Panorama Nachruf: Kardinal Lehmann - weltoffen und menschennah

Kardinal Karl Lehmann hat in Kirche und Gesellschaft Spuren hinterlassen. Fast 33 Jahre war er Bischof von Mainz, 20 Jahre stand er an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz. Am Sonntag ist er im Alter von 81 Jahren gestorben.

Als der Dogmatikprofessor Karl Lehmann am 2. Oktober 1983 im Mainzer Dom zum Bischof geweiht und ins Amt eingeführt wurde, war er 47 Jahre alt. Die  Art und Weise, wie Lehmann sein Bischofsamt ausfüllte und – von 1987 bis 2008 – als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz agierte, brachte ihm weit über Mainz hinaus Sympathie und Wertschätzung ein. Er wurde zu einem der prominentesten deutschen Katholiken. In Mainz war der gebürtige Sigmaringer vor allem deshalb so beliebt, weil er keine Berührungsängste kannte. Lehmann saß  auch die längsten Fasnachtssitzungen aus, und er fieberte bei Heimspielen des FSV Mainz 05 auf der Tribüne mit, was ihm die Ehrenmitgliedschaft des Fußballvereins einbrachte. Neben mehreren Ehrendoktorwürden erhielt er eine Vielzahl von Auszeichnungen – vom Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband, dem Karl-Barth- wie dem Romano-Guardini-Preis über die Martin-Luther-Medaille bis zum  „Orden wider den tierischen Ernst“.

Menschen mit herzerfrischendem Lachen gewonnen

Nicht zuletzt gelang es dem 87. Nachfolger des heiligen Bonifatius und Ehrenbürger von Mainz, Menschen mit seinem herzerfrischenden Lachen für sich zu gewinnen. Und bei aller Intellektualität  blieb er stets bodenständig. Ein langjähriger Vertrauter, der 2012 verstorbene Weihbischof Werner Guballa, charakterisierte  Bischof Lehmann so: weltoffener Wissenschaftler, menschennaher Hirte und bedächtiger Chef.

Kirchlich und gesellschaftspolitisch vermitteln

Karl Lehmann polarisierte nicht, handelte überlegt und bemühte sich, sowohl kirchlich als auch gesellschaftspolitisch zu vermitteln. Er erwarb sich den Ruf, ein „Glücksfall für die deutschen Katholiken“ zu sein. Lehmann führte als Vorsitzender der Bischofskonferenz nach dem Fall der Mauer die Katholiken aus Ost- und Westdeutschland zusammen, trat unermüdlich für den Schutz des Lebens ein und gab wichtige Impulse für das ökumenische Gespräch. Ungewöhnlich lange war er der von seinen Kollegen gewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und erster Ansprechpartner für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. 2001 hatte ihn der damalige Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt. Karl Lehmann deutete dies als Würdigung seiner Lebensleistung, denn Mainz ist kein klassischer Kardinalssitz wie Berlin, Köln und München.

Trotz Streitpunkten blieb Loyalität zum Papst

In Erinnerung ist vielen noch Lehmanns langes Ringen mit Rom, damit die katholische Kirche im staatlichen System der Schwangeren-Konfliktberatung bleiben kann. Streitpunkt war der Schein, der den Frauen nach einer Beratung ausgestellt wird und der für eine straffreie Abtreibung nötig ist. Vergeblich hatte Bischof Lehmann versucht, Brücken zu bauen zwischen fortschrittlichen katholischen Laien in Deutschland, deutschem Recht und vatikanischen Vorstellungen. So etwa auch, wenn er über verheiratete Priester sinnierte: «Und wenn ich zum Beispiel manchen verheirateten Diakon erlebe, da gibt es ganz hervorragende Leute, da kann ich mir vorstellen, dass so jemand in einigen Jahren durchaus die Priesterweihe erhalten kann.»  Innerhalb der Bischofskonferenz waren die Fronten so verhärtet, dass sie drohte auseinanderzubrechen. Letztlich musste Lehmann, nachdem Papst  Johannes Paul II. auch ein letztes Kompromissangebot abgelehnt hatte, eingestehen: „Wir haben gekämpft und wir haben verloren. Jetzt müssen wir auf Zukunft hin das Beste machen.“ Das war im Jahr 1999. Seine Loyalität zum Papst blieb.  Eingeschaltet in öffentliche Diskussionen hatte sich Lehmann bis zuletzt. So sagte er der «Zeit» Ende Juni 2017 nach dem Tod des langjährigen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) über den Streit zwischen der Witwe und den Söhnen: «Im Übrigen darf ein Mann wie Helmut Kohl in seiner Würde und seinen Verdiensten nicht nur nach familiären Gesichtspunkten beurteilt werden.»

Kurzer Ruhestand

Vor knapp einer Woche hatte sein Nachfolger, Bischof Peter Kohlgraf, in einem Schreiben an die Pfarrgemeinden und Mitarbeiter davon gesprochen, dass sich der 81-Jährige «auf den Weg macht - das letzte Stück seiner irdischen Pilgerreise».Nach seinem Schlaganfall im September 2017 seien ihm merklich die Kräfte geschwunden. Dem Kardinal war nur ein kurzer Ruhestand vergönnt - erst im Mai 2016 hatte diese Lebensphase mit seinem 80. Geburtstag begonnen. Zu seinem Nachfolger als Oberhirte wurde erst 15 Monate später Kohlgraf geweiht. Das geschichtsträchtige Bistum liegt zu zwei Dritteln in Hessen und zu einem Drittel in Rheinland-Pfalz, dazu kommt die Exklave Bad Wimpfen in Baden-Württemberg.

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Nach dem Festgottesdienst zu seinem 80. Geburtstag im Mainzer Dom verabschiedete sich Kardinal Lehmann in den Ruhestand.
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In Mainz war der gebürtige Sigmaringer vor allem deshalb so beliebt, weil er keine Berührungsängste kannte.
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Beim Festgottesdienst zu seinem 80. Geburtstag hat Kardinal Lehmann im Mainzer Dom den Segen gespendet.
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