Politik Marine Le Pens kuriose Kulturrevolution

Die tief gestürzte Chefin des Front National, Marine Le Pen, will die Partei am Wochenende in Lille von Grund auf erneuern – ohne jedoch Grundsätzliches zu verändern.

Ein spannendes Spektakel verspricht das zu werden. Die will Hauptdarstellerin Unmögliches versuchen. Nicht, dass Marine Le Pen dies vor ihrem Auftritt im Grand Palais von Lille so formuliert hätte. Aber was sich die Chefin des Front National für den ersten Parteitag seit ihrer schmerzlichen Niederlage im Präsidentschaftswahlkampf auf die Agenda gesetzt hat, ist nun einmal beim besten Willen nicht zu leisten. Zum einen will Le Pen den beim Wähler in Misskredit geratenen Front National am Wochenende von Grund auf erneuern. „Eine wahre Kulturrevolution“ werde sie anzetteln, hat die kampferprobte Juristin angekündigt. Zum anderen soll bei Frankreichs Rechtspopulisten im Wesentlichen alles bleiben, wie es ist. Kontinuität hat die 49-Jährige auch versprochen. „Unsere politische Linie wird sich nicht ändern“, hat sie gesagt. Wozu passt, dass sich an ihrer Position auch nichts ändern wird. Gegenkandidaten, die ihr die Parteiführung streitig machen würden, gibt es nicht. Und zu beidem, zur Rundumerneuerung wie zum Bewahren des Erreichten, hat Le Pen ja auch allen Grund. Erneuern muss sie, weil sich für die Rechtspopulistin und ihre Partei ein Weiter so verbietet. Knüppeldick ist es für die Tochter des Parteigründers Jean-Marie Le Pen gekommen, die vor einem Jahr noch zum Entsetzen der EU-Partner als mögliche neue Staatschefin gehandelt worden war. Begonnen hatte es mit der Niederlage der Präsidentschaftskandidatin im TV-Duell mit Emmanuel Macron, der nach dem Schlagabtausch im Fernsehen auch die Wahlen gewann. Wie Le Pen auf europa- und wirtschaftspolitischem Terrain die Orientierung verlor, sich in Widersprüche verwickelte, außer wütenden Attacken nicht mehr viel zu bieten hatte, hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Marion Maréchal Le Pen, die als Hoffnungsträgerin gehandelte Nichte der FN-Chefin, nahm sich anschließend frustriert eine unbefristete politische Auszeit. Der Vize-FN-Vorsitzende Florian Philippot setzte sich später ebenfalls ab. Der frühere Mentor Marine Le Pens gründete seine eigene Partei: „Die Patrioten“. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft haben den FN und seine Vorsitzende zusätzlich diskreditiert. Le Pen und weitere EU-Parlamentarier der Partei stehen im Verdacht, ihnen angeblich in Straßburg zur Hand gehende Assistenten für Arbeiten in der Parteizentrale abgestellt zu haben. Das Europaparlament beziffert den Schaden mit sieben Millionen Euro. Wie die Zeitung „Journal du dimanche“ enthüllte, ist die FN-Vorsitzende inzwischen noch wegen Steuerhinterziehung ins Visier der Justiz geraten. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage wünschen nur noch 16 Prozent der Franzosen, dass Marine Le Pen und ihr Front National „politisch maßgeblich mitsprechen“ – ein neuer Tiefststand. Doch so sehr sich eine Neuausrichtung auch empfiehlt – zur Umsetzung fehlt der politische Spielraum. Macron und seine République en Marche haben erfolgreich die Mitte besetzt. Die konservativen Republikaner sind unter der Führung ihres neuen Chefs Laurent Wauquiez weit nach rechts gerückt. „Er macht teilweise dasselbe Angebot wie wir“, stellte Le Pen verärgert fest. Wie sollen sich die Rechtspopulisten da neu aufstellen, gar eine Mehrheit finden, auf die es die unverdrossen das höchste Staatsamt anstrebende Parteichefin abgesehen hat? Das Spektakulärste, was Le Pen am Sonntag präsentieren wird, dürfte denn der neue Name sein, den sie der alten Partei überstreifen will. Das letzte Wort sollen dann die FN-Mitglieder haben, die den Vorschlag billigen oder aber verwerfen können.

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