Coronavirus Fenster auf! Deutschland, Land des Lüftens

Für Schulen gibt es eine Handreichung zum richtigen Lüften vom Umweltbundesamt.
Für Schulen gibt es eine Handreichung zum richtigen Lüften vom Umweltbundesamt.

Fenster auf! Frischluft! Es zieht! Womöglich kaum ein Phänomen ist so deutsch wie das Lüften. Das spricht sich in Corona-Zeiten auch im Ausland herum. Briten lernen gerade den Unterschied zwischen Stoß- und Querlüften kennen.

An Deutschland kann man vieles mögen. Das hat Angela Merkel schon vor 16 Jahren gesagt. „Ich denke an dichte Fenster! Kein anderes Land kann so dichte und so schöne Fenster bauen“, sagte die damalige CDU-Chefin noch vor ihrer Kanzlerschaft in einem Interview. Das mit den Fenstern ist zurzeit wieder Merkels Thema. Kürzlich kam sie darauf zurück und plädierte dafür, regelmäßig die Fenster zu öffnen – also zu lüften, gerade auch im nahenden Winter.

Die sogenannte AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken), mit denen Deutschland bislang vergleichsweise gut durch die Pandemie kam, sind um ein L für Lüften und ein C für die Corona-Warn-App ergänzt worden. Künftig gilt also die „AHACL“-Regel.

Verschiedene Lüfttechniken

Das erklärte der britische „Guardian“ vor kurzem auch fasziniert seinen Leserinnen und Lesern. Berlin-Korrespondentin Kate Connolly erläuterte den Unterschied zwischen (Originalzitat) „Stosslüften“ (auf Englisch: impact ventilation) und „Querlüften“ (cross ventilation). Stoßlüften ist breites Fensteröffnen von mindestens fünf Minuten morgens und abends. Querlüften ist das Öffnen aller Fenster, um die abgestandene Luft raus und frische Luft rein zu lassen.

Mit deutschen Fenstern sei vieles möglich. In Deutschland seien die Fenster mit ausgeklügelten Scharnieren und Angeln ausgestattet, die verschiedene Lüfttechniken ermöglichten, erläuterte der „Guardian“. In der Tat: Auch manche Amerikaner staunen, wenn sie sehen, dass in Deutschland Fenster nicht nur wie eine Tür geöffnet, sondern auch gekippt werden können.

Einzug in den englischen Wortschatz

Deutschland, das ist aus angelsächsischer Sicht nicht mehr nur gleichzusetzen mit Bier, Bundesliga, Schnitzel, dicken Autos, Humorlosigkeit und Nazis – Deutschland ist jetzt auch das Land des Lüftens. Das Wort findet womöglich – wie einst der „Blitzkrieg“ – Einzug in den englischen Wortschatz.

Das Robert Koch-Institut (RKI) warnt auf seiner Website: „Bei längerem Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 Meter erhöhen, insbesondere dann, wenn eine infektiöse Person besonders viele kleine Partikel (Aerosole) ausstößt, sich längere Zeit in dem Raum aufhält und exponierte Personen besonders tief oder häufig einatmen.“

Pumakäfig und Hechtsuppe

Am Donnerstag teilte das Umweltbundesamt (UBA) mit, auf Wunsch der Kultusministerkonferenz (KMK) eine Handreichung zum richtigen Lüften in Schulen erarbeitet zu haben, die nun an alle Schulen in Deutschland verteilt werde. „Kern unserer Empfehlung ist, Klassenräume regelmäßig alle 20 Minuten für etwa fünf Minuten bei weit geöffneten Fenstern zu lüften“, erklärte UBA-Präsident Dirk Messner. Auch zu Luftreinigern und anderen technischen Geräten gibt das UBA Empfehlungen.

Wichtig beim Lüften: In der Corona-Zeit soll man eben nicht erst die Fenster aufmachen, wenn es mal wieder „wie im Pumakäfig“ riecht (interessant, dass in der Redewendung kein typisch deutscher Schweinestall angeführt wird), sondern schon frühzeitig. Die kaum übersetzbare Reaktion vieler Deutscher ist dann aber nach wenigen Minuten: „Es zieht.“ Auf Englisch hieße das wohl am ehesten: „There is a draught/draft.“ Keinesfalls: „It pulls.“

Der Reflex „Es zieht wie Hechtsuppe“ (die Redewendung soll sich vom jiddischen „hech supha“ ableiten und „wie ein starker Wind“ bedeuten) gehört wohl spätestens in der Corona-Zeit abgeschafft.

Wichtig beim Lüften: In der Corona-Zeit soll man nicht erst die Fenster aufmachen, wenn es mal wieder „wie im Pumakäfig“ riecht.
Wichtig beim Lüften: In der Corona-Zeit soll man nicht erst die Fenster aufmachen, wenn es mal wieder »wie im Pumakäfig« riecht.
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