Homosexualität Gibt der Papst seinen Segen zur gleichgeschlechtlichen Ehe?

Papst Franziskus hat sich für eine rechtliche Absicherung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgesprochen.
Papst Franziskus hat sich für eine rechtliche Absicherung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgesprochen.

Diese Nachricht hat weltweit für großes Aufsehen gesorgt: Papst Franziskus hat sich in einem Dokumentarfilm für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgesprochen. Bedeutet das, die katholische Kirche erkennt nun gleichgeschlechtliche Partnerschaften als gleichwertig zur Ehe an?

Nicht ganz. Man muss schon ganz genau hinhören, was der Pontifex in dem Dokumentarfilm des russischen Regisseurs Jewgeni Afinejewski sagt. „Homosexuelle haben das Recht, in einer Familie zu sein. Sie sind Kinder Gottes, sie haben das Recht auf eine Familie“, sagt der 83-Jährige. „Wir müssen ein Gesetz für zivile Partnerschaften schaffen. Sie haben das Recht, rechtlich abgesichert zu sein.“

Aus katholischer Sicht geradezu revolutionäre Worte – die deshalb auch sofort weltweit Schlagzeilen machten. Doch Vieles ist unklar. Zum einen, wann die Aussagen in dem Film gemacht wurden. Zudem hat sich Papst Franziskus in der Vergangenheit bereits häufiger progressiv zum Thema Homosexualität geäußert. 2013 etwa bezog er auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien eindeutig Position gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Homosexuellen: „Wenn jemand homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu richten?“

Wird die neueste Aussage von Papst Franziskus nun also doch die katholische Kirche revolutionieren? Der Vatikan hat sich bisher nicht zu dem Zitat geäußert. Eine Einordnung von Bischöfen und Kardinälen bleibt ebenso aus. Vordergründig bleibt also alles beim Alten.

„Eine massive Kurskorrektur“

Der jetzige Fall liege allerdings anders, sagt Michael Seewald, Professor für katholische Dogmatik an der Universität Münster der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Man muss schon sagen, dass das im Vergleich zur bisherigen Haltung der katholischen Kirche eine massive Kurskorrektur ist.“ Es sei zwar nicht so, dass der Papst hier die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiere – wohl aber eingetragene Partnerschaften. „Das ist eine neue Position, weil sich die Ablehnung der katholischen Kirche bisher auch auf diese eingetragenen Partnerschaften bezog. Nun gibt der Papst diese Ablehnung nicht nur auf, sondern er fordert das Gegenteil des bisher Vertretenen. Er sagt, gleichgeschlechtliche Partnerschaften bieten einen rechtlichen Rahmen, der sinnvoll und sogar notwendig ist.“

Der Papst eröffne damit in der Kirche „einen Raum des legitim Sagbaren und Denkbaren“. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften seien bisher von vielen als mit der katholischen Lehre nicht vereinbar abgeurteilt worden – diese Haltung sei jetzt kaum noch denkbar. Dies werde gravierende Folgen haben etwa für den derzeit laufenden Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, dem Synodalen Weg. Dort können sich die Reformer jetzt auf den Papst berufen.

Ein dauerhafter Positionswechsel der Kirche?

Der italienische Vatikan-Kenner Marco Politi schätzt die Äußerungen des Papstes ebenfalls als sehr bedeutsam ein. Sie kommen für ihn nicht überraschend: „Der Papst hat die ganze Besessenheit der katholischen Tradition mit Sex-Problemen vom Tisch gewischt“, sagt Politi der dpa. „Insofern ist das ein Schritt, der sich ganz klar gegen die Linie seines Vorgängers Benedikt richtet.“ Die Äußerungen über gleichgeschlechtliche Partnerschaften sieht Politi als „Endstation eines Weges, den der Papst von Anfang an gegangen ist“.

Die große Frage ist nun, ob es hier um einen dauerhaften Positionswechsel der Kirche geht. Politis Überzeugung ist: „Es gibt kein Zurück.“ Erst einmal würden die Äußerungen von Franziskus zwar den „schwelenden Bürgerkrieg innerhalb der Kirche“ – den Dauerkonflikt zwischen Reformern und Konservativen – befeuern, doch ein völliges Zurückdrehen sei nicht mehr vorstellbar. „Das ist ähnlich wie bei der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene. Auch da ist nichts festgeschrieben, aber ein Zurück gibt es auch da nicht mehr.“

Hoffnung auf legal eingetragene Partnerschaft

Ein weiteres Zeichen dafür ist auch die Aussage des BDKJ-Bundesvorsitzenden Gregor Podschun: „Die Worte des Papstes machen vielen Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Hoffnung. Wir als Kirche in Deutschland dürfen diese Hoffnungen nicht enttäuschen. Ungerechte Regelungen, die Menschen ausschließen, müssen überwunden werden – auch in der Kirche!“

Domradio-Redakteur Mathias Peter indes zieht in einem Interview eine klare didaktische Linie zwischen dem Gesagten und Gemeinten: „Nein, die ,Ehe für alle’ ist damit nicht gemeint. Papst Franziskus möchte schon Rechtssicherheit für Schwule und Lesben haben, gerade wenn es auch um Familie, um Kinder geht. Zivile Partnerschaft ja – also vielleicht so etwas wie eine eingetragene Partnerschaft, wie wir das in Deutschland vor der ,Ehe für alle’ hatten – aber keine zivile, sozusagen gleichwertige Ehe für alle.“

Doch im Netz ist die Begeisterung über die Aussage des Pontifex groß:

Ich glaube ich werd jetzt Katholikin #Franziskus

— Audrey Naline (@TheAudreyNaline) October 21, 2020

Ein toller Schritt von Papst #Franziskus! Das war längst überfällig! ️‍

— LenaMi1986 (@DAnalystin) October 21, 2020

Halleluja!! Was für ein Zeichen für die Homosexuellen in der Kirche. Besser spät, als nie #Franziskus

— De Schaefer #BlackLivesMatter (@Imtweetingtoo) October 21, 2020

Was immer die Schwächen dieses Papstes #Franziskus sein mögen - er ist ein Mensch mit viel Mitgefühl für die Menschen. Und das ist viel!

— Michael Bechtel (@qnbechtel) October 21, 2020
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