Berlin Sex und Erotik in der Corona-Krise

Steigende Verkaufszahlen bei Erotik-Onlineshops lassen vermuten, womit sich die Deutschen unter anderem die freie Zeit vertreibe
Steigende Verkaufszahlen bei Erotik-Onlineshops lassen vermuten, womit sich die Deutschen unter anderem die freie Zeit vertreiben.

Bordelle, Sexkinos und Erotikshops haben geschlossen. Die Erotikbranche ist stark vom Coronavirus betroffen. Allerdings in ganz unterschiedlicher Weise – denn ein Teil der Branche verzeichnet zurzeit ein großes Plus.

Quarantäne, Ausgehsperren und soziale Isolation – seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie verbringen viele Menschen mehr Zeit zu Hause. Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es viele. Steigende Verkaufszahlen bei vielen Erotik-Onlineshops lassen Vermutungen darüber zu, womit sich der eine oder die andere derzeit die freie Zeit vertreibt.

Onlineshops profitieren

Sexspielzeuge etwa verkaufen sich besonders gut. Die Bestellzahlen bei dem Online-Erotikshop „Eis.de“ haben sich seit Auftauchen des Coronavirus verdoppelt. Auch im Onlineshop von Orion ist mehr los seit Beginn der Corona-Krise, sagt eine Firmensprecherin.

Sexualtherapeutin Ulrika Vogt wundert das nicht. „Beim Sex und besonders beim Orgasmus werden etliche positive Hormone ausgeschüttet. Das gibt den Leuten ein selbstbewusstes Gefühl und beruhigt, und das ist besonders jetzt wichtig“, sagt Vogt. Menschen hätten nun mehr Zeit und könnten diese auch dafür nutzen, ihre eigene Sexualität zu erweitern – „und vielleicht auch die Spielzeugsammlung“.

Pornos stehen hoch im Kurs

Auch der Kondomfabrikant Ritex merkt das Voranschreiten der Pandemie: „Wir verzeichnen tatsächlich einen drastischen Umsatzanstieg bei den Kondomen“, teilt eine Sprecherin mit. Im Vergleich zum Vorjahresmonat hätten sich die Umsätze fast verdoppelt. „Besonders stark haben sich Großpackungen verkauft.“

Dass in Deutschland neben Klopapier und Nudeln auch Kondome gehamstert werden, vermutet auch der Berliner Kondomhersteller Einhorn. Seit dem vergangenen Wochenende steigen die Verkaufszahlen der fairen Kondome spürbar, sagt ein Sprecher.

Auch Pornos stehen derzeit hoch im Kurs. So berichtet Erika Lust, Produzentin feministischer Pornos, dass mehr Menschen ihre Filme abrufen als sonst. Seit dem Ausbruch des Virus seien die Streaming-Zeiten auf ihren Plattformen um 20 bis 30 Prozent gestiegen. Das Erotikfilm-Portal „Pornhub“ hatte vor einigen Tagen über Twitter verkündet, dass Menschen, die in Italien leben, nun bis April kostenlose Premium-Zugänge erhalten sollten. „Das kann kurzfristig eine Beruhigungsmaßnahme sein“, sagt Sexualtherapeutin Vogt.

Für Anbieterinnen und Anbieter von käuflichem Sex hat die Pandemie dagegen drastische Auswirkungen. „Ich habe einfach keine Arbeit“, sagt Sexarbeiterin Marlen, die ihren vollen Namen in der Zeitung nicht lesen möchte. Sie habe ein paar Rücklagen und könne zumindest ein paar Wochen pausieren. Andere könnten das nicht.

Vor einigen Tagen haben Bund und Länder entschieden, Bordelle zu schließen. Viele Prostituierte wohnen auch dort, einige hätten nun keine Unterkunft mehr, heißt es aus mehreren Beratungseinrichtungen. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, die keine andere Wahl hätten, gingen nun zu deutlich niedrigeren Preisen arbeiten. „Die ärmsten der Armen trifft es dann wieder besonders hart“, sagt Marlen.

Abstand ist schwierig

Auch der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) sorgt sich. „Bei unserer Arbeit können wir keinen Abstand zu den Gästen halten“, hieß es in einer Mitteilung. Der Verband empfiehlt darum, sexuelle Dienstleistungen mit Körperkontakt vorübergehend einzustellen. „Wir wissen natürlich, dass viele Kolleginnen über keine ausreichenden Rücklagen verfügen und auf die Einnahmen aus der Sexarbeit dringend angewiesen sind. Hier kämpfen wir gerade um Regelungen für Ausgleichszahlungen.“

Die Empfehlung, soziale Kontakte einzugrenzen, scheint dagegen Dating-Apps nicht zu schaden: Bei „Tinder“ und „OkCupid“ etwa ist mehr los als sonst. Beide Plattformen berichten, dass die Nutzungszahlen seit einigen Wochen steigen.

Kleinen Läden macht die Pandemie das Leben hingegen schwer. Uwe Kaltenberg, Geschäftsführer des Bundesverbands Erotikhandel, sorgt sich besonders um die Sexshops, die jetzt schließen müssen: „Die haben kaum Rücklagen.“ Glück im Unglück hatte eine Duisburger Händlerin, die im Internet als Scherz verbreitete, sie liefere Sexspielzeug jetzt mit dem Auto aus: Nach vielen Anfragen hat sie die Idee nun in die Tat umgesetzt.

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