Panorama Deutsche Bauern sorgen sich um Brexit: Höhere Kosten und Preisverfall

Nicht nur britische Bauern fürchten den Brexit, sondern auch die deutschen Bauern.
Nicht nur britische Bauern fürchten den Brexit, sondern auch die deutschen Bauern. Foto: dpa

Der Brexit könnte die deutschen Bauern teuer zu stehen kommen. Großbritannien produziert nur rund 60 Prozent seiner Lebensmittel selbst - und importiert deshalb viele Produkte von deutschen Höfen. Deutschland exportiere jährlich Agrargüter im Wert von 4,5 Milliarden Euro und führe britische Produkte lediglich im Wert von 1,3 Milliarden Euro ein, sagte der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Walter Heidl. „Der Handelsbilanzüberschuss beträgt 3,2 Milliarden Euro. Einen solch großen Agrarhandelsüberschuss hat Deutschland mit keinem anderen Handelspartner“, sagte Heidl der Deutschen Presse-Agentur. Das Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume erwarte bei einem weichen Brexit einen Rückgang des Überschusses um ein Fünftel, bei einem harten Brexit eine Halbierung. „Wir müssen erreichen, dass die Folgen für die britischen Verbraucher und für die deutsche Landwirtschaft über Handelsabkommen abgefedert werden“, sagte Heidl. Darüber kann laut dem Brexit-Abkommen von Premier Boris Johnson bis Ende 2020 verhandelt werden. Nicht nur hohe Zölle bei einem harten Brexit, sondern auch die Zoll- und Veterinärkontrollen bei einem weichen Brexit würden den Export belasten. „Der Brexit erschwert den Handel und es entstehen neue Kosten“, sagte Heidl. „Das kostet alle Beteiligten Zeit und Geld.“ Betroffen seien alle Nahrungsmittel, vor allem Schweine- und Geflügelfleisch, aber auch Milch, Rindfleisch und Getreideprodukte. Heidl warnte zudem vor einem Preisverfall als indirekte Auswirkung. Andere EU-Länder könnten nicht mehr wie bisher nach Großbritannien exportieren und böten damit Produkte im EU-Binnenmarkt an. „Der Brexit wird dazu führen, dass von anderen Ländern Produkte auf den restlichen europäischen Markt gelangen, die bisher nach Großbritannien gekommen sind.“ Die Folge seien Verdrängungswettbewerb und Mengendruck. „Und Mengendruck erzeugt immer auch Preisdruck.“ Bei irischen Waren, insbesondere Butter und Rindfleisch, spürten das die Verbraucher schon seit gut einem Jahr. Beide Produkte seien - auch finanziert durch EU-Mittel zur Erschließung neuer Handelswege auf dem Binnenmarkt - seit Monaten sehr günstig in den Supermärkten zu haben. In Erwartung eines Brexit suchten die Iren längst andere Märkte. Die Brexit-Folgen treffen die gesamte EU. Die Lebensmittelexporte in der EU nach Großbritannien beliefen sich 2017 auf 41 Milliarden Euro, britische Exporte in die EU auf 17 Milliarden Euro, errechnete der Europäische Vieh- und Fleischhandelsverband (UECBV). Der Handel und die dahinter stehenden Unternehmen beschäftigen 44 Millionen Menschen. Das zeige die Komplexität der Versorgungskette. Laut UECBV würden die Rindfleischexporte in das Vereinigte Königreich bei einem harten Brexit um 84 Prozent sinken; bei Schweinefleisch werde ein Minus von 48 Prozent und bei Schaffleisch von 76 Prozent erwartet. UECBV-Präsident Philippe Borremans nannte den Brexit schon 2017 die „derzeit größte Bedrohung für die europäischen Fleischerzeuger, Verbraucher und Händler“ - mit potenziell größeren Auswirkungen auf die Ausfuhr von Agrarprodukten als das Russlandembargo. Langfristig ist laut UECBV für Fleisch aus Deutschland ein Preisrückgang von fünf Prozent zu erwarten. Bei Rindfleisch könnte zudem ein möglicher Abschluss eines bilateralen Handelsabkommens der EU mit den Mercosur-Staaten den Markt belasten, sagte Heidl. Auch im Milchmarkt sind Verwerfungen zu befürchten. Vor allem der EU-Käsemarkt werde die Auswirkungen spüren, da Großbritannien - Cheddar hin oder her - Nettoimporteur ist. Deutsche Molkereien exportierten jährlich Zehntausende Tonnen Käse, Joghurt und andere Milchprodukte. Auch Getreide spiele eine Rolle: Es gehe um Exporte in Höhe von rund 620 Millionen Euro. Die Briten lieben deutsche Backwaren und führen Brot, Waffeln oder Kekse im Wert von gut 370 Millionen Euro ein. Auch Bier holen sie hektoliterweise aus Deutschland auf die Insel - jährlich für rund 35 Milllionen Euro. Und eine weitere Brexit-Folge: Großbritannien fällt als Geldgeber in der EU weg. „Das Land war bisher Nettozahler in den europäischen Haushalt. Die anderen Mitgliedsstaaten müssen nun erheblich mehr Mittel bereitstellen“, sagte Heidl. Das sei ein Thema der Verhandlungen zur gemeinsamen Agrarpolitik, deren Abschluss sich bis 2022 oder 2023 hinziehen könnte. Dabei stünden Kürzungen der Agrarförderungen für deutsche Bauern im Raum - obwohl Deutschland absehbar mehr einzahlen werde. „Man muss sehen, wie das dem Ziel gerecht wird, weiter eine nachhaltige Agrarpoltik machen zu können.“ Beutsche Bauern bekämen Ausgleichszahlungen nicht zuletzt für hohe Tierschutzstandards und Kulturlandschaftspflege, etwa in schwer bewirtschaftbarem Bergland.

x