Wirtschaft Leitartikel: Der neue alte Geist

Mitarbeiter des BASF-Stammwerks haben lange einen Manager vom Typ des früheren Arbeitsdirektors und späteren Chefs des Aufsichtsrats, Eggert Voscherau, vermisst. Jetzt ist so einer wieder da: Michael Heinz. Heinz sieht sich in der Pflicht, die Anliegen der Mitarbeiter ernst zu nehmen.

Mancher Manager glaubt, dass nur Zahlen zählen. Wer aber ausblendet, dass immer der Mensch im Mittelpunkt des Wirtschaftens steht, provoziert unproduktive Unruhe und ein schlechtes Betriebsklima. Das gefährdet den wirtschaftlichen Erfolg. Auch im Ludwigshafener Stammwerk der BASF gab es immer wieder solche Phasen. Vor zwei Jahren beklagten Mitarbeiter die kühle Relativierung der Bedeutung des weltgrößten Chemiestandorts durch den Konzernchef Kurt Bock und seine Führungsmannschaft. Der harte Sparkurs in Verbindung mit einer hohen Arbeitsbelastung, die Forderung nach mehr Flexibilität und die Befürchtung, dass am Standort zu wenig investiert werde, belasteten die Gefühlslage. Zu dem Eindruck, das BASF-Stammwerk sei nur ein Standort von vielen und nichts Besonderes, passte eine Serie ungewöhnlich vieler Betriebsstörungen bis hin zu dem schrecklichen Explosionsunglück im Oktober 2016. Und der Bau des aus mehreren Einzelanlagen bestehenden Fabrikverbunds zur Herstellung der Chemikalie TDI, die unter anderem zur Produktion von Matratzen und Sitzpolstern verwendet wird, entpuppte sich als eine Serie technischer Pannen. Die größte Investition in der langen BASF-Geschichte, dieses stolze Großprojekt, geriet völlig außer Kontrolle. Nach ursprünglichen Plänen sollte es Ende 2014 fertig sein. Die feierliche Inbetriebnahme war im November 2015. Doch das Riesending läuft immer noch nicht. Nachdem der erste Großreaktor, das Herzstück der Anlage, wegen schwerer Mängel durch eine kleinere Notlösung ersetzt worden war, wird jetzt Reaktor Nummer drei eingebaut. Gründe für die Riesenpanne sind Mängel bei zugelieferten Teilen und der vorgegebene übermäßige Zeitdruck beim Bau der komplizierten Anlage. „Jetzt fehlt einer wie der Eggert Voscherau“, war vor zwei Jahren von vielen Anilinern zu hören. Inzwischen ist so einer da. Michael Heinz ist seit einem Jahr Arbeitsdirektor. Er ist keine Kopie von Voscherau. Aber Heinz sieht Voscherau als Vorbild. In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre war Heinz Stabsmann, also rechte Hand, von Voscherau und konnte direkt von ihm lernen. Ein kleines bezeichnendes Beispiel für den persönlichen Stil, der Mitarbeiter motiviert, waren Voscheraus Beförderungsbriefe. Die hat er mit dem Füllfederhalter geschrieben. Als Anerkennung für gelungene Projekte gab es erst ein kleines Geschenk, einen Kugelschreiber zum Beispiel. Später kam dann überraschend noch eine finanzielle Prämie. Heinz macht das ähnlich, ganz in Voscheraus Manier. Erst gibt’s ein Lob per E-Mail. Später folgt dann eine Einladung – zu einem guten Essen zum Beispiel. Bevor Eggert Voscherau im Jahr 2001 Arbeitsdirektor wurde, war das Betriebsklima von jahrelangem Stellenabbau stark strapaziert. Weil die Mitarbeiterprämie gesenkt, die Dividende aber gleichzeitig erhöht worden war, protestierten empörte Aniliner vor den Werkstoren. Mit seiner Haltung, dass andere Manager für die Zahlen da seien, er sich aber um die Menschen kümmere, hat der frühere Arbeitsdirektor, der später den Vorsitz des Aufsichtsrats – bis 2014 – übernahm, das Betriebsklima zum Guten gewendet. „Die Menschen mitnehmen auf dem Weg des Unternehmens“ und „Wertschöpfung durch Wertschätzung“, waren seine Leitbilder. Michael Heinz und der Ludwigshafener Werkleiter Uwe Liebelt nehmen die Mitarbeiter ernst. Damit haben sie das Betriebsklima verbessert. Zu hoffen ist, dass Heinz bald Anlass hat, dem TDI-Team nette Einladungen zu schicken.

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