er habe sich in einer „Blase“ befunden.

Naidoo fiel seit vielen Jahren mit Äußerungen auf, die antisemitische Chiffren oder „Reichsbürger“-Gedankengut enthalten. Musikalisch arbeitete Naidoo auch schon mit dem Sänger der bei Rechtsextremen beliebten Hooligan-Band Kategorie C zusammen. In einem Interview behauptete Naidoo, „die Juden“ hätten die Welt „im Griff“.

Offiziell Antisemit

Für Aufsehen sorgte auch ein Video, in dem er Thesen der QAnon-Verschwörungsideologie verbreitete, nach der angeblich in satanischen Ritualen Kindern Blut abgezapft werde. Angesichts der Corona-Pandemie sang er über die Impfung: „Ich mach da nicht mit, es kann gar nicht sein. Euer Gift kommt niemals in unsere Körper rein.“ Er behauptete zudem, die Erde sei nicht rund und drehe sich nicht.

Gegen Kritik, er stehe rechtsextremen Verschwörungserzählungen nahe, wehrte sich Naidoo öfter. Im Dezember 2021 urteilte das Verfassungsgericht in Karlsruhe aber, dass eine Vortragsrednerin ihn als Antisemiten bezeichnen durfte.

Familie, Freunde und Fans provoziert

Naidoo begründete seinen Umschwung nun mit dem Krieg in der Ukraine. „Die Welt scheint wie auf den Kopf gestellt und ich habe mich gefragt, wie es so weit kommen konnte“. Er habe viel mit Betroffenen gesprochen – und sich kritischen Fragen zu Äußerungen von sich stellen müssen, wofür er sei dankbar sei. „Ich habe erkannt, auf welchen Irrwegen ich mich teilweise befunden habe und dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe.“ Ihm sei bewusst geworden, dass er Familie, Freunde und Fans mit „verstörenden Äußerungen irritiert und provoziert habe“. Er wolle sich dafür entschuldigen.

Bekannt wurde der Soulsänger in den späten 90er Jahren. Mit dem Song „Sie sieht mich nicht“ zum Film „Asterix und Obelix gegen Caesar“ landete er einen Hit. Zahlreiche seiner Alben erreichten Platz eins der Charts. Auch mit der Gruppe Söhne Mannheims gelangen ihm Erfolge. Naidoo gewann viele Preise, darunter mehrere Echos.

Auftritt bei sogenannten Reichsbürgern

Während der Fußballweltmeisterschaft 2006 spielte die deutsche Nationalmannschaft zur Erbauung vor den Spielen sein Lied „Dieser Weg“ in der Kabine. Als Coach in der Castingshow „The Voice of Germany“ (ProSieben und Sat.1) und in der Vox-Sendung „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ war Naidoo auch regelmäßig im Fernsehen zu sehen.

Doch zunehmend kam es zu Kontroversen um den Sänger. Am Tag der Deutschen Einheit 2014 sprach er in Berlin bei einer Demonstration von „Reichsbürgern“. Sogenannte Reichsbürger erkennen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an und lehnen daher auch ihre Repräsentanten und die geltende Rechtsordnung ab. Naidoo betonte später, dass er mit den „Reichsbürgern“ nichts zu tun habe.

Beim Song Contest ausgeladen

Für das Jahr 2016 wollte der NDR den Sänger als deutschen Kandidaten für den Eurovision Song Contest (ESC) setzen, ruderte aber schon nach kurzer Zeit nach Protesten zurück. „Es war klar, dass er polarisiert, aber die Wucht der Reaktionen hat uns überrascht“, sagte der damalige ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber. „Wir haben das falsch eingeschätzt.“

2020 nahm RTL Naidoo aus der Jury der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS). Es war ein Video aufgetaucht, in dem zu sehen ist, wie er ein rassistisches Lied singt. Bei Facebook schrieb Naidoo, seine Aussagen seien absolut falsch interpretiert worden. Seine Erklärungen reichten RTL jedoch nicht.

Gespaltene Reaktionen

Auch als Reaktion auf das neue Video war das Echo jetzt in den sozialen Medien gespalten. Vielen reichten die Ausführungen nicht.

Der Politikwissenschaftler Josef Holnburger schrieb zum Beispiel bei Twitter: „Wenn er sich jetzt tatsächlich distanzieren will, braucht es mehr als ein vages Distanzieren von unbenannten Gruppen und Sichtweisen.“ Es brauche möglicherweise juristische Konfrontation und Aufarbeitung, erklärte Holnburger, einer der Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das in sozialen Medien unter anderem Radikalisierungstendenzen und die Verbreitung von Verschwörungserzählungen beobachtet. „Der von ihm verbreitete Antisemitismus ist nicht mit einem Videostatement weg.“

Der Publizist Max Czollek twitterte: „Am Ende ist es mir egal, ob #XavierNaidoo durch Geldmangel, öffentlichen Druck oder echte Einsicht zur Erkenntnis gekommen ist, dass sein menschenverachtendes Verschwörungszeug Unsinn ist. Die Szene hat ihre prominenteste Stimme verloren. Und das ist ein Grund zum Feiern.“

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