Panorama „In einer Ehe ist es wie in einer Badewanne

Das Cover des neuen Albums „80 plus“ von Dieter Hallervorden.
Das Cover des neuen Albums »80 plus« von Dieter Hallervorden.

Dieter Hallervorden (86) ist präsent wie lange nicht mehr. Der Schauspieler, zuletzt in der Serie „Mein Freund, das Ekel“, hat am Freitag seine erste CD „80plus“ veröffentlicht. Die Musik dazu hat der Saarländer Frank Nimsgern geschrieben. Hallervorden rechnet mit dem Gendern ab, witzelt über Sex im Alter und verabscheut die Institution Ehe. Ein Gespräch über „80plus“. Von Thomas Füßler

Herr Hallervorden, Heino widmet sich jetzt der Klassik, Sie dem Rhythm and Blues. Wie kommt das denn?
Heino hat ja sein Gastspiel im Rockbereich schon hinter sich. Ich habe in dieser Beziehung noch Nachholbedarf, zumal ich selbst ein alter Rocker bin.

Man könnte Ihr Album als Alterswerk bezeichnen. Wie schmeckt Ihnen diese Bezeichnung?
Die Leute, die in Bezug auf mich von Alterswerk sprechen, wissen nicht, wie jung ich im Herzen und Kopf bin.

In „Mein Leben“ singen Sie: „Ich provozierte als Clown und als Philosoph.“ Und wenden sich prompt gegen das Gendern. Rechnen Sie mit gesellschaftlichem Gegenwind?
Ich habe nie Gegenwind gescheut. Es macht mir Spaß und es ist mir ein Bedürfnis, meine persönliche Meinung kundzutun. Mainstream ist für mich nicht meinungsentscheidend. Man muss Mut haben, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt irgendwann an die Quelle.

Ihr Humor ist anspruchsvoll. Andere punkten mit Provokation. Sind das Comedians, die Dieter Hallervorden erreichen?
Bitte um Verständnis: Ich beurteile andere Kollegen nicht. Und wenn doch, dann bestimmt nicht negativ.

Braucht der Humor wieder mehr Feingeistigkeit?
Das entscheiden die „Verbraucher“ und natürlich die Sender, die Redakteure haben, die genau wissen, wie man die Spreu vom Weizen trennt, und dann die Spreu senden.

Sie singen auch über Sex. Über Sex im Alter spricht niemand gerne. Wird es Zeit, diese Grenzen einzureißen?
Für mich gibt es diesbezüglich möglichst kein Tabu, man muss natürlich Humor haben und über sich selbst lachen können, sonst haut das natürlich nicht hin.

Mit der Institution „Ehe“ rechnen Sie ebenfalls ab. „Ihr Erfolg ist dem Fakt zuzuschreiben, auch in der Ehe ein Stück unverheiratet zu bleiben“, heißt es da. Was meinen Sie mit „ein Stück unverheiratet“?
Viele Ehen sind nicht mehr als eine Fristenlösung. In der Ehe ist es wie in einer Badewanne. Je länger man drinnen liegt, desto kühler wird es. Also ist es wichtig, da und dort und zeitlich befristet eine Auszeit zu nehmen, damit einem wieder klar wird, was Unwiederbringliches man an seinem Partner hat.

Warum arbeiten Sie musikalisch mit Frank Nimsgern zusammen, Herr Hallervorden?
Das war die Idee von meinem Autor Thomas Schmidt Ott. Ein absoluter Glücksfall!

Frank, wie war Ihr erster Kontakt mit Dieter Hallervorden?
Nimsgern: Bedingt durch die Corona-Zeit zuerst nur per Telefon. Danach fünf Monate nur virtuell über Facetime. Danach trafen wir uns zum ersten Filmdreh für unseren Song „Mein Leben“. Es war, als ob man sich schon zehn Jahre kannte. Ein sehr schönes Gefühl. Der Film „mein Leben“ zeigt genau diese Energie von Wärme und Vertrautheit.

Wie sprechen Sie Dieter Hallervorden an? Mit Dieter? Oder Didi?
Nimsgern: Wir haben uns vier Monate lang gesiezt. Ich bin da auch altmodisch. Nach vier Monaten bot Herr Hallervorden mir das „Du“ an. Der Respekt für einander blieb. Heute reden wir fast täglich und die Nächte mit ihm und Thomas Schmidt Ott in Kreuzberg sind meistens länger als damals, als ich 30 war.

Herr Hallervorden, können Sie den Spitznamen Didi überhaupt noch hören?
Natürlich weiß ich, was ich Didi zu verdanken habe. Er schmückt mein Revers wie ein Verdienstorden.

Wer ist denn Ihre Lieblingsfigur aus Ihrer Karriere?
Paul Averhoff aus „Sein letztes Rennen.“

Wo steht denn in dieser Rangfolge Olaf Hintz aus „Mein Freund, das Ekel“?
Eine Zwischenepisode, die sich glücklicherweise bei meinen Fans von 8 bis 88 großer Beliebtheit erfreut.

Was würde Olaf Hintz dazu sagen, dass Sie auf dem Titel der Kultzeitschrift „Pop Rocky“ sind – an der Seite des ehemaligen Sexsymbols Samantha Fox?
Quod licet Jovi, non licet bovi! (Anmerkung der Redaktion: ein lateinisches Sprichwort, das übersetzt heißt: Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt.)

Zurück zur Musik: Ist eine Tournee denkbar? Oder ein Konzert?
Nein, ich kenne meine Grenzen.

Sie werden aber an Silvester am Brandenburger Tor singen. Was bedeutet Ihnen das?
Ich liebe neue Herausforderungen! Noch mehr natürlich deren Bewältigung! Bitte Daumen drücken!

Infos zur CD

Der Clown liebt den Blues

Dieter Hallervorden hat eine erste Musik-CD veröffentlicht. „80 plus“ rührt. „80 plus“ provoziert. „80 plus“ macht Spaß. Die Texte sind vom Trierer Thomas Schmidt Ott in musikalische Form gegossen worden. Vertont wurde die komplette CD vom Saarländer Frank Nimsgern. „80 plus“ ist ein überaus rockiges und bluesiges Album geworden, das an manchen Stellen ein wenig nach Musical klingt.

Die Themen

Mit „Mein Leben“ hat Hallervorden sozusagen sein „My Way“ aufgenommen. Der Song wird viele Zuhörer rühren und berühren. Der Clown hat in diesem Lied ein wenig den Blues. Er schaut aber dankbar zurück. „Ich liebe mein Leben, weil ich darin eine schöne Rolle spielen darf“, beschließt Hallervorden die einzige Ballade der CD. Schon „80 plus“, der zweite Song des Albums, nimmt das Altern auf die Schippe; enthält zudem einen urkomischen Verweis in Richtung Helene Fischer. Zum Finale wird „80 plus“ erneut persönlich. „Keine Zeit“ und „Tod“ gehen offen damit um, dass auch Hallervordens Lebenszeit endlich ist. Den Clown aber verlässt nie der Humor, auch wenn er mal melancholisch wird. Den Tod unter den Tisch zu saufen, das ist doch für (fast) jeden eine schöne Vorstellung. Thomas Füßler

Dieter Hallervorden und Frank Nimsgern im Interview.
Dieter Hallervorden und Frank Nimsgern im Interview.
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