Wirtschaft Kredite mit Fußfessel

Trotz aller Hilfsprogramme: Griechenland bleibt hoch verschuldet. Die Schuldenstandsquote erreicht 188 Prozent (Deutschland 2017
Trotz aller Hilfsprogramme: Griechenland bleibt hoch verschuldet. Die Schuldenstandsquote erreicht 188 Prozent (Deutschland 2017: 64 Prozent) des Bruttoinlandsproduktes.

«Berlin.» Gut acht Jahre lang stand Griechenland unter dem Schutz eines finanziellen Rettungsschirms. Knapp 289 Milliarden Euro an Krediten sind in dieser Zeit nach Athen geflossen. In der modernen Wirtschaftsgeschichte hat kein Land mehr Hilfe bekommen.

Es klang fast euphorisch: „Ihr habt es geschafft!“, rief EU-Ratspräsident Donald Tusk den Griechen gestern zu. Mag sein, dass der 20. August 2018 in Griechenlands jüngerer Geschichte ein herausragendes Datum ist. Denn an diesem Tag endete das letzte von drei Rettungsprogrammen. Das Land hat seit Mai 2010 zusammen knapp 289 Milliarden Euro an Kredithilfen bekommen – nach Einschätzung des europäischen Rettungsschirms ESM eine nie da gewesene Unterstützungsleistung in der modernen Wirtschaftsgeschichte. Von den Gesamtüberweisungen nach Athen stammen gut 32 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds (IWF), davon sind 21 Milliarden Euro inzwischen wieder zurückgezahlt. Die restlichen knapp 257 Milliarden Euro haben die EU-Mitglieder aufgebracht. Zum Vergleich: Der Landeshaushalt von Rheinland-Pfalz für 2018 weist jeweils rund 17 Milliarden Euro an Einnahmen und Ausgaben aus. Wofür ist das Geld ausgegeben worden? Es hat drei Rettungsprogramme gegeben. Eine genaue Aufstellung der Geldflüsse hat der ESM für das dritte Programm veröffentlicht. Demnach sind von den rund 62 Milliarden Euro an ESM-Krediten 36 Milliarden Euro in die Rückzahlung alter Schulden geflossen, gut 11 Milliarden Euro in den Aufbau eines Kapitalpuffers, sieben Milliarden Euro zur Beseitigung von Zahlungsrückständen, mehr als fünf Milliarden Euro in die Bankenrekapitalisierung und knapp zwei Milliarden Euro für Sonstiges. Die Kredite des vorläufigen Rettungsschirms EFSF und des IWF sind im Wesentlichen für ähnliche Zwecke ausgegeben worden. Wie geht es nun weiter? Griechenland hat nach wie vor einen hohen Kapitalbedarf. Das Land hat nach Einschätzung der EU-Kommission eine Schuldenstandsquote von 188 Prozent (Deutschland 2017: 64 Prozent). Das ist die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Um die Kredite zu bedienen, muss sich das Land Kapital am freien Markt besorgen. In diesem wie im vergangenen Jahr hat Athen erste Testläufe gestartet – und bestanden. Das Zinsniveau ist ungefähr auf dem gleichen Stand wie vor der Finanzkrise. Zugleich wird Athen auch weiterhin mit Argusaugen beobachtet. So wird beispielsweise verlangt, bis 2022 einen Primärüberschuss in Höhe von 3,5 Prozent vom BIP zu erwirtschaften. Ein Primärüberschuss liegt vor, wenn mehr erwirtschaftet als ausgegeben wird. Nicht berücksichtigt werden dabei Zinszahlungen. Ferner wollen der ESM, die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission alle drei Monate in die griechischen Bücher schauen. Athen hat sich verpflichtet, die Reformen fortzuführen. Die griechische Zeitung „Phileleftheros“ schrieb in diesem Zusammenhang von einer „elektronischen Fußfessel“. Der pfälzische Linken-Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich (Reichenbach-Steegen) erklärte gar: „Für die Griechen ändert sich wenig, die Rezessions- und Verarmungspolitik ist auf Jahrzehnte festgeschrieben.“ Klar scheint: „Uns steht noch ein langer Weg bevor“, so der griechische Notenbankchef Giannis Stournaras. Kommentar

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