Indien Hilfe aus der Ferne: Indische Diaspora schickt Ausrüstung und Medikamente in die Heimat

Überall in Indien brennen die Feuer in den Krematorien. Inzwischen wird das Holz knapp.
Überall in Indien brennen die Feuer in den Krematorien. Inzwischen wird das Holz knapp.

Die Berichte über die Corona-Lage in Indien werden immer dramatischer. Seit Beginn der Pandemie haben sich in dem Land mehr als 20 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Auch die Auslandsinder versuchen zu helfen. Und verzweifeln angesichts des Leids.

Wegen der dramatischen Corona-Lage in Indien haben zahlreiche Regierungen Hilfe angeboten. Doch auch die vielen im Ausland lebenden Inder ruft die Krise auf den Plan. Seema Devgan etwa, die in der südostasiatischen Finanzmetropole Singapur lebt, macht derzeit fast nichts anderes mehr, als für ihre alte Heimat Spenden zu sammeln, freiwillige Helfer zu koordinieren und dringend benötigte Ausrüstung wie Beatmungsgeräte zu besorgen. Ständig erreichen sie neue Hilferufe per Telefon, Whatsapp-Nachricht oder E-Mail.

In ihrem Apartment in Singapur verbringt Devgan Stunden damit, mit verzweifelten Angehörigen von Covid-19-Patienten in Indien wie auch mit Lieferanten von Medikamenten, medizinischem Sauerstoff und anderer Ausrüstung zu kommunizieren. „Es ist so schwierig“, sagt Devgan den Tränen nahe. „Wir werden so viele Menschen verlieren.“

Weltweites Netzwerk

Bei der indischen Diaspora ist es üblich, den Menschen in der Heimat in Krisenzeiten beizuspringen. In Tempeln und anderen religiösen Gemeinden mit indischstämmigen Mitgliedern wie auch in informellen Netzwerken wird gesammelt, wenn Indien mal wieder von einem Taifun oder Hochwasser heimgesucht wurde. Die aktuelle Corona-Krise ist allerdings weitaus schwieriger.

Denn egal wie viele Spenden gesammelt werden – mit Geld allein lassen sich die Versorgungsengpässe nicht beheben. Anlagen zur Herstellung von medizinischem Sauerstoff müssen erst einmal gefunden, bestellt und auf den Weg gebracht werden, bevor sie in Indien Leben retten können. Und das mangelhafte Gesundheitssystem in der Heimat kann die indische Diaspora ohnehin nicht über Nacht reparieren.

Zorn über die Regierung

„Das ist eine nie da gewesene Situation“, sagt Devgan. „Das sind nicht einfach Kampagnen, bei denen Du einfach spenden kannst und jemand vor Ort kümmert sich dann um den Rest.“

Auch die 24-jährige Simran Sharma, die an der Tufts University in der US-Metropole Boston gerade ihren Abschluss macht, kennt diese Verzweiflung angesichts der übermächtigen Aufgabe. Über Whatsapp erhält sie aus Indien immer wieder Berichte, wie überfordert das Land mit den vielen Covid-19-Patienten ist.

„Diese Krise ist einfach der Wahnsinn“, sagt Sharma. Sie fühlt sich „ohnmächtig“ und ist zugleich wütend, dass die Regierung in Neu Delhi nicht genügend gegen die Corona-Krise getan habe.

Astronomische Preise für Medikamente

Judy Naresh betreibt in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Facebook-Gruppe „Ask Abu Dhabi“, ein Forum mit rund 15.000 Mitgliedern für indischstämmige Frauen. Sie wird derzeit überschüttet mit Hilfsanfragen. „Viele unserer Mitglieder haben ihre Eltern und andere Angehörige verloren“, sagt Naresh, die aus Mumbai stammt. Viele suchten für ihre Angehörigen nach Sauerstoff und Medikamenten.

„Ich habe Angst, mein Whatsapp zu öffnen“, sagt Naresh wegen der vielen Hilferufe. „Ich fühle mich hilflos.“ Immerhin koordiniert Nareshs Gruppe aber Hilfe und besorgte Remdesivir. Der Preis des antiviralen Medikaments kletterte in Indien kürzlich von zwölf auf 600 Dollar (499 Euro) pro Dosis. Mittlerweile sei das Mittel gar nicht mehr zu bekommen, sagt Naresh.

Junge spendet sein Taschengeld

Es gibt aber auch Erfolge. Devgans Netzwerk mit mittlerweile mehr als 250 Mitgliedern hat mindestens 60 Sauerstoffkonzentratoren nach Indien gebracht und mit einer Nichtregierungsorganisation in Neu Delhi ein Netzwerk zur Verteilung von Krankenhausbetten, Remdesivir, Blutplasma, Corona-Tests und Essen auf die Beine gestellt.

Der Londoner Neasden-Tempel, eine der größten und reichsten Hindu-Gemeinden in Großbritannien, hat in Atladra im nordwestindischen Bundesstaat Gujarat ein voll ausgerüstetes 500-Betten-Lazarett mit aufgebaut. „Im Leben hat man die Wahl zwischen zwei Dingen“, sagt Mitorganisator Tarun Patel: „Entweder sich hinsetzen und nichts tun oder die Ärmel hochkrempeln und tun, was man kann.“

Patel erzählt, dass ein kleiner Junge aus der Gemeinde sein Taschengeld für das Corona-Lazerett gespendet habe. „Das ist die Menschlichkeit in den Leuten, das ist sehr bewegend.“

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