Panorama Die Maske als Symbol für gesellschaftliche Verantwortung

Das Maskentragen wird zur moralischen Frage. In Reutlingen bedankt man sich für die Rücksichtnahme im öffentlichen Raum.
Das Maskentragen wird zur moralischen Frage. In Reutlingen bedankt man sich für die Rücksichtnahme im öffentlichen Raum.

Die Infektionszahlen steigen, die Toleranz sinkt. Was sagt diese Tendenz über eine Gesellschaft, die trotz bester Voraussetzungen, was Informationsfreiheit, Gesundheitsversorgung und Demokratieverständnis betrifft, lieber mit Trotz oder gar Gewalt auf Gesundheitswarnungen reagiert?

Diese Schlagzeilen sind derzeit in jeder Lokalzeitung zu finden: Masken-Pöbler bekommt Hausverbot in Bäckerei, Streit um Maskenpflicht, Streit um Maske eskaliert… Keine Stadt ohne uneinsichtige Menschen.

Nicht umsonst berichtete die Polizeigewerkschaft erst am Wochenende von einer aggressiveren Grundstimmung: „Nach wie vor gibt es immer noch eine hohe Akzeptanz für die Corona-Regeln, aber wir spüren auch, dass die Stimmung beginnt, aggressiver zu werden – zum Beispiel wenn wir als Polizei die Maßnahmen durchsetzen wollen“, sagte Jörg Radek, Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) der Nachrichtenagentur dpa.

Das erschwere die Arbeit der Beamten, deren Aufgabe es sei, die geltenden Regeln zu überwachen und gegebenenfalls auch durchzusetzen. „Da kommt es dann zu Widerstand. Das fängt an mit Beleidigungen, dann wird gepöbelt, gespuckt, angehustet. Das alles erleben unsere Kolleginnen und Kollegen in dieser Pandemie“, so Radek weiter. Auch Bürger, die ihre Schutzrechte stärker und aggressiver einforderten seien nun öfter zu beobachten, sagt Radek. Auch wenn sich dieser Trend nicht konkret an Zahlen festmachen ließe.

Zwei Faktoren entscheiden über Regel-Akzeptanz

Die undurchsichtige Nachrichtenlage sowie widersprüchliche Corona-Regelungen der unterschiedlichen Städte und Bundesländer seien nur schwer zu durchblicken und würden zu mehr Verunsicherung führen. „In einem demokratischen Rechtsstaat ist es unverzichtbar, dass rechtlich bindende Regeln auch akzeptiert und eingehalten werden“, sagte der Berliner Verfassungsrechtler Ulf Buermeyer am Sonntag gegenüber dem Tagesspiegel.

Buermeyer, einer der Gründer der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gestaltet gemeinsam mit dem Journalisten Philip Banse den wöchentlichen Politik-Podcast „Lage der Nation“ und beschäftigt sich mit der Frage, welche Einschränkungen zur Eindämmung der Coronakrise notwendig sind. Er sagt, die Politik habe wesentlichen Einfluss darauf, ob die Menschen Vorschriften akzeptierten oder nicht.

Dabei seien zwei Faktoren entscheidend: „Zum einen müssen Anti-Corona-Maßnahmen verhältnismäßig sein, also insbesondere auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen, zum anderen müssen sie plausibel begründet und kommuniziert werden.“

Einheitliche Regeln für mehr Verständnis?

Bei vielen Maßnahmen in den vergangenen Monaten sei dies nicht der Fall gewesen. Oft seien gerade erst beschlossene Regelungen gleich wieder über den Haufen geworfen worden, wie etwa jüngst das Beherbergungsverbot, das sich in immer mehr Bundesländern als unhaltbar erweist. Ebenso wie die Sperrstunde.

Forderungen von einer bundeseinheitlicher Maskenpflicht, wie sie am Montag von Bundesinnenminister Markus Söder (CSU) gefordert wurde, könnten da durchaus zu mehr Akzeptanz der Schutzmaßnahmen beisteuern. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die Länder zu einem einheitlichen Vorgehen bei Verstößen gegen Corona-Regeln aufgefordert. Dort, wo Regeln missachtet würden, müsse auch „durchgegriffen“ werden, sagte Altmaier am Montag bei einer Wirtschaftskonferenz in Berlin. Er würde sich wünschen, dass sich die Länder über die Höhe von Bußgeldern verständigen.

Verantwortung der Gesellschaft gegenüber

In einer solchen Zeit kommen Kommentare aus Ländern, die eine Maskenpflicht in öffentlichen Räumen verhängt haben, als moralisches Leitbild daher. So schrieb ein Kommentator der lettischen liberalen Tageszeitung „Diena“ am Montag: „Ich benutze sehr gewissenhaft einen Mundschutz. Ja, und ich werde wütend auf diejenigen, die es nicht tun. Weil ich das Tragen einer Maske als symbolische Aussage sehe, dass wir als Kulturgesellschaft verstehen: Der Kampf gegen das Coronavirus ist eine Angelegenheit von allen, nicht nur die Verantwortung von Ärzten oder Impfstoff-Erfindern. (…) Das Tragen einer Maske ist ein Beweis für eine verantwortungsvolle Haltung zum Rest der Gesellschaft.“

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