Brüssel/Helsinki Der EU wird es zu bunt

Stein des Anstoßes sind die Farbpigmente Blue 15 und Green 7, die in zwei Dritteln aller Tätowierfarben enthalten sind.
Stein des Anstoßes sind die Farbpigmente Blue 15 und Green 7, die in zwei Dritteln aller Tätowierfarben enthalten sind.

Werden Tattoos bald weniger schrill? Zwei Farbpigmente, die als Grundstoffe vieler Farben dienen, könnten in der EU bald verboten werden. Gegen die Forderung der Europäischen Chemikalienagentur formiert sich Widerstand.

Bei der Frage nach Sinn und Ästhetik von Tätowierungen gehen die Meinungen weit auseinander. Während die einen nicht verstehen können, warum man Tinte oder Farbstoffe als Körperkunst unter der Haut verewigt, ist der Gang zum Tätowierer für andere fast so normal wie ein Friseurbesuch.

Dabei sind Tattoos schon längst nicht mehr nur Kennzeichen bestimmter Gruppen. Der Fantasie scheinen bei Motiv und Gestaltung des Körperschmucks fast keine Grenzen gesetzt. Was die Auswahl der Farbmotive angeht, könnte es zumindest innerhalb der EU mit der großen Freiheit aber bald vorbei sein. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA mit Sitz in Helsinki hat empfohlen, mehr als 4000 bedenkliche Substanzen bei Tattoo-Farben und permanentem Make-up zu beschränken. Darunter auch die Farbpigmente Blue 15 und Green 7, die in zwei Dritteln aller Tätowierfarben enthalten sind.

Tattoo-Szene schlägt Alarm

Die Tattoo-Szene schlägt Alarm: „Sollte es zu einem Verbot kommen, werden über 60 Prozent der Farbmotive zumindest offiziell nicht mehr möglich sein“, sagt Tätowierer Jörn Elsenbruch. Aus seiner Sicht ist das Verbot unsinnig. Dass die Farbpigmente gesundheitsschädlich sind, sei wissenschaftlich nicht bewiesen: „In 25 Jahren habe ich nicht ein schwerwiegendes Problem mit den Pigmenten erlebt.“

Die Substanzen sind bereits in Kosmetika tabu. Die ECHA-Position ist klar: Was nicht auf der Haut verwendet werden darf, dürfe auch nicht unter der Haut verwendet werden. Im konkreten Fall geht es der Behörde um zwei Dinge: Zum einen hängen die Bedenken mit dem Blasenkrebsrisiko der Stoffe zusammen, zum anderen ist ein Ausschuss der ECHA zur Einschätzung gekommen, dass die Informationen über die Pigmente unzureichend seien, um einen sicheren Gebrauch zu garantieren.

Chemikalienagentur sorgt sich um Wohl der Verbraucher

Argumente, die aus Sicht vieler Tätowierer kein Verbot rechtfertigen. Bis zum Wochenende lief eine von Elsenbruch initiierte Online-Petition unter dem Titel #tattoofarbenretten. Mehr als 150.000 Menschen haben sie unterstützt. Das bedeutet, dass der Petitionsausschuss des Bundestags in einem ersten Schritt über die Forderungen der Unterzeichner öffentlich beraten wird. „Wir fordern von Bundesregierung und Bundestag, ein EU-Verbot abzuwenden“, sagt Elsenbruch. Außerdem fordert die Initiative die Politik auf, mit der Tattoo-Szene in den Dialog zu treten. „Wir wollen nichts Gefährliches in Tätowierfarben“, betont der 53-Jährige. „Sollten Untersuchungen bestätigen, dass die besagten Pigmente gesundheitsschädlich sind, können wir über ein Verbot sprechen.“

Der ECHA geht es eigenen Angaben zufolge vor allem um das Wohl der Bürgerinnen und Bürger. „Weder die Kommission noch die ECHA schlägt vor, Tätowierungen oder Tattoo-Farben zu verbieten oder auch nur blaue und grüne Farben in Tattoos zu verbieten“, teilte ein ECHA-Sprecher mit. „Unser Ziel ist es, das Tätowieren sicherer für den Verbraucher zu machen.“

Im April wollen die EU-Staaten über ein Verbot beraten. Kurzfristig muss die Tattoo-Szene auf Green 7 und Blue 15 aber keinesfalls verzichten. Bevor ein Verbot greift, soll es eine mehrjährige Übergangsfrist geben, um Alternativen für die beiden Pigmente zu finden. Die wird es laut Elsenbruch aber nicht geben: „Danach wurde bereits zehn Jahre ohne Erfolg geforscht.“

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